Wohl jeder von uns hat die eine oder andere Band in seinem Portfolio, bei der er die Live- den Studioaufnahmen vorzieht. Die Climax Blues Band ist für mich so ein Paradebeispiel. Gewiss, die Vinyls mit der Urbesetzung sind allesamt nicht schlecht, aber live waren die Jungs aus dem Staffordshire - zumindest zu den Zeiten mit den Frontleuten Colin Cooper und Pete Haycock - schlichtweg eine Wucht. Und das, obwohl ich sie - im größeren Rahmen - zumeist nur als Support gesehen habe. Das waren manchmal die berühmten Perlen vors Borstenvieh, denn damals (in den Siebzigern) war es noch durchaus gängige Praxis, den Support-Act mit einem gnadenlos miesen Sound ins Rennen zu schicken. So etwas könnte sich heute kein Veranstalter mehr bieten lassen...
Der Titel dieser Triple-CD ist gleichzeitig Programm: live, selten und ungehobelt. Dabei ist der Sound von "Live Rare & Raw 1973-1979" alles andere als ungeschliffen und eindeutig über Bootleg-Niveau angesiedelt - allerdings wurde auch nichts remastert. Rar trifft es dagegen auf den Punkt. Die Show aus dem legendären Londoner Marquee Club (eine Radioaufzeichnung der BBC von 1973), und die Live-Takes aus New Jersey und Guildford sind bis dato unveröffentlicht. Die 1979er Aufnahmen wurden im gleichen Jahr unter dem Titel "Live From Miami - The Warner Brothers Music Show" als offizielle Promo-LP veröffentlicht. Diese wird unter Sammlern zu Fantasiepreisen gehandelt. "Live Rare & Raw 1973-1979" sollte somit ein Fest für alle Fans der Climax Blues Band darstellen.
Erfreulicherweise gibt es bei diesem prall gefüllten Set relativ wenige Überschneidungen bei der Songauswahl, denn schließlich hat die CBB in den Siebzigern die neuen Platten im Jahresrhythmus rausgehauen. Als Konstante kann man in diesem Zusammenhang den Klassiker "Seventh Son" ansehen, bei dem man die Entwicklung der Band gut studieren kann. Die Mixtur aus Slow Blues und Jazz Rock der frühen Jahre (1973/74) wandelt sich 1979 zu einem glutvollen Funkrocker, der hier obendrein mit einer sehr rockigen Version des Evergreens "Got My Mojo Workin'" reichlich mitreißend kombiniert wird.
Die Climax Blues Band zieht auf "Live Rare & Raw 1973-1979" alle Register, die ich an dieser Truppe stets geschätzt habe. Die britischen Bluesrocker beschränken sich nicht ausschließlich auf traditionelle Spielarten des Blues, sondern reichern ihr Blending mit Jazz Rock der 'leichteren' Art - à la Chicago und Konsorten - an. Nicht nur wegen des Saxofons und der Gesangsphrasierungen denkt man da gelegentlich schon mal an Marshall Tucker. Bei "Summer Rain" fühlt man sich ein wenig an Atlanta Rhythm Section ("So Into You") erinnert - bei "Amerita" blitzt etwas von Santanas Spielfreude auf. Meine persönliche Übernummer ist "Whatcha Feel" aus der Miami-Show - ein knallharter Funk, bei dem sich Mothers Finest und Earth Wind & Fire gleichermaßen ein Stelldichein geben. Was für ein grandioser Killer!!
Die bemerkenswerteste der vier Shows ist vielleicht das aus der Frühphase der Climax Blues Band stammende Marquee-Konzert, das wohl am ehesten - wie angekündigt - »raw« ist. Die intimere Clubatmospäre steht der Band ganz besonders gut. Zudem gibt es hier ein zehnminütiges Schlagzeugsolo, "Mesopopmania", und ein irres Medley aus "Banana Ripple", "Shake Your Love" und "That's All" 'um die Ohren'.
Die anderen drei Konzerte wurden in deutlich größerem Rahmen mitgeschnitten. Am gefälligsten dabei sicherlich die besagten Takes aus Miami - vor allem, weil hier wieder Rückkehrer Peter Filleul mit von der Partie ist, der an Rhodes und Wurlitzer für meinen Geschmack eine etwas 'bessere' Figur als Gründungsmitglied Richard Jones abgibt. Sorry, aber die 'Tastendrücker' stehen bei mir (aus den bekannten Gründen) immer ganz besonders im Fokus...
Fazit: "Live Rare & Raw 1973-1979" präsentiert nachdrücklich die beste Phase der Climax Blues Band und vor allem die ganz außergewöhnlichen Live-Qualitäten in dieser Zeit. Für mich ist seit dem Ausstieg von Pete Haycock (1985) und spätestens seit dem Tod des zweiten Bandleaders - Colin Cooper, 2008 - etwas die Luft aus der Kiste. Ein Hammer wie "Flight" ist ohne ihn schlichtweg undenkbar!
Da Haycock mittlerweile leider ebenfalls verstorben und damit eine Renaissance der Urformation endgültig Geschichte ist, kann man mit dieser CD-Box noch einmal ganz tief in der guten alten Zeit schwelgen...
Line-up:
Colin Cooper (vocals, saxophone, harmonica, guitar)
Pete Haycock (vocals, guitar, bass)
Derek Holt (bass, guitar, keyboards)
Peter Filleul (keyboards)
John Cuffley (drums)
Richard Jones (keyboards 3/#1-6)
Tracklist |
CD 1:
Live at the Marquee Club, London 1973
01:All The Time In The World
02:I Am Constant
03:Seventh Son
04:Mesopopmania
05:So Much Roads
06:Banana Ripple/Shake Your Love/That's All
Live in New Jersey 1974
07:All The Time In The World
08:Seventh Son
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CD 2:
Live in New Jersey 1974
01:Flight
02:So Many Roads
03:Country Hat
04:Shake Your Love
05:Going To New York
06:Let's Work Together
07:One More Time/Stormy Monday
Live in Guildford 1976
08:Together And Free
09:Amerita/Sense Of Direction
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CD 3:
Live in Guildford 1976
01:Chasing Change
02:Using The Power
03:Couldn't Get It Right
04:Going To New York
05:All The Time In The World
06:Get Back
Live from Miami 1979
07:Money In Your Pocket
08:Summer Rain
09:Amerita/Sense Of Direction
10:Evil
11:Fallen In Love
12:Seventh Son/Got My Mojo Workin'
13:Whatcha Feel
14:All The Time In The World/Get Back
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Externe Links:
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