Legends - Live At Montreux 1997
Legends - Live At Montreux 1997
Bekanntlich sollte mensch mit Superlativen außerordentlich vorsichtig sein. Und so entnehme ich auch einem nicht ganz unbekannten Printmedium, dass die hier auf DVD erstmals offiziell veröffentlichte Performance einer Formation namens "Legends" eher routiniert, perfekt und vergleichsweise emotionslos rüberkommen soll.
Was heißt überhaupt "Legends"?
Blöde Frage, Legenden natürlich, aber was hat es nun mit einer Formation auf sich, die sich dieses hochtrabenden Namens bedient?
Nun, da hätten wir zunächst Steve Gadd an den Drums, seines Zeichen Schlagwerker bei Akteuren wie Steely Dan, Chick Corea und Paul Simon. Dann bedient jemand die Tasten namens Joe Sample. Selbiger ist bereits seit Ende der 50er des letzten Jahrhunderts aktiv und war Mitbegründer der nicht ganz unbekannten Crusaders, die u.a. auch Randy Crawford bekannt gemacht haben ("Streetlife"). Darüber hinaus kommt noch so'n Promi wie David Sanborn dazu, der sein Alto-Sax schon für Gott und die Welt geblasen hat. Apropos Gott, Gitarrist dieser illustren Runde ist niemand Geringerer als Sir in spe Eric Clapton, der einst als Gott auf die Wände Londons gesprüht wurde, heute aber eher den Westerwelle der Popmusik gibt. Abschließend kommt noch der Initiator der scheinbar bunt zusammengewürfelten Truppe hinzu, nämlich Bassist Marcus Miller, der sich 1986 als Produzent und Mitschreiber des Miles Davis Albums "Tutu" einen Name machte und ansonsten bereits 1981 in Montreux im Zusammenspiel mit Al Jarreau und Randy Crawford positiv auffiel, übrigens in Kooperation mit dem schon erwähnten David Sanborn.
Wenn mensch dann noch bedenkt, das 1989 zum Film "Lethal Weapon 2" Randy Crawford, David Sanborn und Eric Clapton gemeinsam den Dylan Klassiker "Knockin' On Heavens Door" intonierten, könnte schon die Frage gestellt werden, wo denn zum Teufel Miss Randy Crawford bei dieser Veranstaltung war?
Keine Ahnung, aber sie wurde prinzipiell einfach nicht gebraucht, denn bis auf vier Songs sind alle Stücke auf dieser DVD instrumental!
Ist das ein Manko?
No, not really, denn hier feuern 5 begnadete Musiker ein Feuerwerk ab, wie ich es bisher selten bis gar nicht in meinen bescheidenen vier Wänden erleben durfte.
Es ist kein Jazz, kein Blues, kein Rock und kein Pop, und doch irgendwie ein Amalgam aus allen genannten Ingredienzien!
Warum erfolgt diese Veröffentlichung erst 8 Jahre nach der Entstehung? Dem Rezensenten ein komplettes Rätsel.
Routiniert, perfekt, emotionslos?
Vielleicht sollten die KollegInnen mal in Erwägung ziehen, das Produkt auf einer Musikanlage abzuspielen, welche die Bezeichnung 'Musik' in ihrem Namen auch verdient hat!
Diese DVD jedenfalls zaubert Klänge in meinen Minihörraum, wie ich sie bisher kaum bis gar nicht bestaunen konnte, trotz eines Kasper - CD-Players in der Preisklasse eines Kleinwagens.
Ja, ja, das Medium DVD klingt per se sowieso um Längen besser, als die betagte und klangkomprimierte CD, nur fällt das seltsamerweise überaus selten auf. Hier schon, denn die "Legends" musizieren in meinem Wohnzimmer, dass mir Angst und Bange wird.
David Sanborn bläst des öfteren ein Saxophon durch die Miniboxen, dass ich mir nach der Dusche glatt den Fön sparen könnte, Steve Gadd trommelt einen rhythmischen Beat, wie ich ihn mir auch bei seinem Wirken auf der letzten Clapton-Europatournee gewünscht hätte, besagter Clapton bearbeitet die Fender Stratocaster, dass mir mehrmals die Tränen aus Bewunderung und Berührung in die Augen schießen, Joe Sample haut virtuos in die diversen Tasten, dass ich den Mund kaum noch schließen kann und Marcus Miller malträtiert schließlich seinen Bass, dass ich automatisch das Bier in die Ecke schmeiße und begeistert durch die Gegend moshe!
Noch irgendwelche Fragen?
Oh ja, die Songs.
