Last Of The Great Mississippi Delta Bluesmen
Live In Dallas
Last Of The Great Mississippi Delta Bluesmen, Live In Dallas Spielzeit: 77:18
Medium: CD
Label: The Blue Shoe Project, 2007
Stil: Blues

Review vom 09.01.2009


Wolfgang Giese
Der Titel der CD, "Last Of The Great Mississippi Delta Bluesmen" setzt, zumindest für mich, hohe Erwartungen.
"The Last Of the Blue Devils" kommt mir da in den Sinn, eine Session verschiedener Musiker, als die Kansas City-Jazz-Szene um Jay McShann solche Größen wie Charlie Parker und andere um sich scharte. Gut, der war nicht mehr dabei, aber McShann spielte die Musik, die er auch einst in den 40er Jahren vorlegte.
So hatte ich es mir auch bei dieser Session um vier verdiente Musiker, zum Zeitpunkt der Aufnahmen 2004 alle so zwischen 89 und 94 Jahren alt, vorgestellt.
Der Pianist Henry James Townsend, am 24.9.2006 verstorben, Robert Lockwood Jr., der Gitarrist, der einst bei Robert Johnson (der wohl sein Stiefvater gewesen sein soll) 'in die Lehre ging' und am 21.11.2006 verstarb, sowie die aktuell noch lebenden Joe Willie 'Pinetop' Perkins (Piano) und
David 'Honeyboy' Edwards (Gitarre) fanden sich in Dallas für diese Aufnahmen zusammen.
Sicher ein historischer Moment dieser vier Giganten, die ihr Leben dem Blues widmeten und ihn auch stets lebten.
Townsends Musik war stets eine Mischung aus Country- und City Blues, orientiert an solchen Leuten wie Roosevelt Sykes oder Lonnie Johnson.
Lockwood war einer der legendären King Biscuit Boys, jener Musiker, die das Radioprogramm "King Bisquit Time" mit gestalteten. Er galt immer als recht eigenwilliger Gitarrist.
Pinetop Perkins war lange Mitglied der Band um Muddy Waters und setzte hier entscheidende Akzente, Spuren, die er bereits in der Zusammenarbeit mit Big Joe Williams und Sonny Boy Williamson hinterließ.
Edwards schließlich ist er einer, der noch den reinen Mississippi Delta Blues spielt, eine wahre 'Zeitreise', der Mann.
Nun, wenn ich von einer solchen Anhäufung lebendiger Bluesgeschichte höre, dann erwarte ich natürlich auch Entsprechendes. Dieses ist leider aus verschiedenen Gründen nur teilweise erfüllt worden.
Mein ärgster Kritikpunkt gilt ausgerechnet jenem Musiker, den ich am meisten von den Vieren schätze: nämlich Robert Jr. Lockwood. Ich habe ihn stets als sehr prägenden Musiker verstanden und seine Platte "Steady Rollin' Man", die er 1970 zusammen mit den Aces (Louis Myers, Dave Myers, Fred Below) für Delmark aufnahm, zählt für mich zu den Sternstunden des Chicago Blues außerhalb der 50er Jahre.
Diese Platte war seinerzeit das erste Album des Musikers als Leader und bescherte den Bluesfans Musik erster Güte und Frische, trotz der Auswahl einiger alter Stücke. Was ich nun von Lockwood höre bzw. nicht höre, ist schon arg enttäuschend.
Ob er gesundheitlich nicht mehr so gut zugegen war oder welcher Grund auch immer vorlag, man schaue einmal auf die Besetzungsliste der Stücke unter seinem Namen und wird feststellen, dass diese an sich sehr gute Formation seiner All-Stars ihn und seinen ihm originären Stil völlig 'übertönt'.
Gute Musik, keine Frage, doch das ist nicht Lockwood, das ist kein Mississippi Delta Blues, den man hört. Vielmehr swingt es hier großartig, der oben und eingangs genannte Jay McShann und sein Kansas City-Sound würde hier eher zutreffen.
Mir gefällt einfach das Umfeld nicht, in den man Mr. Lockwood hier gepackt hat. Schade.
Auch Perkins spielt hier astreinen Chicago Blues, wirklich klasse, auch die Band. Snieder an der Harp gefällt mir auch, aber - auch hier: Thema verfehlt!
Nicht so bei Edwards und Townsend.
Hier spürt man noch den alten Geist, diese schwüle Atmosphäre des Deltas, man sieht die Musiker förmlich auf ihrer 'front porch' resp. im 'Barrelhouse' sitzen, hier lebt der alte Blues längst vergangener Tage wieder auf durch diese beiden sehr gefühlvollen Musiker.
WHAT A FEELING!
Am meisten hört man den Mississippi natürlich fließen bei Honeyboy Edwards, der seine Musik archaisch und auf den Punkt reduziert mit seiner fein scheppernden Gitarre und als hätte er kaum noch Zähne im Mund vorträgt, ein echtes Erlebnis!!!!
Mich erinnert das an den Vortrag des wesentlich älteren Nathan Beauregard (106 Jahre alt) auf dem Konzertsampler eines 1968er Memphis Blues-Festivals, einst auf Blue Horizon erschienen.
Fazit: Alles in allem ans Herz gehender Blues, der hier in verschiedenen Facetten vorgetragen wird, auf der Reise vom Delta bis nach Chicago, aber der eben nicht das Thema der Platte erfüllt. Letztlich ist mir das allerdings auch egal, weil die Musik eben echter, unverfälschter Blues ist. Nur Jr. Lockwood enttäuscht mich vom Bluesstandpunkt dann doch leider. Als wäre das ein Delta Blues-Sampler mit einigen R'n'B-Stücken, die sich hierher verirrt hätten. Auch Roberts Band enttäuscht mich hinsichtlich der mitunter etwas unglücklich agierenden Bläsersätze etwas. Nicht Fisch, nicht Fleisch, in einem anderen Umfeld sicher passender, die Band als auch Robert jeweils allein.
Line-up:
The Henry Townsend Band
Henry Townsend (guitar, piano, vocals)
John May (bass)
Scott Shuman (guitar)

