Das Riff von "Smoke On The Water" sowie "Hey Joe" waren die Songs, die man sich - jedenfalls früher - als Gitarrist möglichst schnell aneignen musste, wollte man als ‚Könner' angesehen werden. Insbesondere bezüglich "Hey Joe" ging das sicherlich nicht nur mir so, sondern auch einer Vielzahl, wenn nicht gar Unzahl anderer Musiker, denn wie anders ließe sich erklären, dass es dermaßen viele Cover-Versionen dieses Stückes gibt. Unterschiedliche Quellen im Internet listen - wenn auch oftmals ohne nähere Informationen - bis zu 1.500 Interpreten auf, die "Hey Joe" im Repertoire hatten und möglicherweise auch auf Schallplatte oder CD veröffentlicht haben.
Aufgrund eines Gästebuch-Eintrags auf RockTimes wurde ich darauf aufmerksam, dass kürzlich unter der Reihe "One-Song Edition" 20 Versionen des Songs auf einer CD vereinigt veröffentlicht wurden. Ob dies - wie der Autor vermutet - "rechtzeitig zum 40. Todestag" (der heute leider begangen werden muss) eine ganz besondere Widmung für Jimi Hendrix darstellen soll, mag dahingestellt bleiben; die CD enthält insoweit lediglich den Hinweis "The Jimi Hendrix Smash - 20 Versions".
Natürlich denkt man, wenn man "Hey Joe" hört, unweigerlich an Jimi Hendrix, denn von ihm stammt sicherlich die berühmteste Fassung; sie war seine erste Single und wurde praktisch zu seiner Erkennungsmelodie. Aber "Hey Joe" stammt - auch wenn so mancher dieses vermuten dürfte - weder aus der Feder von Jimi Hendrix, noch hat er die Nummer als erster auf Platte eingespielt; nur dann könnte seine Version als das Original angesehen werden. Insofern handelt es sich jedenfalls nicht um Cover-Versionen des Jimi Hendrix-Songs "Hey Joe". Dies ist unstreitig! Umstritten ist hingegen durchaus, wer den Song ursprünglich komponiert hat und wer die erste Studio-Einspielung vorgenommen hat. Die vorliegende CD gibt diesbezüglich keinerlei Informationen, und selbst die darin enthaltenen spärlichen Hinweise, wie Jimi Hendrix auf den Song aufmerksam geworden ist, stehen im Widerspruch zu den Informationen, die man im Internet findet, wenn man seine Recherche beispielsweise bei Wikipedia beginnt.
Dennoch ist durchaus nachvollziehbar, dass die vorliegende Scheibe mit Jimi Hendrix' Version beginnt. Legt man die CD ein, legt Jimi unvermittelt und druckvoll los, doch überraschenderweise ist es nicht die Studioaufnahme von 1966, sondern eine Live-Einspielung von 1969. Aber: das ist "Hey Joe", wie man 'ihn' kennt und erwartet!
Völlig anders geht es mit der nächsten Version weiter: Cher versucht den Song wohl in die Nähe des Folk zu bringen, zu dessen Genre er wohl ursprünglich gehören sollte. Zwar beginnt der Track ebenfalls mit einer elektrisch verzerrten Gitarre, aber Chers Phrasierung ist völlig ungewohnt. Die Gitarre wird im Folgenden von Streichern schwülstig überlagert. Dazu kommt ein äußerst gewöhnungsbedürftiger Gesang, der im weiteren Verlauf immer mehr in Geschrei übergeht. Für mich ist das einfach grauenhaft und keiner weiteren Bemerkung wert!
Dann schon lieber die Instrumental-Version von King Curtis, bei der die Solo-Gitarre durch ein Saxophon ersetzt wird - leider die kürzeste Version auf dieser Scheibe. Als nächstes interpretieren The Creation den Titelsong, laut Info auf der CD die Gruppe, die Jimi Hendrix in einem Londoner Club erlebt hat und ihn veranlasste, den Titel in sein Repertoire aufzunehmen. Ähnlichkeiten sind jedenfalls durchaus vernehmbar.
Fette Streicher und Bläser: Soul ist angesagt, und das in Gestalt von Wilson Pickett mit seinem harten, teils aggressiven und auch angestrengt klingenden Gesang. Durchaus empfehlenswert! Letzteres könnte man grundsätzlich auch für die Interpretation durch Roy Buchanan - the world's greatest unknown guitarist - sagen, aber leider gerade nicht für die hier verwendete Version. Diese kenne ich bereits von dem Album, dessen Titel ich für die vorangegangene Charakterisierung übernommen habe. Und so sind auch die bekannten technischen Mängel hier vorhanden. Es hätte weitaus bessere Interpretationen gegeben; dass diese von Roy Buchanan regelmäßig in einer Länge ausgespielt sind, die den Rahmen des vorliegenden Durchschnitts gesprengt hätte, hätte man durch ein Ausblenden an geeigneter Stelle - wie bei anderen Titeln vorliegend auch praktiziert - korrigieren können. Schade!
Hart, kompromisslos und laut: Die Version von The Vibrators, die als eine der ersten Punk-Bands gelten, ist ein für die damalige Zeit sicherlich würdiger Nachfolger für Jimi Hendrix. Authentischer wiederum - im Verständnis der Jimi Hendrix-Version, wie könnte es anders sein - die folgende Aufnahme der Noel Redding Band, war deren Namensgeber doch der Bassist der Jimi Hendrix Experience.
