Alice Cooper / Welcome 2 My Nightmare
Welcome 2 My Nightmare Spielzeit: 56:06
Medium: CD
Label: Universal Music, 2011
Stil: Rock

Review vom 01.11.2011


Jochen v. Arnim
Um sich die erste Platte ähnlich lautenden Titels des Vincent Furnier zu Gemüte führen zu können, muss man schon recht tief in der Geschichtskiste kramen. Ganze 36 Jahre ist es nun her, seit "Welcome To My Nightmare" als erstes richtiges Soloalbum von Alice Cooper auf den Markt kam. Erstes Soloalbum aus dem Grunde, weil die davorliegenden Vinyl-Platten eigentlich eher als Werke der Band insgesamt angesehen werden. Dazwischen liegen unzählige weitere Veröffentlichungen, Dutzende Tourneen und Tausende von Konzerten. Man kann Cooper durchaus als einen sehr erfolgreichen und nach wie vor in seinem Genre populären Musiker bezeichnen. Da darf dann auch mal die bescheidene Frage erlaubt sein, ob er so etwas wie das vorliegende Werk überhaupt nötig hat, ob er die Welt mit einer aufgewärmten Fortsetzung seines Erstlingswerks belästigen musste? Wer ab hier nicht weiterlesen möchte, dem gebe ich eine kurze und knappe Antwort vorab: Ja, unbedingt und nahezu uneingeschränkt! Von allen Veröffentlichungen Alice Coopers, die ich habe oder kenne, zählt das neue Album wahrscheinlich mit zu den besten - Punkt.
Wie sie schon der kleine Steven vor 36 Jahren in seinen Träumen erlebt hat, so bekommt der Hörer auch hier eine Vielzahl Horrorvisionen präsentiert, wohl nicht ohne ein hier und da mal eingeflochtenes Augenzwinkern. Wer sich die CD zur Hand nimmt und sich die Texte begleitend zur Musik zu Gemüte führt, der wird wahrlich die unterschiedlichsten Szenarien durchleben, die einem die Traumwelt auch im richtigen Leben so ab und zu suggerieren kann. Klar, Cooper wäre nicht Cooper, wenn er sich nicht die richtig fiesen Dinge ausgesucht hätte, à la: 'Uups, Du wolltest in den Himmel. Tja, hat nicht so recht geklappt, jetzt bist Du bei uns in der Hölle gelandet. Ist zwar ein bisschen anders, als Du Dir das vorgestellt hattest, aber wir werden schon unseren Spaß mit Dir haben.' Und schon fängt das Kopfkino an zu rattern. Nicht umsonst hat Cooper auch bei diesem Konzeptalbum auf die Hilfe Bob Ezrins zurückgegriffen, der schon beim ersten "Nightmare" maßgeblich am Texten beteiligt war. Leider würde es den Rahmen der Rezension sprengen, hier en detail auf jeden Textinhalt eines jeden Songs einzugehen und so muss der Hinweis reichen, dass es sich unbedingt lohnt, das umfangreiche Booklet zur Hand zu nehmen.
Genauso vielschichtig wie des Menschen übelste Träume kommt die Musik dieses Werks daher. Vom Hardrock bis zum Gedudel auf einem Kirmesplatz haben wir alle Facetten vertreten, kleine Umwege über Pop und Disco-Musik eingeschlossen. Nicht für jeden Hörer mag dieses Ensemble den wahren, hart rockenden Alice Cooper repräsentieren, zu gemischt scheinen die Kompositionen. Und auch über die Auskoppelung eines oder mehrerer Tracks für eine Single-Variante mag man durchaus noch einmal nachdenken. Fakt ist aber, dass sich wohl hinter jedem Ton, jedem Break, jedem noch so 'mutigen' Experiment ein durchdachtes Kalkül im Hinblick auf das Gesamtwerk verbirgt. So fühlen wir uns zwar durchaus an eine Epoche in der Geschichte der Rockmusik erinnert, die schon gute 30 und mehr Jahre zurückliegt, aber Ezrin hat das Album derart geschickt produziert, dass gerade der eingangs erwähnte Aufwärm-Effekt nicht entsteht.
Werden wir noch im Intro des ersten Tracks "I Am Made Of You" mit vorsichtigen Pianotönen an das Thema herangeführt, nur um im weiteren Verlauf ein fast bedrohliches Gefühl vermittelt zu bekommen, so geht es bei Nummer 2, "Caffeine", schon direkt von Anfang an schwerer zur Sache. Da fetzen die Gitarren und die Trommeln treiben (in den Wahnsinn?) - passend zum Text. Du weißt, dass das Schlafen und Träumen der Horror ist und lässt somit nichts unversucht, eben dieser Urangst wach zu entkommen. Genau in diese Bresche haut auch "The Nightmare Returns" mit Textzeilen wie: »Ugly faces, awful places, I don't want to go…no«.
Mit "The Congregation" entführt uns Cooper einmal mehr in die grandiose Glam-Rock-Ära mit allen Komponenten, die seinerzeit so typisch für dieses Genre waren: Trommel, harte und simple Riffs, ab und zu mal ein gemeinschaftliches 'Hey-hey-hey'-Rufen. Etwas gewöhnungsbedürftig wird es allerdings bei "Disco Bloodbath Boogie Fever", in der Form, dass leider nicht der Boogie aus dem Titel dominiert sondern eine Cooper'sche Discovariation. Da kann auch gegen Ende die schnelle 'Shredderei' auf der Solo-Gitarre nicht mehr viel retten. "Ghouls Gone Wild" haut uns als kleinen Kontrast dann einen mehrstimmig gesungenen Rock'n'Roll um die Ohren, der in Teilen durch Synthi-Klänge etwas in andere Stilrichtungen ausfranst - cool gemacht.
Als kleiner 'low blow' kommt für mich das balladenhafte "Something To Remember Me By" daher, das ich eher einem schmalztriefenden Chris de Burgh zuschreiben würde - egal, der Schnitt stimmt noch. Etwas nachdenklich stimmt "When Hell Comes Home", das düster und zäh fließt. Thematisch bleiben wir natürlich bei Albträumen, jedoch geht Cooper hier sehr stark in die Realität häuslicher Gewalt, 'when daddy comes home'. Inhaltlich besonders beim Ende ein wenig an Luftschmitzens "Janie's Got A Gun" erinnernd, macht Mr. Alice hier einen auf sozialkritisch. Den bislang guten Schnitt schwächt leider auch "What Baby Wants" - Gastrolle: Ke$ha - das in eine platte Michael Jackson-Ecke gedrückt wird. Dieses wird im unmittelbaren Anschluss durch einen zwar nicht ganz reinen, aber immerhin vorhandenen Westcoast-Sound bei "I Gotta Get Out Of Here" rausgerissen. Der krönende Abschluss ist die gelungene Interpretation einer Animals-Hymne, die bei der vorgegebenen Thematik natürlich wie die Faust aufs Auge passt - Bonus-Track.
Fazit: Klasse Album, mit kleinen Abstrichen, sehr schön abwechslungsreich, fiese Texte und ich lege mich jetzt mit dem Booklet auf die Couch und hole mir die 'creeps'.
Tracklist
01:I Am Made Of You
02:Caffeine
03:The Nightmare Returns
04:A Runaway Train
05:Last Man On Earth
06:The Congregation
07:I'll Bite Your Face Off
08:Disco Bloodbath Boogie Forever
09:Ghouls Gone Wild
10:Something To Remember Me By
11:When Hell Comes Home
12:What Baby Wants
13:I Gotta Get Outta Here
14:The Underture
15:We Gotta Get Out Of This Place (Bonus)
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