Gestatten, sein Name ist Buckingham, Lindsey Buckingham, geboren am 3. Oktober 1949 in Palo Alto, Kalifornien! Macht es Klick, Musikfreunde? Ja, der gehört doch zu Fleetwood Mac. Richtig - Ich finde es klasse, dass ich diesen großartigen Gitarristen portraitieren darf. Ich wette mal, dass neben Roy Buchanan, Lindsey Buckingham der am meisten unterschätzte Gitarrist auf diesem Planeten ist. Lindsey ist genial auf seinem Griffbrett und vermutlich der beste im Fingerpickingspiel weltweit.
Er wuchs in einer sportbegeisterten Familie in Kalifornien wohlbehütet auf. Sein Bruder war ein ehemaliger Schwimmer mit Olympiateilnahme. Lindsey selbst spielte in seiner Schulzeit Wasserball und beendete seine viel versprechende Sportkarriere zu Gunsten einer Musikerlaufbahn. Seine Eltern erkannten sein Talent und unterstützten ihn. Sein Werdegang als Musiker führte in zuerst für fast vier Jahre in die Band Fritz. Die Musikrichtung dieser Truppe war dem Flower-Acid Rock zuzuordnen. Die Sängerin und seine (private) Partnerin in dieser Band war Stevie Nicks. Genau, die »Fee aus Texas«! Zusammen prägten sie das Bandgefüge und waren dafür verantwortlich, dass eine loyale Anhängerschaft ihre Konzerte regelmäßig besuchten.
Lindseys prägendes Gitarrenspiel und Stevies rauchige Stimme hatten schon damals das gewisse Etwas. Irgendwie wollte sich der 'große Erfolg' nicht einstellen und so beschlossen die beiden, die Band zu verlassen und es als Duo Buckingham/Nicks mit mehr Erfolg erneut zu versuchen. 1973 veröffentlichten sie bei Polydor den Tonträger "Buckingham/Nicks". Musikalisch war die Scheibe im Folk/Rock/Pop anzusiedeln. Dieser Tonträger ist leider schwer erhältlich, meist nur zu überhöhten Preisen.
Alleine schon das Cover ist das 'Eintrittsgeld' wert! Viel schöne Haut ist zu sehen und zwei Menschen, die auch optisch zusammen passten. Bekanntlich waren die beiden in dieser Zeit schon ein Paar, was sie bis Ende der Siebziger - mit Unterbrechungen - blieben. Auf dieser ersten Scheibe sticht das Stück "Frozen Love" schon gewaltig heraus. Welch ein Ding: Eindringlicher Gesang von Stevie und dann diese Gitarre von Lindsey... ein lang gestrecktes Solo ebnet nach dem ruhigen Anfang ein finales Inferno, das 'Hühnerhaut' erzeugt - sehr empfehlenswert. Wenn man diese feinen Gitarrenläufe hört, sollte der folgende kometenhafte Aufstieg von Lindsey mit Fleetwood Mac nicht wirklich überraschen.
Der Erfolg mit dem Erstling blieb aber aus und während der Arbeit zum zweiten Tonträger setzte Polydor das Gespann vor die Tür. Der Legende nach wurde Mick Fleetwood ein Demo-Band der beiden vorgelegt und er war sehr angetan. Ich vermute mal, genau diese Gitarrenparts mit dem eindringlichen Gesang von Stevie und der Stil dieses Tonträgers muss wohl den guten Mick bewegt haben, Lindsey und Stevie 1974 ins Fleetwood Mac-Boot zu holen. Der Mitbegründer der Band, Peter Green hatte schon seit einiger Zeit das Handtuch geworfen und die stetigen Personalwechsel danach bürgten für keine konstant gute Musik.
Fester Bestandteil waren nun die 'Urmitglieder' Mick Fleetwood, John McVie, Basser und Partner von Christine McVie und ab 1974 eben Stevie Nicks und Lindsey Buckingham. Wie die Band ab diesem Zeitpunkt von der klar Blues-orientierten Richtung auf die Folk/Rock und später auch sehr Pop-angehauchte Schiene wechselte, bleibt eines der spektakulärsten 'Manöver' in der Musikgeschichte. Rückblickend betrachtet und kommerziell gesehen: ein weiser Entscheid.
