Als ich 1978 Herman Brood zum ersten Mal im Rockpalast sah, war für mich sofort klar, dass der Holländer den Rock'n'Roll wie kaum ein zweiter im Blut hat. Leider war mir damals noch nicht klar, dass es nicht das einzige war, was in seinem Blut wütete. Der Mann begeisterte mich so sehr mit seiner Art, wie er den Rock'n'Roll zelebrierte, dass er mich bis heute nicht losgelassen hat.
Leider verstarb Herman Brood bei seinem Selbstmord am 11.07.2001 in Amsterdam, als er vom Dach des Hilton-Hotels sprang. Ein Leben ohne Drogen erschien ihm nicht mehr lebenswert, soll in seinem Abschiedsbrief gestanden haben. Mit wäre es wohl auch nicht weitergegangen, da seine Leber und die Nieren schon irreparabel geschädigt waren.
Seine Platten sind schon immer schwer zu bekommen gewesen. Ich selbst hatte ein paar LPs der ersten Stunde. Nachdem ich mich von meiner Vinylsammlung trennte, war es fast unmöglich, an die entsprechenden CDs zu kommen, was sich nach seinem Tod aber änderte. Jetzt hat sich Sony/BMG die Mühe gemacht und die ersten 5 LPs des Ausnahmekünstlers noch mal remastert und in der "Brood Box" als Vinyl-Replika veröffentlicht. Des weiteren wurde noch eine Scheibe mit teilweise unveröffentlichten Aufnahmen dazugelegt. Diese sind allerdings nie fertig gestellt worden, denn dazu kam es nicht mehr. Die originalen LP-Cover wurden beibehalten, auf CD-Größe gebracht und in die Box gepackt.
Eines meiner Lieblings-Alben des wilden Herman ist die Live-CD "Cha Cha", auf dem er alle musikalischen Register eines Rock'n'Rollers zieht. Der Sound ist o.k. und die Stücke über jeden Zweifel erhaben. Energiegeladene Songs, wie man sie auch aus den Rockpalast-Nächten kennt. Hermans Einlagen am Piano sind ein absoluter Genuss, und treffen den Nerv des Rezensenten punktgenau. Wo wir gerade vom Rockpalast reden, wundert es mich schon ein wenig, dass dieser die beiden Auftritte (Dortmund 1978 und Köln 1990) Herman Broods zu seinem 5. Todestag nicht veröffentlicht hat. Da scheint der schnöde Mammon bei der Veröffentlichungspolitik wohl doch eine wichtige Rolle zu spielen. Chance vertan. Setzen, sechs. Vielleicht klappt es ja zum 10. Todestag!
Mit Songs wie "Hit", "Too Slow", "Street" und "Still Believe", das mit feinen Saxophon-Einlagen daherkommt, startet die Scheibe schon mal ordentlich durch. "True Fine Mama", das aus der Feder Little Richards stammt, wird im Sturm, sprich 1:35 Min., genommen und der darauf folgende "Rock'n'Roll Junkie" bläst uns das Hirn weg. Herman Brood & His Wild Romance wirken rastlos über die gesamte Länge des Albums und es scheint ihnen nie die Luft auszugehen. Die Nummern sind allesamt kurz und knackig, keine Zeit für Spielereien. Rock'n'Roll pur eben.
"Street" war das Debütalbum von Herman Brood & His Wild Romance und feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum. Die unverwechselbare Stimme des Niederländers klingt bei einigen Stücken noch etwas verhalten, was sich im Laufe der Jahre deutlich änderte. Eine gewisse Vorliebe der Band für elektronische Spielereien bei der Soundgestaltung war hier noch zu hören. Saxophon und einen Bläsersatz gibt es auf diesem Album genauso wie Piano und Gitarrenklänge. Über mangelnde Vielseitigkeit kann man sich bei dieser Platte wirklich nicht beklagen. Auch musikalisch wurden die Songs recht breit gestreut. Blues, Rock, Rock'n'Roll. Selbst karibische Klänge wurden bei dem Song "Syrup" verarbeitet, bei dem man sogar eine Flöte hören kann. Anspieltipps: "Street", "Crocodile", "Pop It" und "One More Dose".
"Shpritsz" klingt recht ordentlich, wenn man bedenkt, dass die Platte vor fast 30 Jahren in Vinyl gepresst wurde, und lässt mich in vergangenen Zeiten schwelgen. Lang, lang ist's her. Die Band klingt auf diesem Album deutlich gefestigter als auf dem Vorgänger und strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Die Backingvocals sind deutlich besser und ausgereifter. Die Pianoeinlagen von Herman kommen prima rüber und veredeln so manchen Song. Auch auf die Soundbasteleien wurde auf "Shpritsz" weitestgehend verzichtet. Für mich ist das zweite Album der Band neben "Cha Cha" eines der gelungensten und wahrscheinlich auch typischsten. Herman mit seiner Band in Bestform.
Anspieltipps: Das Album in seiner Gesamtheit!!!
