Canvas Solaris / Penumbra Diffuse
Penumbra Diffuse
Was es nicht alles gibt! Es ist gar nicht so lange her, da schüttelten wir die Köpfe, ob der vielen musikalischen Stile. Rock, Metal, Blues, Roots, Jazz usw. sollten doch reichen, um halbwegs treffsicher zu beschreiben, um was es geht.
Nun flatterte mir eine Band in's Haus, deren Stil mit 'Technical Metal' beschrieben wird. Zugegeben, das passt.
Aber das Release-Sheet (auch so'n Ausdruck) geht noch weiter und schreibt "brutal jazz outfit, with music based on outer space". Das passt auch und wenn man dann den Albumtitel übersetzt, von Tracks, wie "Horizontal Radiant" oder "Accidents In Mutual Silence" liest, kann man ahnen, dass keine leichte Kost ins Haus steht.
"Penumbra Diffuse" ist das zweite Album der Band, die sich also dem sog. technischen Metal (in Instrumental-Form übrigens) verschrieben hat.
Wirr und brutal knüppelt der Opener aus den Boxen. Hunter Ginn (Drums & Percussion), Nathan Sapp (Guitars & Synthies) und Ben Simpkins (Guitars & Bass) zeigen ihre Visitenkarte.
"Horizontal Radiant" schaltet aber wieder runter und säuselt erst mal Jan Hammer-like in die Ohrmuscheln, bis die Gitarre hart in's Geschehen rifft und spürbare Härte versprüht. Immer dabei die elektronischen Sequenzen, die in der Tat stellenweise den 'Outer Pace' musikalisch abbilden. Die Mischung aus ruhigen Synthi-Passagen mit sehr melodiös gezogenen Spuren und die dann brutal einsetzende Gitarre hat was.
Auch "Accidents In Mutual Silence" mischt Metallisches mit Elektronik. Die Breaks kommen urplötzlich und genauso unerwartet schlägt die Metal-Keule wieder zu.
Orientalisch angehaucht ist "Vaihayasa". Akustische Gitarre, viel Fokus auf Percussion, schöne Melodie, die Akustische nun andalusisch. Ich kriege Lust auf einen Rioja, aber "To Fracture" ließe mich das Glas verschütten, hätte ich mir denn einen eingegossen.
'Ne ganze Ecke härter geht es nämlich jetzt wieder zu. Anfangs fiel der Begriff Jazz. Ich kann mir, mit anderem Instrumentarium, die Tracks von Canvas Solaris auch als eine Jazz-Platte vorstellen. Die ruhigen Passagen wären traumhaft, die Metallangriffe aber das reinste Chaos. Gerade reitet die Gitarre eine Attacke und der Mann an den Trommeln renkt sich fast die Füße aus. Hier passt das und obwohl alles erst mal nach 'Durcheinander' klingt, zieht sich, einem roten Faden gleich, immer eine Melodie durch's scheinbare Wirrwarr.
"Psychotropic Resonance" ist wohl die 'wirrste' Nummer: Das Zwiegespräch zwischen Elektronik und den 'echten' Instrumenten ist von der aggressiven Art. Aber wie im richtigen Leben gibt es Verschnaufpausen. Auch Chaos hat eine Ordnung.
Beendet wird "Penumbra Solaris" mit einer Zwölf-Minuten-Nummer, deren Faszination allerdings nicht in der Spiellänge begründet liegt, sondern darin, wie man dermaßen viele Stile, so viele Richtungswechel, Überleitungen, Momente der Ruhe, brachiale Ruhestörer und traumhafte Melodiebögen in einen Song einbauen kann.
Das gilt für die gesamte Scheibe. Auf einen Nenner gebracht: Wenn man diese Platte der zweitwichtigsten Frau eines Mannes vorspielt, wird sie der Tochter sagen "Nimm ihn", um im nächsten Augenblick schützend den Arm um's Kind zu legen.


Spielzeit: 48:42, Medium: CD, Sensory, 2006
1:Panoramic Long-Range Vertigo 2:Horizontal Radiant 3:Accidents In Mutual Silence 4:Vaihayasa 5:To Fracture 6:Psychotropic Resonance 7:Luminescence
Ulli Heiser
Ulli Heiser, 20.02.2006