Eine mir sehr nahe stehende Person sagt immer: »Jeder kann singen«.
Folglich kann Mark Bragg auch singen. Seine Stimme ist schwankend, zitternd, schlottrig, wild, rasend und manchmal außer sich. Bragg kann singen.
Düster, ein wenig abstoßend, ein Wesen - Hyänen gleich, dessen Pfoten an Schwimmflossen erinnern. Kann man ein leicht verschmitztes Lächeln im Gesichtsausdruck dieses Wesens ausmachen? Das wäre dann rein äußerlich das einzig Freundliche an dem, wie "Bear Music" uns auf dem Cover begegnet.
Seine Sound-Werke sprengen z.T. jegliche Hörgewohnheiten, passen sich aber selbstredend den Themen seiner Lyrics an. Gewollt schräg werden Geschichten umgesetzt.
Nicht durchgehend, nein, es gibt auch Erholsames, geradezu Melodiöses: "Amanda Lies" und "Song For Marvin".
Die mir vorliegende "Bear Music" ist mit "Country In The Girl", "My Buick", "Amanda Lies" und "Paranoid Monkey Blues" um vier Songs seines Erstlings "The Reckless Child" erweitert worden. Geschmeidig fügen sich die Werke aus dem Jahr 2003 in den Gesamtkontext.
Mark Bragg zwingt einen dazu: Es reicht nicht, sich einfach nur von ihm unterhalten zu lassen. Das würde ihm nicht gerecht werden.
Die Texte, die Geschichten, die Bragg erzählt, ergeben eine Symbiose mit seiner klanglichen Interpretation.
Mark Bragg hat sich von Bob Dylan und Neil Young inspirieren lassen. Ob Vergleiche mit Tom Waits, Neil Young oder den Violent Femmes gerechtfertigt sind, lasse ich mal dahin gestellt.
Ungewöhnliche Geschichten treffen auf den Leser der Texte. Doch verschwendet man einen zweiten Gedanken, lichtet sich der Nebel der Einstellung und man verspürt gar einen gewissen Humor in seinen Lyrics.
Seine gitarrenorientierten Songs, die durchaus rockig sein können, haben oft eigenwillige, gar eigentümliche Sounds, besonders die mit Holzbläsern verstärkten Tracks, wie z.B. "Paranoid Monkey Blues". Blues? Na ja, einen gewissen New Orleans Flair kann man nicht in Abrede stellen.
Braggs Themen ranken sich um Eifersucht zwischen einem männlichen Prostituierten und seiner drogensüchtigen Freundin ("Born Trade"), dem unmäßigen "Uncle Milo", den die Kinder lustig finden. Bis er mit Karotten und Erbsen herumsaut: Das ist dann nicht mehr lustig…
Dennoch lässt Bragg einem genügend Raum für eigene Fantasien.
»Why do I do stupid things when I'm drinkin'...« Tja, man sollte eben in einem solchen Zustand keinen Liebesbrief ("The Letter") schreiben!
Mit der tollpatschigen Polka "Plans For The Boys" und seinen lächerlichen Background Vocals erweißt sich Bragg allerdings im wahrsten Sinne des Wortes einen Bärendienst.
Richtig locker kommt da schon eher "Which Doctor" mit seinem schicken Refrain und seinen obskuren Soundtupfern…
"Country In The Girl" hat eine schöne Boogie-Gitarre.
Eigenwillig, persönlich, nachdenklich mit zum Teil so sehr abgedrehten Songs, dass die Musik schon wieder richtig gut ist:
Mark Bragg eben!
Spielzeit: 59:42, Medium: CD, Bellwether Music/H'art/Skalde Musik, 2006, Singer/Songwriter
1:Bear And The Barbed Wire (2:50) 2:The Bridge (3:43) 3:Spark Man (3:20) 4:The Forty (4:03) 5:Country In The Girl (4:16) 6:Amanda Lies (3:41) 7:Born Trade (4:02) 8:Song For Marvin (3:47) 9:My Buick (3:17) 10:Murder In The Southlands (5:22) 11:Which Doctor (2:35) 12:Plans For The Boys (4:26) 13:The Letter (4:09) 14:Uncle Milo (3:45) 15:Paranoid Monkey Blues (6:07)
Joachim P. Brookes, 02.08.2006
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