Fleetwood Mac hatten zwar sehr viele Blues-Fans der ersten Stunde, die aber ab spätestens 1975 der Band den Rücken zukehrten, weil der neue Sound so wenig mit Blues zu tun hatte wie Hitze mit Kälte! Die Fans die blieben, rieben sich die Augen, was da auf sie losrollte.
Das schlicht "Fleetwood Mac" benannte Album von 1975 wurde erstaunlicherweise eine Nummer-1-Scheibe in den USA. Das hatten die 'alten' Fleetwood Mac nie geschafft, trotz des Single-Hits "Albatros"! Man traf damals irgendwie den Zeitgeist in den USA mit diesem Sound. Lindsey und Stevie waren schon bei dieser Platte im Songwriting tonangebend - unterstützt von Christine McVie. Auffallend bei diesem Tonträger sind die flockigen Melodien mit den sehr einprägsamen Gitarrenparts von Buckingham. Ein Erfolgsrezept war sicher auch die kongeniale Zusammenarbeit innerhalb der Band. Zusammen mit der phantastischen Rhythmusabteilung wurde da ein Sound geboren, der sich noch enorm steigern sollte!
Zurück zum Album: Eines dieser Glanzstücke in Sachen Gitarrenkunst ist "I'm So Afraid", ich würde es als das Meisterstück bezeichnen, geschrieben von Lindsey, mit einem Text, der wirklich unter die Haut geht, gespielt mit Leidenschaft und einer Gitarre, die schlichtweg als sensationell zu bezeichnen ist. Auf dem Album schon gut, aber kein Vergleich zu den späteren Live-Aufnahmen. Das Stück wächst und wächst. Man höre/sehe sich mal dieses Stück auf der DVD "Lindsey Solo Tour Live At The Bass Performance Hall" von 2008 an. Schlichtweg ergreifend, was der Meister da zeigt, ohne Plektrum wohlverstanden! Wer ganz genau hinschaut (zoomt), kann am Schluss des Titels die blutigen Fingerkuppen von Lindsey erkennen! Eine ebenfalls unverzichtbare Version gibt es auf der DVD "Fleetwood Mac Live In Boston" oder dem Live-Kracher "The Dance" zu sehen und zu hören. Für das musikalische Umsetzen von "I'm So Afraid" gehört Lindsey für mich in den Musikolymp!
Sein Gitarrenspiel wurde immer mehr Bestandteil seines irre guten Sounds. Mit dem Album "Rumours", und weltweit 40 Millionen verkauften Tonträgern waren Feetwood Mac schließlich ganz oben angelangt. Mit diesem Werk wurde Musikgeschichte geschrieben - hier stimmte schlichtweg alles. Was für ein Gitarrenzauber zu "Never Going Back Again" (tolles Solo am Schluss), welch passende, geniale Gitarrenfeinheiten in "Gold Dust Women" und welch tragende, famose Gitarrenführung beim exzellenten "Dreams"... einfach traumhaft und schön. Lindsey wurde immer kreativer und entwickelte sein Gitarrenspiel komplexer und vielschichtiger. Das Nachfolgewerk "Tusk" zeigte diese Komplexität ganz besonders. Man muss wirklich genau hinhören, um alle Feinheiten und Raffinessen zu erkennen, denn das Album öffnet sich erst richtig nach mehrmaligem Zuhören - dann aber richtig. Ich persönlich finde es ein hervorragendes Werk, das Rock, Folk und Pop ineinander verschmelzen lässt und trotz seiner anfänglichen Sperrigkeit sehr homogen wirkt. Das Stück "Tusk" ist einfach unwerfend und live der Brecher. Man höre und staune da auch bei "The Dance" und "Sara" ist natürlich ebenfalls ein Knüller, geprägt von der schleppenden Melodieführung sowie Stevies Gesang.
