Gerade mal die Zahlen 1, 2 und 3 sind von der bis 16 reichende Ziffernfolge auf dem Display des Players beleuchtet. Unter der Sparte "Time" wird hingegen eine ordentliche Spielzeit von 63:26 Minuten angekündigt. Liebe Musikfans, liebe Progressive Rock Freunde, wenn das keine guten Rahmenbedingungen für eine Prog-Opera sind...
Tomas Bodin kennt man von seinem Tastenspiel bei The Flower Kings. Wie auch sein dortiger Boss Roine Stolt, ist Tomas trotz all der Blütenpracht nicht ausgelastet und verlässt das Blumenbeet schon mal, um sich anderweitig im Musikbiz zu tummeln. Er firmiert mit seinem Soloprojekt phantasievoll als Tomas Bodin. Nun liegt sein vierter Streich bereit, um die Laser in den CD-Spielern binär zu reflektieren.
"I Am" ist ein lupenreines Progressive Rock Werk geworden. Die Motivation zu den textlichen Inhalten und der instrumentalen Umsetzung kam wohl aus dem Innersten des Keyboarders:
"Ich glaube, dass sich jeder Mensch einmal fragt:
Wird die Sache gut ausgehen? Werde ich ewig leben? Wer bin ich eigentlich?
Zunächst ging es mir mit dem Album darum, mir selbst über einiges klar zu werden. Ich musste es ausspucken...."
Er stellt euch mit "I Am" also nichts Geringeres vor, als seine Antworten auf die letzte aller Fragen. Es lohnt sich alleine darum schon, genau hinzuhören. RockTimes kontert die Frage dagegen mit der völlig absurden, Millionen Menschen bekannten und irgendwie das Herz erreichende Antwort: 42!
Wie es sich für eine anständige ((Prog)Rock)-Oper gehört, sind verschiedene Sänger zu "stimme". Pamilla Bodin, Helene Schönning und Anders Jansson übernehmen die verschiedenen Parts und Harmoniegesänge. Sie machen ihre Sache ziemlich gut, obgleich Anders bei lauten Abschnitten doch etwas limitiert klingt.
Besonders aufhorchen lässt den Musikfan Auch-Flower King Jonas Reingold. Er basst virtuos in den Arrangements herum, "bässer" geht es nicht. Ob ein Track erdige Passagen verlangt, rhythmisches Pumpen oder melodiöse und flockige Läufe, Jonas trifft ins Schwarze.
Die Gitarre erklingt unter den geübten Fingern von Jocke JJ Marsch. Der sonst bei Glenn Hughes beheimatete Axtmann hat auf "I Am" die Gelegenheit wirklich zu zeigen, wer er ist. Und er packt sie beim Schopfe - gnadenlos. Gitarren Jocke tobt sich mächtig aus. Mal rifft er brachial herum (Akt 2 bei 0:30 Minuten), ein andermal segelt er in ruhigeren Bluesgefilden (Akt 2 ab Minute 12:57) umher. Seine Brillanz tritt jedoch erst bei den Solopassagen und den schnellen, irisierenden Läufen so richtig zutage. Es macht Spaß, einem solchem Künstler zuzuhören.
Ebenfalls ein Flower King ist der Trommler Marcus Lillequist. Sein Spiel passt ausgezeichnet zu einem epischen und dramatischen Werk wie "I Am". Er überlädt die Songs nicht zusätzlich, sondern gibt ihnen ein zu ihrer Identität passendes Fundament.
Über die handwerklichen Qualitäten von Tomas Bodin braucht wirklich nicht mehr geschwafelt zu werden. Er setzt sein ganzes Können an den Keyboards ein. Was dabei herauskommt ist schon beieindruckend. Insbesondere, wenn er sich in wilden Zweikämpfen gegen Gitarre oder Bass behauptet. Aber auch die leisen, sanfteren Passagen machen Freude, klingen abgerundet und passen ins Gesamtkonzept.
Bei drei Akten mit Laufzeiten von 23:12, 21:28 und 18:43 Minuten ist schon fast wagemutig, Anspieltipps zu nennen. Zum Antesten dient jede Stelle der CD. Ihre Magie offenbart sie vollständig aber nur dann, wenn "I Am" als Konzept von vorn bis hinten vom playerinternen Lichtschwert abgetastet wird.
Viel Spaß wünschen wir bei dem Versuch, alle Symbole auf dem Cover zu enträtseln. Von 18 Zeichen sind mir mal gerade mal 8 bekannt. Aber was soll's; man lernt eben nie aus.
"I Am" ist eine komplexe, verwobene und interessante Scheibe geworden. Sie beinhaltet dramatische Momente und jede Menge Theatralik. Nunja, deswegen wohl auch die Bezeichnung "Prog-Oper".
Natürlich sind Ähnlichkeiten zu den Flower Kings zu erkennen. Das ist sicherlich kein Nachteil, denn so langsam könnte man meinen, die Schweden wollten ein Sultanat in Sachen Progressive Rock errichten.
8 von 10 fortschrittlichen RockTimes Uhren verdient sich Tomas Bodin locker.
Spielzeit: 63,28, Medium: CD, InsideOut, 2005
1: I, 2: A 3: M
Olli "Wahn" Wirtz, 25.06.2005
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