Endlich mal eine DVD, an der nichts auszusetzen ist. Im Gegenteil: Ich kann sie rundum nur loben! Chick Corea, Dauergast mit verschiedenen Formationen beim legendären schweizer Jazz-Festival, war diesmal mit eigener Formation angetreten und sicher nicht nur in diesem Auftrittsjahr ein absoluter Höhepunkt.

Aber Chick Corea Elektric Band - "Live in Montreux" ist im Gegensatz zu vielen anderen Gigs der Veranstaltungsreihe eine lupenreine Jazz-Geschichte, also bestenfalls irgendwo ganz am Rand unseres RockTimes-Universums angesiedelt. Da aber ein Fixstern!
Chick Corea war in den 70er Jahren einer der Musiker, die Fusion (nicht zu verwechseln mit Jazzrock) maßgeblich mit gestaltet hatten und daher durchaus auch in das Blickfeld der Rockfans gelangte. Sein "Return To Forever"-Album ist heute noch ein Reverenzwerk für das Genre. Wer seinen musikalischen Horizont in diese Richtung erweitert hat und beispielsweise das Mahavishnu Orchestra oder Al DiMeola als Begleiter für die 'alternativen Stunden' schätzt, dem möchte ich diese DVD mit besten Empfehlungen ans Herz legen.

Der Sound ist hervorragend, das Bühnenbild eine Augenweide und die Bildführung genau so, wie ich als Publikumsgast das Geschehen verfolgen würde. Allerdings hatten die Kameras natürlich ganz andere Möglichkeiten und dahinter standen Leute, die ihr Fach verstanden.
Eindrucksvolle, ästhetische Aufnahmen, die einerseits dem anspruchsvollen Musikgeschehen zu folgen vermochten, andererseits aber auch die Künstler portraitierten und deren Fähigkeiten gekonnt ins Bild setzten.

Chick Corea (Keyboards, Piano), John Patitucci mit seinem XL-Sechssaiter-Bass, Dave Wreckl an einer XXL-Schlagzeugbatterie, Frank Gambale (E- und Akustische Gitarre) und Eddie Marienthal (Sax und Klarinette) sind Jeder für sich Virtuosen, aber im Zusammenspiel einfach genial.

Die DVD gliedert sich in drei Teile. Im ersten spielt die Elektric Band, die sich nach elf Jahren Pause wieder reformiert hatte, neues Material. Anspruchsvolle Stücke, zeitgenössicher E-Jazz, der viele Einflüsse aufgesogen hat.
Teil II bringt älteres Material und am Ende mit "Got A Match?" den Beweis, dass Jazz keineswegs nur ein Genuss für introvertierte Intellektuelle, sondern durchaus auch ein sehr kommunikatives Element sein kann.

Corea animiert mit seinem mobilen Synthie das Publikum zu einem sehr unterhaltsamen 'Call- and Response', was sich aber dann erst als Einstimmung herausstellt. Die beiden Zugaben sind der dritte Teil, in den nun das swingende, sehr musikalische Publikum weiter eingebunden wird.

"Spain" ist ein Corea-Klassiker, der mit dem "Aranjuez"-Motiv beginnt. Wer einen Anspieltipp für die DVD braucht - hier ist er!
Mit "Blue Miles", der Würdigung des großen Jazz-Erneuerers, endet die Konzert-Aufnahme, die beispielhaft ist. Es gibt keine harten Schnitte oder Ausblendungen, die einzelnen Titel gehen meist ineinander über, aber auch die Zwischenansagen und die 'Zugabe'-Rufe sind erhalten. So muss das sein, damit man sich zuhause in die Rolle des Zuhörers im Saal versetzen kann! Einzig ein völlig unnötiger, überlauter Spot zwischen den ersten beiden Parts stört den Fluss.

167 Minuten 'fast live' dabei. Als Ausgleich zum doch nicht ganz zu ersetzenden Feeling vor Ort empfehle ich eine gute Flasche Wein (wobei ich beileibe nicht der Erste bin, der Jazz und Wein zusammenbringt). Einen kräftigen, feurigen Roten aus Spanien, für den die 167 Minuten genau dass richtige Maß sind.

Technik:
DVD 9, 16:9, PAL
DTS digital Sourround Sound, Dolby Surround 5.1, PCM Stereo
Englisch, Freigegeben ohne Altersbeschränkung