Auf die wachsenden internen Beziehungs-/ und Drogenprobleme, die in dieser Zeit bei FM im Vordergrund standen, möchte ich nicht eingehen. Interessierten Zeitgenossen empfehle ich Carol Ann Harris' Buch "Storms: My Life with Lindsey Buckingham and Fleetwood Mac".
Lindsey wuchs kreativ weiter und nach einer guten FM Live-Scheibe von 1980 mit ausgedehnten Tourneen weltweit wurde sein erstes Album "Law And Order" veröffentlicht. Daraus wurde die Single "Trouble" ausgekoppelt. Das Album konnte natürlich nie und nimmer an die Verkaufszahlen von FM anknüpfen, trotz feiner Musik. Im Jahre 1982 folgte dann wieder eine FM-Platte ("Mirage") - auch da eine Nummer-1 in den USA. Musikausrichtung: klarer, süßer Mainstream-lastiger, klebriger Pop-Sound mit null Folk- und ganz wenig Rock-Struktur. Ein Stück ragt aber schon heraus, nämlich "Eyes Of The World". Einfach geil gespielt und auf der Live-Scheibe "Live In Boston" nachzuhören. Danach widmete sich Lindsey erneut seiner Solokarriere, was sich mit dem Album von 1984 "Go Insane" niederschlug. Immerhin ein Platz 23 in den US mit der Titeltrack-Single. Bis ins Jahr 1987 musste sich die FM-Gefolgschaft gedulden, bis ein neues Album auf den Markt kam. Das bekannte "Tango In The Night" schlug wieder weltweit großartig ein. US: 4, UK: 1 und auch sonst in der Welt Top-Platzierungen. Ein bittersüßes Album, getragen von Pop-lastigen Strukturen die Lindsey immer wieder mit seinen famosen Gitarrenparts aufwertet, ja den Track 'rettet'. Eine unglaubliche Gitarreneinlage ist auf "Isn't Midnight" zu hören. Aus dem Nichts kommend, lang gezogen, bestechend schön aus den Boxen geschossen, fesselt es einem die Sinne bei soviel filigranem Zauber. In dieser Zeit entwickelte Lindsey sein Fingerpicking-Spiel enorm weiter. Bei Konzerten wurden einige Stücke wie "Big Love", "Go Insane", "Landslide" (welch ein Duett mit Stevie!) und andere Songs 'nur' mit seinem exzellenten Spiel ohne Begleitung der Band dem Publikum vorgetragen. Seine Technik ist perfekt, faszinierend und zeigt eigentlich wirklich, wie großartig dieser Musiker ist!
Die Spannungen innerhalb Fleetwood Macs waren inzwischen sehr groß geworden, zu groß. Das Übliche halt, Drogenprobleme bei Stevie, Beziehungszoff und vieles mehr. Lindsey verließ die Band und widmete sich seiner Solokarriere, die er wieder vorantreiben wollte. Nächster Wurf war dann seine Platte "Out Of The Cradle". Vielschichtige, komplexe Gitarrenparts machen das Album beim ersten Hören nicht zugänglich. Dies kann man bei fast allen Lindsey-Alben eigentlich sagen. Das Prachtstück "Soul Drifter" ist die Ausnahme, sprich, bleibt schnell in den Gehörgängen haften. Ebenfalls speziell zu erwähnen ist der Song "This Is The Time". Schnell, präzise und fordernd gespielt - unglaublich.
Lindsey werkelte nun an einem Akustik-Gitarrenalbum herum, was aber noch lange auf sich warten lassen sollte.
1997 kam das Comback bei FM - mit von der Partie auch wieder Stevie Nicks, die zwischenzeitlich ebenfalls ausgestiegen war, um ihre Solokarriere zu forcieren. Stevie war solistisch erfolgreicher als Lindsey! Bei Fleetwood Mac war man sicher froh, dass alle wieder im Boot waren, denn der Erfolg war inzwischen nicht mehr so prächtig. Man tourte und brachte das wirklich starke Live-Album "The Dance" auf den Markt (CD und DVD sind sehr zu empfehlen). Hier spielen Profis, die ihr Handwerk verstehen und Emotionen wecken! Im Jahre 1998 wurde dann (endlich) die Gruppe in die 'Rock and Roll Hall of Fame' aufgenommen, verdient haben sie es allemal.
