Circus Maximus / The 1st Chapter
Der 'Circus Maximus' zwischen den Hügeln Palatin und Aventin entstand schon zu Beginn des Römischen Reiches. Schon um 500 v. Chr. vergnügten sich hier die Zuschauer bei Schaukämpfen und Spielen. Diese Art der Unterhaltung und des Nervenkitzels fand bei den Römern immer mehr begeisterte Anhänger. Der 'Circus Maximus' bekam eine immer prachtvollere Ausstattung und wurde mehrmals vergrößert. Schließlich fanden auf den Tribünen mehr als 250.000 Menschen Platz. Dass es den Besuchern im Circus allerdings nicht nur auf die Spiele ankam, berichtet Ovid:
"Wenn im Circus Renntag ist, sei jedes mal zur Stelle! Denn weil der Raum viele Menschen fasst, ergibt sich hier manches Nette. Geheime Fingerzeichen brauchst du nicht zu verschicken, die Antwort fällt hier klarer aus, und ist kein bloßes Nicken. Setz dreist dich zu einer Dame -daran hindert dich niemand-, so dass ihre Seite möglichst eng neben deiner ist. Wenn sie abrückt, rück ihr nach! Die Bank hat schließlich ein Ende. Dort fällt sie dir spätestens in die Hände. Zum Zwiegespräch such dann irgendeinen Anlass ohne Zögern. Erzähle, wovon jeder heute spricht, das bringt euch ins Plaudern. Du kannst sie höflich bitten, dir einen Wetttipp zu geben. Dann setze, egal wer es ist, auf ihren Favoriten. Hinterher, wenn sich die Sieger im Festzug einreihen, dann Jubel der Frau Venus zu und zeig dich ihr ergeben..."
Tja, auch fünf Musiker aus dem Norden Europas haben sich dies offenbar zu Herzen genommen, nennen ihre Band nicht ungebildet und tollkühn Circus Maximus, werfen sich wagemutig in den Schaukampf und machen sich auf, die Herzen der Frauen, insbesondere wohl derer, die auch den härteren Klängen der heutigen Popularmusik zugeneigt sind, im Sturm zu erobern.
Zudem verkündet Sänger und Gitarrist Michael Eriksen nicht ohne Selbstvertrauen:
"This seem to be a match made in heaven, as Frontiers Records has a long history of working with the best melodic metal/hard rock bands in the world and Circus Maximus are definitely one of those".
Ob dies wirklich an dem ist, möge jeder/jede für sich selbst entscheiden.
Aber eines kann man den Norwegern bei ihrem Debütwerk wahrlich nicht vorwerfen - dass ihr Werk langweilig wäre.
Die musikalischen Einflüsse innerhalb der Band reichen vom klassischen Rock/Pop, über 70's Prog-Rock bis hin zu Heavy-/Hardrock und Death Metal. Entsprechend fällt dann auch das Ergebnis aus. Ein schönes Potpourri all dieser stilistischen Ingredienzien, immer hart am verspielten Progmetal entlang, mit integrierten melodiösen und hymnenhaften Refraingesängen, die häufig stakkatoartige Heavy-Riffs mit tiefergelegten Saiten und rasende Doublebassdrums konterkarieren.
Hier lassen sich historische Vorbilder wie Kansas, Jane, Saga und vor allem Emerson, Lake & Palmer heraushören, aber auch Combos wie Magnum, Europe(!), Helloween(!), Queensryche, Pretty Maids, bis hin zu zeitgenössischen Bands wie Dream Theater, Rammstein(!), Symphony X oder TNT.
Und trotzdem ist jederzeit das durchaus erfolgreiche Bemühen feststellbar, eine größtmögliche Eigenständigkeit zu entwickeln!
Dabei kommen sehr verspielte und teilweise vertrackte, heterogene Sachen wie das zentrale 19-Minuten-Epos "The 1st Chapter" oder das toll gespielte Instrumental "Biosfear" heraus, aber auch wunderbar Balladeskes wie das düstere "Silence From Angels Above" (zumindest in Nordnorwegen wird es ja auch im Winter kaum hell, wobei das Album an sich im Oktober 2004 in Dänemark aufgenommen wurde, immerhin ein Monat, wo schon mal eine gewisse Melancholie aufkommen kann) oder das dramatisch angehauchte "The Prophecy", wobei letzteres gnadenlos mit einer Keith Emerson Gedächtnisorgel (um Missverständnissen vorzubeugen - der Mann lebt erfreulicherweise noch!) und bedrohlichen, tiefergelegten Düstergitarren unterbrochen wird, genauso wie etwas später von einer sehr klassisch angehauchten Hardrock-Axt.
Mein persönlicher Favorit aber ist das zu Recht vom Waschzettel der Plattenfirma als grandios eingestufte 10 Minuten - Werk "Glory Of The Empire". Hier finden sich herrlich klassische Reminiszenzen an solche Bands wie Kansas, Magnum oder Jane (vor allem die Orgel!), überstrahlt von der fantastischen Sangesleistung Michael Eriksens, der in den hohen Lagen frappierend an Joey Tempest von Europe erinnert, in den tieferen dagegen an Geoff Tate von Queensryche.
Dies zieht sich überhaupt durch das ganze Album. Fasziniert schon das kompakte Zusammenspiel dieser Band bei noch so komplizierten und vertrackten Sequenzen, so überragt doch der intonationssichere, modulationsreiche, flexible Gesang des Norwegers, der ein bisschen wie eine grimmige, jüngere Ausgabe von Michael Schenker mit kurzen Haaren und ohne Kopfsocke ausschaut.
Da bleibt als Fazit:
Circus Maximus unterhalten aufs Angenehmste (zumindest für Genre-Fans!), der Nervenkitzel kommt bei ihren manchmal ziemlich komplizierten Kompositionen nicht zu kurz, und vor allem die Frauen dürften ob der aufregenden Stimme des Sängers und der teilweise hymnenhaften Refrains der auch teilweise eher gradlinigen und homogenen Kompositionen nur so dahinschmelzen.
Genauso wie vor 2500 Jahren, als Männer noch echte Kerle waren. Und genau dies wollen die fünf Norweger auf alle Fälle auch sein.
Selbst vor Yngwie Malmsteen - Riffs wird dabei nicht zurückgeschreckt, ab und zu muss der heroische Gitarrero von heute sich auch mal selbst überholen dürfen!
Ob allerdings, wie damals, um die 250.000 Leute den Live-Darbietungen dieser Band zujubeln werden, muss und wird die Zukunft zeigen.


Spielzeit: 70:39, Medium: CD, Frontiers Records, 2005
1:Sin (5:53) 2:Alive (5:38) 3:Glory Of The Empire (10:27) 4. Biosfear (5:22)5:Silence From Angels Above (4:07) 6:Why Am I Here (6:05) 7:The Prophecy (6:44)8:The 1st Chapter (19:07) 9:Haunted Dreams - European Bonus Track (7:12)
Olaf "Olli" Oetken, 11.05.2005