Clannad / 23.01.2014, Neunkirchen (Saar), Gebläsehalle
Rocktimes Konzertbericht Clannad
Neunkirchen (Saar), Gebläsehalle
23. Januar 2014
Konzertbericht
Stil: Folk Rock, Irish Folk

Artikel vom 29.01.2014


Steve Braun
Zwei, drei Platten von Clannad brauchste zwingend im Plattenregal, hieß es in meiner Jugend immer. Damit kannst du die coolsten Frauen nach Hause locken... Fortan war das Quintett aus dem äußersten Nordwesten Irlands - beginnend mit "Clannad 2" und "Dúlamán" - in meiner Sammlung immer gut vertreten. Natürlich.... die 'dunkle Dekade' - die Achtziger - machte auch der Irish Folk-Legende zu schaffen. Es waren nicht nur die überflüssigen Gimmicks (Synthesizer u. ä.), die unnötigerweise gelegentlich eingebaut wurden - nein, irgendwie wirkte die ganze Musik anachronistisch wie der widerwärtig blutige Nordirlandkonflikt in jenen Tagen und gipfelte in eher überflüssigen Alben wie "Macalla" (1985) oder "Sirius" (1987) und damit in Randbereichen des klebrig-süßen 'New Age-Nervengiftes'.
Wie dem auch gewesen sei - Clannad ist eine der wenigen Bands aus den Siebzigern, die (nahezu ohne Besetzungswechsel übrigens) unbeirrt ins neue Jahrtausend marschieren konnten. Eine der wohl musikalisch einflussreichsten Familien Irlands bestimmt das Line-up: die Brennans (Moya, Ciarán und 'Nesthäkchen' Pól) und die Duggans (Noel und Pádraig), das Zwillingsonkelpärchen der Brennans. Letztere machten sich 2004 mit einem Sideprojekt, The Duggans, selbstständig. Kurzzeitig war auch Moya Brennans jüngere Schwester Enya involviert, die sich allerdings vorwiegend um ihre erfolgreiche Solokarriere kümmert. Die einzige gemeinsame Scheibe, "Fuaim" von 1982, zählt aber zu den schönsten aus Clannads Diskographie und zeitigte mit "An Túll" einen der beeindruckendsten Titel der langen Bandhistorie.
Es ist ein überaus reizvoller Kontrast, eine Band von der Grünen Insel ausgerechnet in ein Denkmal der Industriekultur des Saarlandes zu locken. Die Gebläsehalle der Neunkircher Hütte ist zwar nicht annähernd so eindrucksvoll wie ihr Pendant, das Weltkulturerbe Völklinger Hütte, aber man 'arbeitet' an der Perfektionierung des Gesamtensembles. Es fehlt halt (wie so oft im Armenhaus der Republik) das nötige Kleingeld, das für das höchste Gut einer Gesellschaft, die Kultur, besonders hartnäckig in Stadt- und Landessäckeln zu kleben scheint. Trotzdem ist es überaus begrüßenswert, was an der Alten Hütte gewachsen ist, und aller Ehren wert! Der Standort scheint gar Herzstück der traditionsreichen Bergbau- und Stahlarbeiterstadt geworden zu sein. Das beginnt bei der kulinarischen Kultur, bspw. dem urgemütlichen Brauhaus, und setzt sich über die Musentempel, die von Stumm'sche Reithalle und die Gebläsehalle, fort. Das Programm ist breit gefächert und es sticht positiv hervor, welche klangvolle Namen man ins Saarland zu locken vermag. Das Ambiente der Gebläsehalle ist einladend, fast gemütlich und die Getränkekarte verlockend. Ausnahmsweise gab's das Geistige an diesem Abend in Plastikbechern. Saarländischer Grauburgunder in Plaste? Das muss zwingend Abzüge in der 'B-Note' geben!! Aber weil man sich so nett dafür entschuldigte, drücken wir mal je ein Knips- und Hühnerauge zu...
Den vierzigsten Jahrestag ihres schlicht "Clannad" betitelten Debüts feierten die fünf irischen Folkmusiker aus Donegal im vergangenen Jahr mit ihrem sechzehnten Studioalbum "Nádúr". Ein guter Anlass, mal wieder ihre seit Jahrzehnten anhänglich-treue deutsche Fangemeinde mit einer kleinen (aber feinen) Tour zu erfreuen und somit bei der Stange zu halten. Unbestritten ein modernes Album, aber eines, das den 'Spirit' alter Clannad-Kompositionen aufzugreifen und ins neue Jahrtausend zu transferieren vermag.
