Ray Bonneville macht mir Lust und Frust. Lust, weil seine jetzt bei uns veröffentlichte CD "Roll It Down" derzeit mein Lieblings-Soundtrack für die entspannten Lagen ist. Frust, weil ich sein Club-Konzert kürzlich wegen einmal mehr heftigen Schneefalls in diesem endlosen Frankenwald-Winter verpasst habe. Und weil der abwechselnd in Montreal und Arkansas lebende Künstler sicher kein häufiger Gast auf deutschen Bühnen ist und folglich ein baldiger Ersatztermin eher unwahrscheinlich sein wird.
Mangels Vorkenntnissen und wohl irgendwo falsch aufgeschnappter PR hatte ich einen typischen Blues-Rocker, der seine Gitarre im klassischen Freistil malträtiert, erwartet. Falsch, Herr Neugebauer, völlig kalt. Ray Bonneville ist ein Singer/Songwriter, ein 'ramblin' man', der sehr relaxt seine Stories erzählt, die er in unaufdringliche, aber raffinierte Arrangements verpackt.
Mit dem 'gewissen Etwas', das den alles entscheidenden Unterschied zu einem nur guten Alleinunterhalter ausmacht. Er hat eine sanfte, angenehme Stimme, die mein 'Wohlfühlzentrum' direkt anspricht. Und spielt dazu eine feine, sehr zurückhaltend, aber akzentuiert eingesetzte Slide-Gitarre. Als wohltemperierte Begleitinstrumente (die genau diese Funktion sehr effektiv erfüllen) werden das übliche Rockinstrumentarium und dazu verschiedene Keyboards, mal eine Violine, ein Sax, Mundharmonika, Mandoline, Bariton-Gitarre oder dezente Percussion und dazu ein bisschen 'harmony vocals' von Gästen eingesetzt. Das Schlagzeug wird kaum bemüht, meist reicht der Stiefel, der den Rhythmus klopft.
Das, was der erste Song "Tomorrow´s Yesterday" verspricht, hält die ganze Scheibe. "Six Blade Knife" stand dazu Pate (nicht nur wegen des sehr vertrauten Grooves), überhaupt scheint Mark Knopfler ein Gefühlsverwandter zu sein. Bonneville ist aber noch viiiel mehr laid back, fast wie der legendäre Schweiger aus Tulsa (der ihm auch ein paar Mal das Händchen geführt hat). Die selbst geschriebenen Songs plätschern dahin, wie ein munterer Bach durch eine sommerliche Hügellandschaft. Auf seinem Weg gibt es immer wieder was zu entdecken. Nichts aufregendes, aber kleine Earcatcher, wie wenn plötzlich eine Forelle aus dem Wasser schnellt oder eine schillernde Mosaikjungfer heranschwirrt. Die kommen meist von der clean gespielten Slide, die für kurze swingende Zwischenspiele sorgt. John Mooney hat einen ähnlichen Stil, allerdings deutlich aggressiver.
Es gibt keine schnellen Tracks und trotzdem fehlt (mir) nichts, von Einförmigkeit oder Langeweile keine Spur. Dafür aber richtige Schleicher, wie etwa "Oxford Town", das mich von seiner schönen, melancholischen Stimmung an 'Dirty Old Town' erinnert, mit Zweitstimme, Harp und der Slide, die diesmal wie eine Pedal Steel klingt. Oder "Slow Matin". Es 'boogiet' auch, bei "Tiptoe Spider" und 'shufflet' bei "Stand Real Still". Hier zeigt Bonneville, dass für die entsprechende Animation zum Mitwippen keine Power-Chords in Hochdruckausführung erforderlich sind. Ein guter Song, mit einer Stimme und einer Gitarre, die genau im richtigen Moment um Nuancen anziehen - that´s all folks!
Richtig bluesig wird´s auch, mit feiner B.B. King-Gitarre - "You Know What I Mean?". Eine entrückte Stimmung mit Retro-Touch zaubern Hammond B-3, Geige, Barriton-Gitarre und die diesmal sonore Stimme in "Under The Bridge". Eine Nummer mit klaren Hitambitionen, wenn sie nur die Chance hätte, bekannt zu werden. "I Been A Train" ist genau der Song mit 'Laid Back-Feeling' und einmal mehr der feinen Slide, den Eric Clapton immer so krampfhaft hinzuschustern versucht. Die definitive Hymne für die 'Entschleunigungs-Bewegung'.
"Roll It Down" lege ich Allen ans Herz, die ihren erhöhten Blutdruck für gut 40 Minuten nebenwirkungsfrei auf Normalwerte bringen wollen. Oder beispielsweise einen Kurzurlaub in der Mittagspause nötig haben.
Spielzeit CD: 41:02, Medium: CD, Herman's, 2006
1:Tomorrow's Yesterday, 2.Under The Bridge 3.July Sun 4.Roll It Down 5.Oxford Town 6.Walk With Me 7.Tiptoe Spider 8.Slow Matin 9.Who's Talkin' to Me 10.Stand Real Still 11.You Know What I Mean 12.I Been A Train
Norbert Neugebauer, 22.03.2006
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