»Eiris sâzun idisi, sâzun hêra duoder.
suma hapt heptidun, suma heri lezidun,
suma clûbôdun umbi cuoniouuidi:
insprinc haptbandum, inuar uîgandun !«
Mit diesem Vierzeiler fing es an. Dr. Georg Waitz entdeckte ihn 1841 in der Bibliothek des Merseburger Domkapitels, den ersten Merseburger Zauberspruch, der aus dem 10. Jahrhundert stammt.
1974 entdeckte die legendäre Folkband Ougenweide, die als Vorläufer des Mittelalterrocks in die deutsche Musikgeschichte einging, den Zauberspruch als musikalische Herausforderung. Auf ihrem Album "All die Weil ich mag" vertonten sie den althochdeutschen Zauberspruch und legten damit die Grundlage für zahlreiche weitere Interpretationen und Vertonungen dieses Titels.
Wenn sich 35 Jahre später namhafte Vertreter der Mittelalterszene treffen, um ein Tribut-Album an Ougenweide aufzunehmen, dann kann es leicht passieren, dass die Spielfreude überschäumt.
War ursprünglich geplant, eine gemeinsame Version des Merseburger Zauberspruchs ans Ende des Tribut-Silberlings zu packen, so verselbstständigte sich dieses Vorhaben durch die entfesselte Kreativität der Spielleute. Die ursprünglichen drei Minuten Spielzeit wurden schnell überschritten und letztlich zu einem eigenständigen, 22-minütigen Werk ausgekoppelt.
Das kleine, aber feine Album zeigt neben der unangefochtenen Stellung Ougenweides als Wegbereiter auch die große Bandbreite der derzeitigen Mittelalterszene.
Eher zu den klassischen Mittelaltermusikern gehören dabei beispielsweise Triskilian, Galahad, Skandor, der Minnesänger Hans Hegner, der mit Ursel Peters gemeinsam als Duo Fundevogel auftritt, die Spaßvögel von Duivelspack und die lieblichen Irrlichter.
Doch auch Oni Wytars, die neue Interpretationen alter Musik suchen und dabei Orient und Okzident verbinden oder Poeta Magica, die Mittelalterliches mit Orientalischem vereinen, sind vertreten. Und auch ein paar harte Rocker des Genres, wie In Extremo und Van Langen haben ihren Auftritt.
Durch die Vielzahl und Vielfalt der Beteiligten sind die Interpretationen aus dem Vollen geschöpft.
Beginnt es noch recht traditionell sanft beschwörend mit liebreizendem Frauengesang, so mischen sich schnell Hexengekicher und knarrende Türen in den 'Zauberspruch' und bilden den Hintergrund für die noch sparsam eingesetzte, geheimnisvoll-flüsternde Männerstimme.
Weiterhin traditionell in der Besetzung erfreut der "Lichtgesang" mit Frauenchor und einer voluminösen, klassisch mittelalterlichen Besetzung. Hier wird getrötet und geleiert, was das Zeug hält.
In der "Flammenrede" wird zur Abwechslung zuerst eine Übersetzung ins heutige Deutsch gesprochen:
»Einst saßen Walküren, saßen hier und saßen dort.
Manche flochten Fesseln, manche hinderten feindliches Heer,
manche knüpften Gefangene frei.
Entfliehe den Fesseln, entfahre den Feinden!«.
Der leise und sanfte Beginn steigert sich ganz am Ende zu einem bombastischen Duell von E-Gitarren und Streichern und lässt die Moderne Einzug halten.
Die "Flüsterklage" lässt Bass und Holzbläser, Orgel und Gitarren die Melodie variieren und den Hintergrund für den verzerrt verhallten Sprechgesang bilden, bis er dann von den Frauenstimmen abgelöst wird.
Die "Spurensuche" gestaltet sich gänzlich geheimnisvoll und ruft das Bild hervor, wie einer suchend durch den Wald schleicht. Beim "Lösungszauber" tritt dann In Extremo, die auch den zweiten Merseburger Zauberspruch vertont haben, mit auf und verleiht dem Stück seine ganz charakteristische, rockig-'extreme' Note. Es fasziniert, wie aus den vier Textzeilen und der Grundmelodie so ganz verschiedene Interpretationen mit sehr unterschiedlicher Atmosphäre entstehen. Die Liedtitel spiegeln die vorherrschende Stimmung in der jeweiligen Version wieder. Bei Tanz und Spieluhr wird dann fröhlich beschwingt und rein instrumental das glückliche Ende gefeiert und auch vom Musikalischen her in die 'gute alte Zeit' zurückgekehrt, die für den einen im Mittelalter, den anderen in den 70er Jahren angesiedelt ist.
Ein hochspannendes Experiment haben die beteiligten Musiker da gewagt und aufs Trefflichste gezeigt, wie abwechslungsreich und vielfältig sich ein althochdeutscher Vierzeiler doch variieren lässt. Man könnte fast meinen, da sei Zauberei im Spiel gewesen!
Line-up:
In Extremo
Triskilian
Oni Wytars
Hans Hegner
Gesine Bänfer
Van Langen
Ursel Peters
Skandor
Galahad
Duivelspack
Irrlichter
Poeta Magica
Holger Schäfer
Musiktheater Dingo
Tracklist |
01:Zaubersprüche
02:Lichtgesang
03:Flammenrede
04:Flüsterklage
05:Spurensuche
06:Lösungszauber
07:Tanz und Spieluhr
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