Various Artists / Prog Rocks! Volume II
Prog Rocks! Volume II Spielzeit: 79:46 (CD 1), 79:16 (CD 2)
Medium: Doppel-CD
Label: InsideOut/EMI, 2012
Stil: Prog Rock

Review vom 14.11.2012


Steve Braun
Über den Sinn und den Unsinn von Compilations wird in den Kreisen von Musikfreunden seit ich denken kann trefflich gestritten. Für mich persönlich waren diese Zusammenstellungen nur im Hinblick auf gute Unterhaltung während einer längeren Autofahrt oder für einen ersten, groben Überblick zu einer unbekannten Thematik interessant. Ersteres ist in den Zeiten modernster Medien ein Anachronismus - letzteres allerdings noch durchaus relevant.
Unter diesen Aspekten geht man eher etwas reserviert an "Prog Rocks! Volume II" - und ist überrascht. Das Prog Rock Magazine legt eine pfiffige Herangehensweise an den Tag: Zunächst geht man chronologisch vor, beginnend in den Spätsechzigern über den kreativen Tiefpunkt des Genres Mitte der Achtziger bis zur Renaissance in den ausklingenden Neunzigern hin zu den Blüten der Gegenwart. Und um den Bruch der Frühphase des Prog Rock zur Rück- und Neubesinnung noch zu unterstreichen, packt man beides abgegrenzt auf zwei CDs, natürlich bis zum Platzen gefüllt und für relativ kleines Geld.
CD 1 geht an die (jüngeren) Musikliebhaber, die geglaubt haben sollten, Marillion hätte tatsächlich den Prog Rock erfunden. CD 2 ist den Ewig-Gestrigen gewidmet, die überzeugt sind, seit den Siebzigern habe es keine gute Musik mehr gegeben, obwohl sich diese Spezies als überaus belehrungsresistent erwiesen hat.
Einer Fanfare gleich, wird CD 1 mit "Theme One" - einem wahren Klassiker von
Van Der Graaf Generator - eröffnet. Sollte jemals Skepsis bezüglich "Prog Rocks! Volume II" vorhanden gewesen sein, ist diese mit diesem Titel wie Eis in der Sonne geschmolzen. Schön ist, dass sich die Macher nicht (nur) an den 'Big-Names' der Szene abarbeiten, sondern ein Wiederhören mit etwas in Vergessenheit geratenen Vertretern des Genres ermöglichen. Hier sei natürlich zuvorderst Be-Bop Deluxe genannt, die zwar allgemein als Vorläufer der Punk- und New Wave-Bewegung gelten, auf ihrem Debütalbum "Axe Victims" aber noch eher wie T. Rex klangen. Hier wird der Titelsong präsentiert... und der ist mindestens genauso abgefahren wie der Space Rock, der mit den rumpeligen, unvergesslichen Hawkwind und den irrlichternden Gong nachgeschoben wird.
Im schwarzen Loch der Musikhistorie ist leider die britische Formation Hatfield And The North verschwunden, deren "Fitter Stoke Has A Bath" vom zweiten und letzten Studioalbum (1975) noch heute Relevanz hat, wenn man sich junge Bands anhört. Dagegen hört man dem abschließenden 1981er "Lotus Grove" von Soft Machine deutlich den kreativen Niedergang der damaligen Prog-Szene an!
Marillions unvermeidliches "The Web" - eine Band, die ich stets als leicht überbewertet erachtet habe - eröffnet den Reigen der zweiten CD. Die beiden folgenden Tracks dokumentieren schonungslos die Agonie des Genres, das allerdings Ende der Neunziger wie Phoenix aus der Asche hervor stieg. Beachtenswert und bezeichnend, dass auf diesem Sampler zwischen Twelfth Nights "Blue Powder Moneky" und Spock's Beards "Skin" dreizehn Jahre (!!) liegen und ebenso sehr, wie sehr Bands à la Flower Kings oder Transatlantic frischen Wind in die verstaubte Prog-Ecke brachten.
Vor allem muss der überaus kreative Input aus dem Metal-Bereich in den modernen Prog Rock hervorgehoben werden. Eindrucksvoll beweisen dies auf diesem Sampler Devin Townsend, die mir bis dato unbekannten Headspace (bärenstark: "Fall Of America") und Pain Of Salvation, die hier mit "Road Salt" zauberhaft balladesk daher kommen. Auch Arjen Lucassen bewegt sich zumeist auf diesem Terrain. Welche Bands allerdings bei "Pink Beatles In A Purple Zeppelin" Pate standen, dürfte klar sein - ein sensationelles Ergebnis!! Die mir ebenfalls völlig unbekannten Affectors beenden diesen Sampler mit "New Jerusalem", einem überaus exquisiten Song, mit feinsten Arrangements ausgestaltet.
Ungeachtet der eingangs angeführten Bedenken hat "Prog Rocks! Volume II" aufgrund der kompetenten Zusammenstellung durchaus seine Daseinsberechtigung. Es handelt sich um eine schöne Mischung aus bekannten, unbekannten und sogar vergessenen Bands.
Tracklist
CD 1:
01:VAN DER GRAAF GENERATOR Theme One
02:THE NICE One Of Those People (live)
03:ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA Mr. Radio
04:BARCLAY JAMES HARVEST Galadriel
05:ROXY MUSIC Ladytron
06:JETHRO TULL Bungle In The Jungle
07:BE-BOP DELUXE Axe Victim
08:HAWKWIND Lost Johnny
09:TANGERINE DREAM Mysterious Semblance At The Strand Of Nightmares
10:GONG Master Builder
11:HATFIELD & THE NORTH Fitter Stoke Has A Bath
12:KEVIN AYERS The Owl
13:GENTLE GIANT I'm Turning Around
14:STEVE HILLAGE The Glorious Om Riff
15:STEVE HACKETT Clocks - The Angel Of Mons
16:SOFT MACHINE Lotus Groves
CD 2:
01:MARILLION The Web
02:PALLAS Eyes In The Night (Arrive Alive)
03:TWELFTH NIGHT Blue Powder Monkey
04:SPOCK'S BEARD Skin
05:TRANSATLANTIC Bridge Across Forever
06:NEAL MORSE Mercy Street
07:DEVIN TOWNSEND PROJECT Hyperdrive!
08:PAIN OF SALVATION Road Salt
09:KARMAKANIC Turn It Up
10:HEADSPACE Fall Of America
11:FLOWER KINGS Pandemonium
12:ARJEN ANTHONY LUCASSEN Pink Beatles In A Purple Zeppelin
13:IT BITES Wallflower
14:AFFECTOR New Jerusalem
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