The Robert Lockwood, Jr. All-Stars
Robert Lockwood, Jr. (guitar, vocals)
Robert 'Redtop' Young (keyboards, backup vocals)
Jimmy 'Gator' Hoare (drums, backup vocals)
Maurice Reedus E. L. (tenor sax, backup vocals)
Gus Hawkins (tenor and alto sax)
Benny Mostella (trumpet)
Gene Schwartz (bass)
Charles 'D.C.' Carnes (guitar)

'Pinetop' Perkins Band
'Pinetop' Perkins (piano, vocals)
Diunna Greenleaf (backup vocals)
Jonn Richardson (guitar)
Larry 'Lownote' Johnson (bass)
James Rose (drums)
Stephen Snieder (harmonica)
Tracklist
01:King Biscuit Time - Robert Lockwood, Jr. (2:55)
02:Chicken Shack - 'Pinetop' Perkins [Ike Turner] (4:42)
03:It's Got to End Somewhere - Henry James Townsend (3:56)
04:Catfish Blues - David 'Honeyboy' Edwards [Robert Petway] (2:58)
05:Down In Mississippi - 'Pinetop' Perkins [J.B. Lenoir] (3:37)
06:Hangin' On - Robert Lockwood, Jr. (5:17)
07:All My Money's Gone - Henry James Townsend [Roosevelt Sykes] (4:57)
08:Sweet Home Chicago - David 'Honeyboy' Edwards [Robert Johnson] (3:10)
09:Kansas City - 'Pinetop' Perkins [Jerry Leiber, Mike Stoller] (4:52)
10:If I Asked You - Henry James Townsend (6:08)
11:Got To Find Me A Woman - Robert Lockwood, Jr. (4:56)
12:Country Boy - David 'Honeyboy' Edwards [McKinley Morganfield] (3:12)
13:Got My Mojo Working - 'Pinetop' Perkins [Preston Foster] (5:11)
14:If You Don't Want Me - Henry James Townsend (5:59)
15:For You My Love - Robert Lockwood, Jr. (4:38)
16:Apron Strings - David 'Honeyboy' Edwards (1:49)
17:Blind Girl Blues - Henry James Townsend (4:20)
18:CC Rider - Robert Lockwood, Jr. - [Robert Johnson] (3:54)
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