"Go Nutz" war das letzte Album, das er mit seiner Band Wild Romance aufnahm. Leider zog sich Herman hier schon so langsam vom Rock'n'Roll zurück und ging musikalisch mehr in Richtung Pop. Auch die Vielfältigkeit der Musik ließ deutlich nach. Bluesige Pianoklänge waren so gut wie verschwunden und auch die Bläser waren sehr selten geworden. Lediglich "Hot Shot", "Easy Pick Up" und "Laurie" setzten die Traditionen der Vorgängeralben fort und lassen das Herz noch mal höher schlagen.
Anspieltipps: "Love You Like I Love Myself", "Hot Shot", "Easy Pick Up" und "Laurie".
Mit "Wait A Minute..." kamen die Bläser zurück und auch Herman war wieder erfrischend, wie auf seinen ersten drei Platten. Ergreifende Gitarrensoli und packende Pianoklänge wie man sie von den ersten Alben kennt. Herman Brood holte sich diverse Musiker für die Produktion ins Studio. Das Album wirkt ausgereift und erwachsen. Beim "Brickyard Blues" läuft der Niederländer wieder zur Höchstform auf. Die Harp duelliert sich mit dem Sax, satte Gitarren und ein schönes Piano. So liebe ich seine Songs. "Voices" ist dann noch mal Blues in Reinkultur mit einer tollen Harp, angenehmen Backingvocals und Bläsern.
Anspieltipps: "Girl Of My Dreams", "Keep Playin' That Rock'n'Roll", "Brickyard Blues" und "Blew My Cool".
Mit der Bonus-CD "Kid Stuff" kann ich überhaupt nichts anfangen und finde sie überflüssig wie einen Kropf. Diese Scheibe hat in dieser Box, meiner bescheidenen Meinung nach, nichts zu suchen. Elektronische Beats und unzusammenhängende Klangkollagen, die mit der Musik, die ich von Herman Brood kenne, überhaupt nichts zu tun haben. Allerdings muss ich zugeben, dass ich den Künstler ab Mitte der 80er-Jahre aus den Augen verloren habe und mir deshalb diese Art von 'Musik' vielleicht erspart geblieben ist. Ob die Veröffentlichung in Hermans Sinne gewesen wäre, lasse ich auch mal dahingestellt.
Fazit: Trotz der überflüssigen Bonus-CD gehört die "Brood Box" in jede gutgeführte Plattensammlung. Zumal dieses Werk, nicht wie üblich zu einem Horrorpreis, sondern für kleines Geld zu haben ist. Fünf gute Platten für unter 35 Euronen. Da kann man wirklich nichts verkehrt machen!
Tracklists |
Street (1977):
01:Street
02:Turn It On
03:Syrup
04:Back In Your Love
05:Crocodile (The Penthouse)
06:Pop It
07:Romanza Di Cavalli
08:Spine Pain
09:One More Dose (Lonely Pain Part) Live
10:Feels Like Love
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Shpritsz (1978):
01:Saturday Night
02:Dope Sucks
03:One
04:Doin' It
05:Champagne (& Wine)
06:Back (In Y'r Love)
07:Hit
08:Rock'n'Roll Junkie
09:Never Enough
10:Pain
11:Get Lost
12:Hot-Talk
13:Prisoners
14:Doreen
15:Skid Row
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Cha Cha (1978):
01:Hit
02:Too Slow
03:Street
04:Still Believe
05:True Fine Mama
06:Rock'n'Roll Junkie
07:One More Dose
08:Speedo
09:Dope Sucks
10:City
11:Blue
12:Can't Stand Up
13:Phony
14:Pop
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Go Nutz (1979):
01:Go Nutz
02:Love You Like I Love Myself
03:I Don't Need You
04:I'll Be Doggone
05:Right On The Money
06:Hot Shot
07:Born Before My Time
08:Beauty Is Only Skin Deep
09:Easy Pick Up
10:Laurie
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Wait A Minute... (1980):
01:Dynamite
02:Girl Of My Dreams
03:Time To Split
04:Keep Playin' That Rock'n'Roll
05:Outside Lookin' In
06:Propaganda
07:All The Girls 're Crazy
08:Brickyard Blues
09:Workin' Girl
10:Voices
11:Blew My Cool
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Kid Stuff (Bonus Disc):
01:Kid Stuff - Album version 'Final' 2006
02:Fall - Album version 'Final' 2006
03:Homeless - Album version 'Kid Stuff'
04:Fresh Poison - Album version 'Kid Stuff'
05:Dirt City Woman - Album version 'Kid Stuff'
06:Oh Way - Album version 'Kid Stuff'
07:I Miss You - Album version 'Final' 2006
08:Lola - Album version 'Kid Stuff'
09:Take Good Care - Album version 'Final' 2006
10:In The Air - Album version 'Kid Stuff'
11:I'm Scared - Album version 'Kid Stuff'
12:You Can't Break - Album version 'Kid Stuff'
13:2 Days In The Valley - Album version 'Final' 2006
14:Don't Push Me - Album version 'Kid Stuff'
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Externe Links:
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