Leider gibt das Booklet keinerlei Aufschluss über die Urheber. Mir persönlich sind lediglich "Going Down Slow" von St. Louis Jimmy, "Third Degree" von Eddie Boyd/Willie Dixon, "Layla" von Eric Clapton/Jim Gordon und "Every Day I Have The Blues" von Peter Chatman (in der Interpretation von B.B. King) bekannt, und somit genau die Titel auf dieser DVD, die mit Gesang (von Eric Clapton) versehen sind.
Ansonsten kommt mir noch das sehr gefühlvolle und balladenhafte Instrumental "In Case You Hadn't Noticed" sehr bekannt vor, ich weiß nur nicht woher.
"Groovin'" macht seinem Titel schlicht alle Ehre, "Ruthie" besticht durch ein sehr gefühlvolles Gitarrensoli von E.C., "Snake" glänzt durch eine phantastische Saxophoneinlage von David Sanborn und einem solierenden Clapton, der einen glatt kurzzeitig an längst vergangene Cream-Zeiten erinnern lässt, auch "The Peeper" wird durch ein sensationelles Soli des Herrn Clapton an einem Blackie-Lookalike - Stratocastermodell veredelt, wie überhaupt gesagt werden muss, dass dieser Mann in dem illustren Umfeld geradezu aufblüht und tatsächlich mal seine Klasse aufblitzen lässt, die ansonsten leider viel zu häufig brach zu liegen scheint.
Der Derek & The Dominos Klassiker "Layla" bekommt ein interessantes Instrumentalintro in Gestalt einer von Marcus Miller gespielten Bass Klarinette und des Alto-Saxophones von David Sanborn verpasst, bevor Clapton und seine Mitstreiter in etwa das Arrangement vortragen, das seit "Unplugged" bekannt ist.
Absolute Höhepunkte sind meiner Meinung nach zum einen der alte Crusaders Kracher "Put It Where You Want It", der auch schon u.a. von der Average White Band verwurstet wurde, in dem Fall allerdings mit Vokals. Hier haben wir es mit einer kochend heißen Instrumentalversion zu tun, die gnadenlos groovt, allen Protagonisten die (kalkulierte) Freiheit für hammermäßige Soli einräumt und den Soul wahrlich nicht außen vor lässt. Zum anderen begeistert das bereits erwähnte "Every Day I Have The Blues" mit einem Clapton wie vom anderen Stern.
Es ist wirklich deutlich erkenn- und hörbar, dass der vermeintliche Gitarrengott sich bei diesem Event verdammt wohl gefühlt hat, es genossen hat, endlich mal eine Koryphäe unter vielen sein zu können, und dass er sich absolut herausgefordert gefühlt hat. Kein Vergleich zu dem, was ansonsten von 'Slowhand' in den letzten Jahren bekannt geworden ist. Darüber hinaus bieten David Sanborn und Marcus Miller Soli, dass mein in die Ecke geschmissenes Bier unaufgefeudelt bleibt und ich gnadenlos die kaputten Federkerne meines Sofas bearbeite.
Warum diese Performance bisher nicht das offizielle Licht der (Ton- und Bildträger)Welt erblickt hat, ist mir persönlich genauso rätselhaft, wie die Lehren aus dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl.
Routiniert, perfekt, emotionslos?
Probiert's mit einem musikalischen(!) DVD-Player, genießt die Melange aus Jazz, Blues, Rock, Funk, Soul und Pop, vergesst alle Scheuklappen und Supergruppenressentiments und genießt die Klänge einer DVD, die bisher vom Sound her alles schlägt, was sich bis dato in meinem Player drehte!
Bewertung:
Musik = 8 ½ RockTimes Uhren
Klang = 9 ½ RockTimes (PCM Stereo)
Bild und Kameraführung = unspektakulär und vollkommen in Ordnung, hier geht's um die Musik!
Ausstattung: Es wird 4:3 Screen Format angegeben, bei meinem Uraltfernseher sieht's allerdings nach 16:9 aus.
DTS Digital Surround Sound; Dolby Surround 5.1; PCM Stereo; keine Extras.


Spielzeit: 107 Min, Medium: DVD, Eagle Rock, 2005
1:Full House 2:Groovin' 3:Ruthie 4:Snakes 5:Going Down Slow 6:The Peeper 7:In Case You Hadn't Noticed 8:Third Degree 9:First Song/Tango Blues 10:Put It Where You Want It 11:Shreveport Stomp 12:In A Sentimental Mood/Layla 13:Every Day I Have The Blues
Olaf "Olli" Oetken, 24.09.2005