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»Meine Damen und Herren, kommen sie rein, in unsere Extravorstellung des königlichen Zirkus! Es erwarten sie keine wilden Löwen, nicht die Dame mit dem Bart, auch keine dressierten Zwerggorillas. In unserem spannungsgeladenen, zehn Darbietungen umfassenden Programm werden sie so kurzweilig wie möglich unterhalten. Erleben Sie in den nächsten gut 45 Minuten die Magie, die Musik in uns allen hervorrufen kann. Erfreuen Sie sich an Klängen, die Ihr Innerstes berühren werden und Sie so noch nie gehört haben. Erleben Sie das Einreißen von Genregrenzen, unsere Aufführungen wandeln mit schlafwandlerischer Sicherheit zwischen Fiebertraum und tragikomischer Realität. Sie werden bei den textlichen Darbietungen stets die Auseinandersetzung mit existenzialistischen Grunderfahrungen in einer postglobalisierten Welt erleben.«
»Sollten Sie jetzt genauso wenig verstanden haben, wie ich: Für den unsinnigen Text, den ich gerade in Teilen vorgelesen habe und der in voller unverständlicher Länge Presse, Funk und Fernsehen zur Verfügung gestellt wurde, bin ich nicht verantwortlich. Den hat unser Pressesprecher verfasst. Ich bin nur der Zirkusdirektor!«
Lassen wir unseren armen 'Dr. Tierlieb' mal ein wenig verschnaufen und jemanden mit geringerer germanistischer Vorbildung und mehr musikalischem Sachverstand die ganze Chose etwas besser darstellen.
Aus Konstanz stammen Cirque Royal, die sich 2010 gründeten und nun mit "We Come In Peace" ihr Debütalbum veröffentlichen. Auf diesem zelebrieren die Herren sehr stimmigen Post Rock/Alternative, oder wie sie es selbst nennen: Space Pop; könnte man auch so stehen lassen. Das ist die griffige Kurzvorstellung einer Band, die ihr erstes musikalisches Kind zur Welt gebracht hat. Wie grausam ist doch die Realität!
»Planet Earth to be reycled, your only chance to survive: leave with us. «
Nur wohin? Können uns die zehn Titel einen Weg aufzeigen? Gibt es einen textlichen Hinweis, der eine neue bessere Welt aufzeigt? Oder ist es so, dass wie bei "Per Anhalter durch die Galaxis" die ganze Welt einen Neuanstrich braucht und die Menschheit erst mal in einen Dornröschenschlaf versetzt wird, bis alles besser und schöner ist? Neu aufgeweckt mit der Musik von Cirque Royal?
Wirklich neu ist nichts auf "We Come In Peace". Aber, wer kann schon von seiner Musik behaupten, absolutes Neuland zu betreten? So noch nie Gehörtes darzubieten? Es war alles schon mal irgendwie in der einen oder anderen Form zu hören. Aus diesem Dilemma machen Cirque Royal das Bestmögliche. Aus leicht herauszuhörenden Verweisen auf die Smiths, Buzzcocks, Jam und Brit Pop entwickeln die vier 'Konstanzer Könige' ein gut zu hörendes, auch tanzbares Album, das im 21. Jahrhundert sehr retro klingt und dadurch sein besonderes Flair hat. Gedanklich bin ich irgendwo im Dunstkreis ausklingender siebziger Jahre angekommen. Punk entwickelte sich weiter, ermöglichte die New Wave und ihre diversen Ableger. In diesem Spektrum des Umbruchs wären die Nummern dieser CD vor mehr als 30 Jahren in den entsprechenden Szenelokalen in Dauerrotation gelaufen. Gibt es im Jahr 2012 dafür auch eine Zielgruppe? Es scheint so und deswegen ist die Frage nach der Daseinsberechtigung dieses Debüts hinfällig. Traumhaft schöne Melodien wie bei "The Sun Will Rise From The West" kontrastieren sehr gut mit flotteren Titeln - allen voran "Safety In Numbers" -, lassen Raum für "MNKY FRNT" und wecken Erinnerungen an The Police, lange vor ihrem kommerziellen Durchbruch. "Kick" ist die Quintessenz der Liason von Public Image Limited und Jah Wobble.
Was bleibt als Fazit? Mein musikalischer Blick über den Tellerrand hat sich gelohnt. War ich durch den vollkommen unsinnigen Text, der der Bemusterung beilag, eher der Meinung, dass wohl ein Verriss statt lobender Worte angebracht sei, bin ich nun um einiges schlauer. Wer sich an die Umbruchphase von Punk hin zu Verbrüderungen mit Reggae oder der Rückbesinnung der sechziger Jahre mit Wehmut erinnert oder einfach nur eine neue erfrischende Band kennenlernen möchte: hier ist ab Mitte März die Gelegenheit, Vergessenes aufzufrischen oder in etwas anderer Form zu hören.
Line-up:
David Leon (Gesang, Gitarre)
Nicolai Ruh (Gitarren, Gesang)
Hanno Gerhold (Schlagzeug)
Max Talmon-Gros (Bass)
| Tracklist |
01:We Come In Peace
02:Safety In Numbers
03:Rats
04:Run
05:The Sun Will Rise From The West
06:Happy
07:The Flames That Ease Your Pain
08:MNKY FRNT
09:Kick!
10:Passion Pulled The Trigger
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