Liebe Leute, dies ist definitiv nichts für eine Musikanlage herkömmlichen Zuschnitts mit Konservendosenklang!
Zugegeben, damit meine Soundmaschine bei der Wiedergabe von Tonkonserven richtig Krach macht, brauche ich keine highfidelen Kasperkästen zu astronomisch unverschämten Preisen, sondern solide Komponenten, die nicht gleich bei der ersten Party schlapp machen, aber auch nicht den Anblick meiner wohnlichen Räume verschandeln. Außerdem müssen diese Komponenten heutzutage Alleskönner sein, denn ihr Nutzen hat schließlich längst über die simple Wiedergabe eines überteuerten Original-Silberlings hinauszugehen.
Aber, und nun kommt der Haken, ein Musiker vom Schlage eines Pierre Bensusan macht auf seinem neuesten Werk "Altiplanos" wirklich alles, aber keinen Krach!
Und seine Musik verlangt dreierlei: Zuhören, zuhören, zuhören!
Ich habe es mit meinem Schlaf- und Arbeitszimmer Henkelmann (auch Ghettoblaster für Arme genannt) versucht, es war überwiegend nur eine ausgesprochen kompetent gezupfte Akustikgitarre zu hören, zweimal französischer Gesang und dreimal ethnoangehauchtes im Worldmusic-Style.
Insgesamt alles von der Atmosphäre her sehr ruhig und entspannt gehalten, von einzelnen eruptiven Ausbrüchen mal abgesehen. Das floss dann ganz entspannt an meinen Ohren vorbei und hinterließ bei mir ein Achselzucken.
Dann probierte ich die Sofavariante vor der wohnzimmerlichen highfidelen Kasperanlage mit dem vermeintlich ultimativ reinen, neutralen und hochaufgelösten Turbotransparentsound, stellte das Ganze auf moderate Wohnzimmerstärke und war schlussendlich spätestens ab dem 5ten Stück sanft und friedlich entschlummert.
Tja, damit ist diese Scheibe zwar gesünder als Schlaftabletten, aber wird mensch da dem Künstler gerecht?
Mitnichten, Pierre Bensusan, 1957 im ehemals französischen Algerien geboren, Autodidakt an der Gitarre seit dem 11ten Lebensjahr, mit 4 Jahren bereits zusammen mit seinen Eltern nach Paris übergesiedelt, hat mit 18 Jahren seine Debütplatte "Près de Paris" herausgebracht und kann mittlerweile auf insgesamt 9 Soloproduktionen verweisen, die ihm die geballte Hochachtung seiner MusikerkollegInnen und der Fachpresse eingebracht haben, vorwiegend aus dem weitläufigen Bereich der akustisch geprägten Gitarrenmusik.
So bringt es William Piburn vom 'Fingerstyle Guitar Magazine' anlässlich der Veröffentlichung von "Altiplanos" mit folgenden Worten auf den Punkt: "Pierre Bensusan is the most creative energy in the world of steel string guitar by far".
Was mich umgehend zu einer weiteren Besonderheit dieses Kleinodes bringt.
Denn das Teil wurde nicht mit einer handelsüblichen Wanderklampfe eingespielt, wie sie auch bei mir seit Jahren irgendwo in der Ecke verstaubt, weil ich mich dauerhaft und latent als absoluter Grobmotoriker entpuppe, nein, Pierre Bensusan spielt eine sündhaft teure Steel-String-Guitar als Spezialanfertigung von einem Herrn aus L.A. namens Kevin Ryan. Und zusammen mit einer Spezialabstimmung, die Bensusan 'DADGAD' nennt und gleichzeitig Namensgeber seines Musikverlages ist, beweist er auf "Altiplanos" ausgesprochen eindrucksvoll, dass er zur begnadeten Spezies der sensitiven Feinmotoriker gehört.
Aber diese Zeilen lassen schon erahnen, wenn das ganze Universum des Schaffens von Pierre Bensusan auch nur ansatzweise erfasst werden soll, dann funktioniert das nicht nebenbei und verlangt eine im Vergleich zum Aufnahme-Equipment zumindest ansatzweise adäquate Abspielanlage!
Dann aber lassen sich 11 von Pierre Bensusan solo eingespielte Tracks im Spannungsfeld zwischen Acoustic-Folk, Celtic-Folk, Ethno-Jazz, Oriental-Jazz, mit bluesigen und auch klassischen Einsprengseln genießen, wobei zwei Stücke von seinem sehr gefühlvollen und angenehmen Gesang begleitet werden, die dadurch in ihrer emotionalen Tiefe stark hinzugewinnen. Insofern finde ich es schade, dass er nicht mehr Songs mit Gesang eingespielt hat.
Die restlichen 3 Stücke fallen etwas aus dem Rahmen und wurden bereits 1998 aufgenommen. Hier kommt teilweise noch weitere Instrumentierung durch Kontrabass, Flöte, Keyboards und diverse Percussion hinzu.
Dabei wurde auch eindeutig mit Overdubs gearbeitet.
Ob dies bei den anderen 11 Tracks ebenfalls der Fall ist, kann ich teilweise nicht mit letzter Sicherheit beurteilen.
Es wäre schon ganz interessant, das zu wissen, denn des häufigeren habe ich den Eindruck, dass gleich zwei oder drei Gitarristen gleichzeitig die Saiten zupfen, sanft streicheln oder auch mal hart anreißen.
Aber absolute Spitzenkönner soll ja bekanntlich auszeichnen, dass sie genau das auch ganz alleine durch ihr ausgefuchstes Spiel erreichen können.
Und zu diesen Spitzenkönnern gehört Pierre Bensusan allemal, nicht umsonst sagen beispielsweise Koryphäen wie David Crosby: "This musician is fantastic. He completely blew me away", Suzanne Vega: "Pierre Bensusan's music is a true inspiration", Carly Simon: "Pierre Bensusan's music is a gift" oder Steve Lukather: "Tremendous music!"
Und wem die Zeit oder Möglichkeiten fehlen, dieser Platte die von mir beschriebenen Rahmenbedingungen angedeihen zu lassen, dem sei gesagt, dass dieses Werk im kulturellen Sinne zum kuscheligen "Candlelight-Dinner for two" immer noch tausendmal besser geeignet ist, als alle "Kuschel-Rock" - Sampler dieser ungerechten Welt!!!
Spielzeit: 59:58, Medium: CD, Favored Nations, 2005
1:Sentimentales Pyromaniaques 2:Dame de Clevedon 3:Sur un Fil 4:Altiplanos 5:Demain Dès l'Aube 6:Scarabée 7:If Only You Know 8:Hymn 11 9:Nefertari 10:Sylva 11:Nuit des Météores 12:Falafel À Montségur 13:Tacita 14:Chant de Nuit
Olaf "Olli" Oetken, 21.05.2005
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