Dann war wieder lange Sendepause, jeder werkelte an seinen Projekten, bis man 2003 das famose "Say You Will" auf den Markt brachte. Eine Art Rückbesinnung zu "Tusk". Die Songstrukturen sind meist sehr experimentell gehalten (Stempel vom Meister Lindsey) und exzellent mit tollem Klangbild aufgenommen. Eine wunderbare Platte, leider ohne Christine McVie, die keine Lust mehr hatte, die Tretmühle Platte/Tour mitzumachen. Dieser Tonträger bietet wieder die Kombination aus Rock, Folk und Pop und es gibt so vieles zu entdecken, dass es sich geradezu aufzwängt, dieses Album in seine Sammlung aufzunehmen. Ein wahrlich zeitloses Musikdokument. Wer Pop mag, soll sich "Peacekeeper" zu Gemüte führen. Einer der (für mich) besten Popnummern ever! Wer es richtig rockig mag, liegt bei "Come" am besten. Was der gute Lindsey da aufzeigt ist vom Allerfeinsten.
Auf jedes Stück speziell einzugehen, würde den Rahmen sprengen, man muss einfach zuhören und genießen, was Lindsey so alles zu bieten hat. Er spielt nie aufdringlich, eher subtil, vielschichtig und sehr präzise, ohne aber steril zu wirken. Vielleicht ist sein 'Problem', dass er und sein nicht berechenbarer Stil fast immer vergessen geht. Er bewegt sich im Folk-, Rock- und Pop-Bereich mit ganz wenig Blues-Feeling, und so sitzt man natürlich zwischen den Stühlen.
Inzwischen besitzt er wie fast jeder Star ein eigenes Aufnahmestudio, in dem er auch als Produzent für andere Bands tätig geworden ist. Er ist ein Visionär, Komponist sowie Produzent und beseelt von der Weiterentwicklung seines Spiels. Er nimmt Stimmungen auf, veredelt sie mit ausdrucksstarken Texten und gibt sie mit seiner Gitarre wieder. Im Übrigen ist er in der Lage als Rechtshänder auch linkshändig zu spielen! Auf der Bühne verschmilzt sozusagen seine Gitarre mit seinem Ich. Auch für Filmmusik ist Lindsey zu haben. Das Stück "Time Bomb Town" ist im ersten Teil der Film-Trilogie "Zurück in die Zukunft" zu hören. Sein Song "Holiday Road" in der Komödie "Die schrillen Vier auf Achse" von 1987 mit Chevy Chase und Beverly D'Angelo. Der Mann hat Klasse, ist ein absolutes As im Geschäft und sieht dazu noch unverschämt gut aus.
Inzwischen scheint es so, dass Lindsey seine innere Ruhe gefunden hat. Seit dem Jahre 2000 ist er mit der blonden Kristen Messner verheiratet und kann drei Kinder sein eigen nennen. Eigentlich besitzt er alle Eigenschaften eines Stars, den man weltweit kennen muss! Nicht nur Insider sollten von ihm schwärmen! Ich für meinen Teil bin so froh, seine Musik zu kennen und zu schätzen. Ich empfehle, nein, ich lege es an das Musikherz aller Musikliebhaber: Gönnt euch auf DVD und CD "I'm So Afraid", dann wisst ihr, was ich meine!
Diskografie |
Mit Fleetwood Mac:
Fleetwood Mac (1975)
Rumours (1977)
Tusk (1979)
Live (1980)
Mirage (1982)
Tango In The Night (1987)
The Dance (1997)
Say You Will (2003)
Live In Boston [DVD] (2004)
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Solo:
Law And Order (1981)
Go Insane (1984)
Out Of The Cradle (1992)
Under The Skin (2006)
Gift Of Screws (2008)
Live At The Bass Performance Hall (2008)
Seeds We Sow (2011)
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Externe Links:
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