Clannad Folglich bildeten die "Nádúr"-Songs das musikalische Korsett des stimmungsvollen Abends in Neinkerje (wie der Saarländer zu sagen pflegt). Das eröffnende "Vellum", die "Rhapsody na gCrann", das auf dem Buch eines befreundeten Schriftstellers basierende "TransAtlantic" und die zungenbrecherische Hymne "Turas Dhómhsa chon na Galldachd" bildeten die Grundpfeiler des abwechslungsreichen Programms. Denn es war unschwer erkennbar, dass die fünf Irish Folk-Veteranen für diese Deutschlandtour ein Potpourri aus altem und neuem, aus atmosphärischem und tanzbarem 'Material' zusammengestellt hatten. Jeder der knapp tausend Besucher kam wohl auf seine Kosten und bekam 'seinen' Clannad-Song - meine Frau die fröhlichen "Two Sisters" und "dTigeas a Damhsa" und ich das hochdramatische "Cumha Eoghain Rua Uí Néill", mit seiner traumhaften Einleitung auf Moya Brennans Harfe. Allerdings zeigen gerade diese drei Beispiele, dass die alten Sachen deutlich stärker 'abgefeiert' wurden. So bekam das "Robin Of Sherwood"-Medley eindeutig den stärksten Szenenapplaus des Neunkircher Publikums, das sich nach etwas verhaltenem, gar sprödem Beginn gegen Ende in die wohlbekannte saarländische Lebensfreude steigern konnte. Beim abschließenden "Dúlamán" hielt es nämlich niemanden mehr auf den Sitzen...
Optisch wie akustisch war das Konzert ein Hochgenuss. Gelegentlich meinte man fast, Teil einer spirituellen Handlung zu sein. Bei "Magical Ring" fehlten eigentlich nur noch die alten Schwungräder der Gebläsehalle als Pendants zu den Menhiren und man hätte geglaubt, sich in Stonehenge zu befinden.
Vierundvierzig gemeinsame Jahre haben aus Clannad natürlich eine eingespielte Truppe geformt, die sich traumwandlerisch durch das knapp zweistündige (!!), weitgehend akustische Programm bewegte. Gut, die Stimmen der drei älteren Herren (Noel und Pádraig Duggan feierten an diesem Abend ihren 64. Geburtstag) haben altersbedingt etwas an Frische und Kraft verloren, aber das wurde durch Routine und spielerisch-beeindruckende instrumentale Darbietungen mehr als ausgeglichen. Im Mittelpunkt der über weite Strecken eher introvertierten Show standen natürlich die beiden Jüngsten, Moya und Pól Brennan, die hauptsächlich für die Konversation mit dem Publikum zuständig waren.
Selbstredend muss man an dieser Stelle auch die beiden Gastmusiker erwähnen, die den Sound enorm verbreiterten. Gut, Ian Parkers Synthesizer-Burg war zwar quasi omnipräsent, aber da er oft 'warme', natürlichen Instrumenten nachempfundene Akkordeon-, Flöten- und Streichersounds nutzte, fügte er sich perfekt in das ansonsten rein akustische Gesamtbild ein. Perkussionist Ged Lynch bearbeitete seine Felle zumeist mit Filzschlegeln, sobald er aber normale Sticks einsetzte, wurde es sofort rockig. Zum Abschluss gab es bei "Dúlamán" sogar ein kleines Solo von ihm zu hören.
Obwohl die tausend Saarländer vor Begeisterung schrieen, johlten und minutenlang rhythmisch klatschten, war mehr als eine Zugabe nicht drin. Dafür versammelten sich Clannad nach der Show am Merch-Stand, um mit den Fans zu plauschen und CDs zu signieren.
Knapp zwei Stunden Irish Folk vom Feinsten, was die Grüne Insel diesbezüglich zu bieten hat, und eine Band zum 'Anfassen' - missmutig ging garantiert kein Zuhörer nach Hause, dafür geradezu 'erfrischt' und hochinspiriert.
Wir danken Michael Hohmann von der Neunkircher Kulturgesellschaft gGmbH herzlich für die völlig unkomplizierte Akkreditierung!
Line-up:
Moya Brennan (vocals, harp)
Ciarán Brennan (vocals, basses, guitar, keyboards)
Pól Brennan (vocals, guitar, flutes, whistles, bodhran, keyboards)
Noel Duggan (guitar, vocals)
Pádraig Brennan (mandolin, guitar, vocals)

Very special guests:
Ian Parker (keyboards, vocals)
Ged Lynch (percussion, drums)
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