Die Version von Otis Taylor ist wiederum deutlich ruhiger, Banjo und Harmonika, aber auch eine Geige bestimmen die musikalisch leicht dem Country-Bereich zugeneigte Richtung. Und endlich wieder eine jedem halbwegs bewanderten Musik-Fan bekannte Version: Deep Purple mit dem unverkennbaren Orgel-lastigen Sound. Und dazu die Gitarren-Soli von Ritchie Blackmore …! Man mag diese Version oder man mag sie halt nicht - ich mag sie! Leider ist sie jedoch gegenüber der Original-Aufnahme um drei Minuten 'kastriert'!
Es folgt unvermittelt wiederum eine Version von Jimi Hendrix - für mich nicht nachvollziehbar. Ich hätte es ja verstanden, wenn - wenn nicht als Einstieg, dann wenigstens jetzt - die originale Studio-Aufnahme verwendet worden wäre, aber es ist eine weitere Live-Version ohne erkennbaren Mehrwert, zumal es diesbezüglich eindeutig besseres Material gegeben hätte.
Und dann erscheint - für mich völlig überraschend - Ricky 'Ich sprenge alle Ketten' Shayne! Seine rauchige Stimme, unterlegt durch ruhiges Orgelspiel, gibt dem Song eine melancholische Stimmung. Die Überraschung ist durchaus positiv. Demgegenüber wiederum im Vordergrund verzerrte Gitarren natürlich bei Captain Sensible, auch diese Version durchaus wiederum recht nah an Jimi Hendrix.
Kompletter Stilwechsel mit Black Uhuru: Reggae ist angesagt. Ungewöhnlich, aber nicht uninteressant! Es folgt eine Live-Version von ZZ Top; die Gitarren nah am 'Original', der Gesang typisch für die Band. Ganz sicher eine der stärksten Interpretationen auf der vorliegenden Scheibe.
Das kann man für die beiden folgenden Versionen von Marmalade und Spirit meiner Meinung nach nicht sagen. Mag die Musik zwar in Ordnung gehen; zu weichgespült sind jedenfalls insbesondere die Gesangsparts angelegt. Die nächste Version stammt von Willy DeWill (so steht es tatsächlich auf der CD, gemeint ist natürlich Willy DeVille!). Seine Version im Tex Mex-Stil oder auch - im Hinblick auf die Bläser-Einsätze - als 'Tijuana-Sound' zu bezeichnen, macht durchaus Sinn, erinnert man sich an den Inhalt des Songs, wonach Joe nach der Ermordung seiner Frau nach Mexiko flieht. Ganz sicher eine gelungene Interpretation.
Relativ lange muss man warten, bis der Interpret des nächsten Songs, Johnny Rivers, mit seinem Gesang beginnt, und dieser klingt wie aus weiter Ferne eingespielt; die Musik bleibt im Vordergrund. Das Ganze klingt eher wie ein Abspann, und im Grund genommen ist es das auch.
Wer mitgezählt hat (oder bereits die anhängende Interpreten-Liste studiert hat) weiß, dass noch eine Aufnahme kommen muss, um die angekündigten 20 Versionen voll zu machen. Hierbei handelt es sich um eine rein instrumentale, als Karaoke-Unterlage gedachte Version. Eine durchaus nette Idee! Derjenige, der die gesamte CD durchgehört hat, ist spätestens jetzt zweifellos in der Lage, den Song komplett selber zu singen. Und wer nicht, dem hilft der auf der Rückseite des Covers abgedruckte Songtext!
Natürlich hätte ich andere Versionen ausgewählt, die es meines Erachtens wert gewesen wären, auf dieser Sammlung berücksichtigt zu werden. Ich denke spontan und nur beispielsweise an Walter Trout, Popa Chubby, Julian Sas, Rob Tognoni oder warum nicht auch die Jungs von BossHoss? Doch deren Interpretationen habe ich natürlich an anderer Stelle, so ist diese Compilation eine gute Ergänzung der vorhandenen Sammlung (auch wenn die eine oder andere Variante wirklich nicht nötig gewesen wäre).
Dennoch sei eine grundsätzliche Kritik erlaubt: Die Songs sind leider in technisch äußerst unterschiedlicher Qualität, und die diesbezüglichen Informationen sind äußerst dürftig. Um die einzelnen Versionen auch stilistisch einsortieren zu können, wäre es äußerst hilfreich - wenn nicht gar erforderlich - gewesen, wenn man sich zumindest bemüht hätte, nähere Informationen bereitzustellen, insbesondere das jeweilige Aufnahmejahr. Offenbar kann man einen diesbezüglichen Mehrwert für eine CD, die relativ günstig zu erwerben ist, nicht erwarten. Ich persönlich hätte lieber etwas mehr Geld investiert, um mir die jetzt anstehende Eigenarbeit zu ersparen!
Wer - wie ich - ein Fan von "Hey Joe" ist und - wovon ich ausgehe - die hier vorliegenden, teils abstrusen Versionen nicht bereits sein Eigen nennt, der kommt an dieser Scheibe wohl nicht vorbei. Wer wirklich gute, dem Blues Rock 'verpflichtete' Versionen sucht, der ist hier hingegen sicherlich fehl am Platz.
Tracklist |
01:Jimi Hendrix (4:38)
02:Cher (3:22)
03:King Curtis (2:53)
04:The Creation (4:07)
05:Wilson Pickett (3:01)
06:Roy Buchanan (4:06)
07:The Vibrators (3:15)
08:The Noel Redding Band (4:59)
09:Otis Taylor (4:31)
10:Deep Purple (4:37)
11:Jimi Hendrix (3:29)
12:Ricky Shayne (3:54)
13:Captain Sensible (3:17)
14:Black Uhuru (3:37)
15:ZZ Top (3:56)
16:Marmalade (3:58)
17:Spirit (3:38)
18:Willy DeWill (4:48)
19:Johnny Rivers (3:44)
20:Karaoke Playback (3:24)
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Externe Links:
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