KRO American Connection
Highlights From The Radio Sessions
American Connection
Ach, wie glücklich können sich unsere holländischen Nachbarn schätzen. Im Gegensatz zur total verarmten Radiolandschaft in Deutschland wird dort noch Musik auf extrem hohem Niveau produziert und ausgestrahlt. Seit März 2001 gibt es bei KRO Radio 2 das 'American Connection'-Format, wobei in den Byton Studios in Loosdrecht wöchentlich eine 'Live-im-Studio' Sendung in den Äther geschickt wird.
Die vorliegende CD bietet die von den Machern mit viel Sachverstand selbst ausgewählten Highlights aus nunmehr 4 Jahren der Sendeserie. Die Künstler stammen aus dem grossen Americana-Umfeld, diesem sowohl unverwechselbaren als auch fast undefinierbaren Mix aus Stilen, der selbstverständlich Alt. Country, Blues, Roots, Folk und Singer/Songwriter einschließt.
Fast alle treten nur mit einer 'stripped-down' Besetzung auf, mal alleine, mal zwei akustische Gitarren, auch mal ein Piano, insgesamt aber ohne 'richtige' Band, also ohne Drums, elektrischen Bass oder Gitarren. Es gibt wenige Ausnahmen, aber auch da werden die verstärkten Instrumente nur sehr sparsam bzw. zurückhaltend eingesetzt, was dazu beiträgt, dass diese Produktion wie aus einem Guss erscheint.
Die CD beginnt mit Dan Bern, der uns mit seiner Gitarre und seiner Mundharmonika in die Tradition des Troubadours Bob Dylan der 60er zurückversetzt. Auch Ron Sexsmith beackert dieses Feld mit Inbrunst, während die Drunk Stuntmen eine der angesprochenen Ausnahmen darstellen: Mit kompletter Band zelebrieren sie einen geschmackssichern Country-Rocker.
Chris Knight bringt mit "Broken Plow" einen seiner nachdenklich gestimmten, von deftiger Sozialkritik durchzogenen Songs. Ähnliche Texte müssten auch in Deutschland mal gesungen werden: ...we're goin' to California, there's work there for a man...too proud to beg for charity, too poor to make a stand... - in unserer Republik, von mir als eine Art 'Demokratur' empfunden, in der eine sich 'sozialdemokratisch' (?) nennende Partei die von ihr getragene Regierung darin bestärkt hat, den Sozialstaat durch den Almosenstaat zu ersetzen und in der die Aussicht auf eine soziale Eiszeit einer möglichen Regierung aus Angela M. Thatcher und dem marktradikalen Wester-ich-will-Spass-welle einem Albträume bescheren kann - so ein Songtext wäre in deutscher Sprache vielleicht ein Hit - nur dass es hier eben leider kein California gibt...
Auch Jay Farrar bleibt seinem Erfolgskonzept treu und liefert eine bestechende Leistung. Jeff Talmadge trägt einen Song vor, der ziemlich genau zwischen Farrar und Knight liegt, gekrönt von einer hervorragenden Stimme. Überhaupt fällt auf, dass die vielen Interpreten, die man doch als recht unbekannt bezeichnen kann, ausserordentliche Musikalität besitzen. Handwerkliche Fehler sind auf der ganzen Platte nicht auszumachen, und man erinnere sich: das ist alles live ohne jegliche Overdubs!
Die Hackensaw Boys bringen einen treibenden, ins 'Blue Grass'-tendierenden Song, der sich hier gut einfügt. Eine Glanztat ist auch "Gift Horse" von Boris McCutcheon - was für eine Stimme, was für ein toller Song. Auch dieser Titel wurde mit Band eingespielt, ebenso wie "If We Should Fall" der holländischen Formation Remmelt, Muus & Femke. Die geraten ziemlich in Neil Young-Nähe, ihr Song könnte einer 70er-Jahre Platte des Kanadiers entsprungen sein.
Kathleen Edwards, Josh Ritter, Eugene Ruffolo, Ane Brun, Freedy Johnston und Stephen Fearing geben alle Singer/Songwriter-Material zum Besten, akustische Gitarre und Vocals, teilweise mit 'Bob Dylan-Gedächtnis-Mundharmonika'. Erstaunlich, wie locker und professionell diese Interpreten es verstehen, Stimmungen zu erzeugen und die Spannung aufrecht zu erhalten.
Das grossartige, 1987 für das KRO-Format 'Country Time' 10 Jahre vor seinem Tod mitgeschnittene "Waiting Around To Die" des unvergessenen Townes Van Zandt stellt den Schlusspunkt der CD dar, die wirklich eine Sternstunde des Genres ist.
Aber: fehlen da nicht noch zwei? Allerdings, und es sind diese beiden jungen Damen, die bei mir für nachhaltigen Eindruck gesorgt haben: Eliza Gilkyson's "Hiway 9" [sic!] schafft es tatsächlich, mit überlegenen Gitarrenklängen und klasse Stimme Gänsehaut zu erzeugen, eine hervorragende Performance zusammen mit ihrem Partner an der zweiten Akustischen.
Und den allergrößten Song dieser Compilation - ein regelrechter Hammer! - trägt Beth Hart vor. Was die da in über 5 Minuten nur von Piano und akustischer Gitarre begleitet, an (Aus-)Druck erzeugt, ist hinreissend. Welch stimmliche Kraft, die unter die Haut kriecht! Intensiver und auch überzeugender kann man seine Sache nicht vertreten. Hut ab! 'Who the F%$k' is Sheryl Crow?? Im Vergleich mit Eliza Gilkyson oder Beth Hart wird schnell deutlich, wie ungerecht das Business ist: Die Crow ist total überbewertet und hat gegen die geballt expressive Musikalität der beiden jungen Konkurrentinnen keine Chance. Sie war halt einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort...
Die Platte macht Appetit auf mehr...was wohl auch ganz im Sinne des Projekts sein dürfte. Man will einfach von vielen dieser Interpreten weitere Titel hören und ich bin gespannt, was die auf ihren Soloplatten noch so in petto haben.
Die Produktion ist erstklassig, die Bedingungen im Studio waren wohl optimal. Ein absolut natürliches Klangbild, das dieser Art Musik vollkommen gerecht wird. Die CD wird in einem doppelt aufklappbaren Digipack geliefert. Das gute Gefühl, eine Compilation mit Songs erworben zu haben, die sonst nirgends zu haben sind, ist kostenlos inbegriffen. Auf alle Fälle gilt: die CD muss man jedem Freund von 'Americana' wärmstens empfehlen - ohne jegliche Abstriche. Zurücklehnen und geniessen!


Spielzeit: 70:39, Medium: CD, CoraZong Records, 2005
1: Dan Bern - Not For Sale 2: Ron Sexsmith - For The Driver 3: Eliza Gilkyson - Hiway 9 4:Drunk Stuntmen - Out Of Bed 5: Jay Farrar - Hard Is The Fall 6: Beth Hart - Hiding Under Water 7: Hackensaw Boys - Sweet Petunia 8: Chris Knight - Broken Plow 9: Ane Brun - Humming One Of Your Songs 10: Eugene Ruffolo - One more Mystery 11: Boris McCutcheon - Gift Horse 12: Kathleen Edwards - The Lone Wolk 13: Josh Ritter - Kathleen 14: Remmelt, Muus & Femke - If We Should Fall 15: Jeff Talmadge - Photograph 16: Freedy Johnston - The Mortician's Daughter 17: Stephen Fearing - Song On The Radio 18: Townes Van Zandt - Waiting Around To Die
Manni Hüther, 02.06.2005