Cathedral / Anniversary
 Anniversary Spielzeit: 59:24 (CD 1),79:49 (CD 2)
Medium:Do-CD
Label: Rise Above, 2011
Stil: Doom Metal

Review vom 14.10.2011


Andrea Groh
Die 'Kathedrale' von Lee Dorrian wird bald ihre Pforten für das Publikum schließen. Mit dieser Aussage ist natürlich die britische Doom-Band Cathedral gemeint, welche plant, am 03.12.2011 in London ihre letzte Live-Show überhaupt zu spielen.
Das Abschiedskonzert für Deutschland sollte im Rahmen des Hammer Of Doom Festivals in Würzburg am 28.10.2011 stattfinden, wurde jedoch gecancelt, da Lee nicht nach The Devil's Blood auf der derselben Bühne stehen, weil er deren Umgang mit Tierblut nicht akzeptiert.
Enttäuschte Fans (wie ich), die sich darauf gefreut hatten, bekommen immerhin einen Trost: die "Anniversary" Doppel-CD, welche letztes Jahr beim Gig anlässlich des 20. Bandjubiläums mitgeschnitten wurde.
Dieser bestand aus zwei Teilen: Der erste davon ist eine kompletten Darbietung des Debüts "Forest Of Equilibrium" von 1991, gespielt von der damaligen Besetzung. Was dann schon etwas Außergewöhnliches ist und sicher ganz besonders alle diejenigen gefreut hat, die (wie ich) diese Scheibe am liebsten mögen, weil sie die düsterste und heavieste ist. Hier ist Cathedrals Doom tonnenschwer und vorwiegend langsam, tendiert sogar teilweise in Richtung Death/Doom. Die spürbare Rauheit mag damit zusammenhängen, dass Lee kurz vorher noch bei Napalm Death dem Grindcore gefrönt hatte.
Ein Klassiker der Zeitlupenszene: mächtig, finster und doch mit eigenwilligen Melodien. Sogar stellenweise mit zarten Flöten als Auflockerung, beim Intro und dem finalen Song "Reaching Happiness, Touching Pain", der bei mir erstgenannten Zustand hervorruft, nämlich das Erreichen von Glücksgefühl. Wenn mich jemand gefragt hätte, welche Songs ich mir für eine Live-Setliste wünsche, dieser wäre wahrscheinlich der erstgenannte gewesen, bzw. der Gedanke 'hoffentlich spielen sie auch was von der Ersten, am besten den letzten Song'.
Dieser Wunsch wurde nicht nur erfüllt sondern übertroffen. Dieses Werk komplett live eine ganze Stunde erleben zu dürfen, war mit Sicherheit für viele Fans ein tolles Jubiläums-Geschenk. Wer nicht dabei war, kann es nun auf Konserve miterleben.
Doch Cathedrals Bandgeschichte bestand natürlich nicht nur aus dem Debüt, sondern sie brachten bisher neun Full-Lenght-CDs und einige EPs heraus. Wobei sich die Musik im Laufe der Zeit veränderte. Lee Dorrian entdeckte die 70er, was sich nicht nur im Tragen von Schlaghosen äußerte; die Songs wurden schneller, rockiger und grooviger, teilweise recht abgefahren. Man bewegte sich vom (Death-)Doom weg und hin zu Stoner/Doom-Gefilden, hatte sogar eine Vorreiterrolle für letztere Szene.
Es entstanden einige tolle Songs, von denen hier zwölf für die zweite, fast 80 Minuten dauernde CD, ausgewählt wurden. Leider ist "Autumn Twilight" nicht dabei, aber da dies nur auf der "Gods Of Grind"-Split und der "Soul Sacrifice"-EP war und nicht auf einer regulären Scheibe, ist es vielleicht einfach zu unbekannt und unterbewertet.
Dafür sind einige andere Highlights enthalten: Ob nun der magische Teppichritt (erinnert sich noch jemand an das Video?) von "Midnight Mountain" und die ebenfalls von Zweitwerk "The Ethereal Mirror" stammenden "Ride" und "Enter The Worms".
Die "Carnival Bizarre" ist sogar im Viererpack vertreten, neben dem Titeltrack noch "Vampire Sun" und die beiden von alten Horrorfilmen beeinflussten "Night Of The Seagulls" (so lautet der englische Titel des vierten Teils der spanischen "Reitende Leichen"-Reihe) und "Hopkins (Witchfinder General)" (britischer Klassiker mit Vincent Price, auf dessen reingesampelte Sprachfetzen wir hier leider verzichten müssen).
Die späteren CDs wurden weniger (z.B "Funeral Of Dreams" vom 2010er Werk" The Guessing Game") bedacht, was ich ehrlich gesagt, nicht wirklich schade finde, da ich mit der 90er Phase mehr anfangen konnte.
"The Last Spire Pt.1 (Entrance)" ist ein Ausblick auf die für 2012 angekündigte Scheibe "The Last Spire".
Und so endet die Zeitreise durch 20 Jahre Cathedral.
Insgesamt bietet uns "Anniversary" eine dicke Geburtstagstorte von 140 Minuten, da kann man nicht meckern. "Reaching Happiness, Touching Pain" passt irgendwie dazu. Denn es ist wie ein lachendes und ein weinendendes Auge: Wir freuen uns über die Scheiben und sind gleichzeitig traurig, dass sowohl die letzte Show als auch die letzte CD geplant und angekündigt sind.
Erscheinen wird das Ganze auf Lee Dorrians eigenem Label Rise Above, bei dem im Gegensatz zur Band kein Ende in Sicht ist (immerhin…).
Neben der normalen Doppel-CD ist eine limitierte Box geplant, mit zwei Disks in Mini LP-Klappcover-Taschen, mit exklusivem Artwork von Dave Patchett, den Fans bereits von den ganzen anderen eigenwilligen Covermotiven der Bandgeschichte kennen. Außerdem dabei: ein 40-Seitiges Booklet mit Fotos von der Jubiläumsshow und eine Posternachbildung. Vinyl soll noch folgen.
Leider liegen mir nur simple Mp3-Files vor, so dass ich nicht mehr zur endgültigen Veröffentlichung schreiben kann.
Noch ein Hinweis in eigener Sache: Das Line-up wurde der CD "Forest Of Equilibrium" entnommen, ich hatte lediglich die Angabe: »the band played […] reconvening that legendary original line-up to perfom "Forest Of Equilibrium«.
Line-up auf "Forest Of Equilibrium":
Lee Dorrian (screams)
Gary Jennings (guitars)
Adam Lehan (guitars, acoustics)
Mark Griffiths (bass guitar)
Mike Snail (drums)

Guest Musicians:
Helen Acreman (flutes)
Reverend Wolski (keyboards)
Tracklist
Back To The Forest (Forest Of Equilibrium)
01:Picture Of Beauty And Innocence
02:Comiserating The Celebration (Of Life)
03:Ebony Tears
04:Serpent Eve
05:Soul Sacrifice
06:A Funeral Request
07:Equilibrium
08:Reaching Happiness, Touching Pain
Set Two: Freak Winter
01:Funeral Of Dreams
02:Enter The Worms
03:Upon Azraels Wings
04:Midnight Mountain
05:Cosmic Funeral
06:Carnival Bizarre
07:Night Of The Seagulls
08:Corpsecycle
09:Ride
10:The Last Spire Pt.1 (Entrance)
11:Vampire Sun
12:Hopkins (Witchfinder General)
Externe Links: