Über den Sinn und den Unsinn von Compilations wird in den Kreisen von Musikfreunden seit ich denken kann trefflich gestritten. Für mich persönlich waren diese Zusammenstellungen nur im Hinblick auf gute Unterhaltung während einer längeren Autofahrt oder für einen ersten, groben Überblick zu einer unbekannten Thematik interessant. Ersteres ist in den Zeiten modernster Medien ein Anachronismus - letzteres allerdings noch durchaus relevant.
Unter diesen Aspekten geht man eher etwas reserviert an "Prog Rocks! Volume II" - und ist überrascht. Das Prog Rock Magazine legt eine pfiffige Herangehensweise an den Tag: Zunächst geht man chronologisch vor, beginnend in den Spätsechzigern über den kreativen Tiefpunkt des Genres Mitte der Achtziger bis zur Renaissance in den ausklingenden Neunzigern hin zu den Blüten der Gegenwart. Und um den Bruch der Frühphase des Prog Rock zur Rück- und Neubesinnung noch zu unterstreichen, packt man beides abgegrenzt auf zwei CDs, natürlich bis zum Platzen gefüllt und für relativ kleines Geld.
CD 1 geht an die (jüngeren) Musikliebhaber, die geglaubt haben sollten,
Marillion hätte tatsächlich den Prog Rock erfunden. CD 2 ist den Ewig-Gestrigen gewidmet, die überzeugt sind, seit den Siebzigern habe es keine gute Musik mehr gegeben, obwohl sich diese Spezies als überaus belehrungsresistent erwiesen hat.
Einer Fanfare gleich, wird CD 1 mit "Theme One" - einem wahren Klassiker von
Van Der Graaf Generator - eröffnet. Sollte jemals Skepsis bezüglich "Prog Rocks! Volume II" vorhanden gewesen sein, ist diese mit diesem Titel wie Eis in der Sonne geschmolzen. Schön ist, dass sich die Macher nicht (nur) an den 'Big-Names' der Szene abarbeiten, sondern ein Wiederhören mit etwas in Vergessenheit geratenen Vertretern des Genres ermöglichen. Hier sei natürlich zuvorderst
Be-Bop Deluxe genannt, die zwar allgemein als Vorläufer der Punk- und New Wave-Bewegung gelten, auf ihrem Debütalbum "Axe Victims" aber noch eher wie
T. Rex klangen. Hier wird der Titelsong präsentiert... und der ist mindestens genauso abgefahren wie der Space Rock, der mit den rumpeligen, unvergesslichen
Hawkwind und den irrlichternden
Gong nachgeschoben wird.
Im schwarzen Loch der Musikhistorie ist leider die britische Formation
Hatfield And The North verschwunden, deren "Fitter Stoke Has A Bath" vom zweiten und letzten Studioalbum (1975) noch heute Relevanz hat, wenn man sich junge Bands anhört. Dagegen hört man dem abschließenden 1981er "Lotus Grove" von
Soft Machine deutlich den kreativen Niedergang der damaligen Prog-Szene an!
Marillions unvermeidliches "The Web" - eine Band, die ich stets als leicht überbewertet erachtet habe - eröffnet den Reigen der zweiten CD. Die beiden folgenden Tracks dokumentieren schonungslos die Agonie des Genres, das allerdings Ende der Neunziger wie Phoenix aus der Asche hervor stieg. Beachtenswert und bezeichnend, dass auf diesem Sampler zwischen
Twelfth Nights "Blue Powder Moneky" und
Spock's Beards "Skin" dreizehn Jahre (!!) liegen und ebenso sehr, wie sehr Bands à la
Flower Kings oder
Transatlantic frischen Wind in die verstaubte Prog-Ecke brachten.
Vor allem muss der überaus kreative Input aus dem Metal-Bereich in den modernen Prog Rock hervorgehoben werden. Eindrucksvoll beweisen dies auf diesem Sampler
Devin Townsend, die mir bis dato unbekannten
Headspace (bärenstark: "Fall Of America") und
Pain Of Salvation, die hier mit "Road Salt" zauberhaft balladesk daher kommen. Auch
Arjen Lucassen bewegt sich zumeist auf diesem Terrain. Welche Bands allerdings bei "Pink Beatles In A Purple Zeppelin" Pate standen, dürfte klar sein - ein sensationelles Ergebnis!! Die mir ebenfalls völlig unbekannten
Affectors beenden diesen Sampler mit "New Jerusalem", einem überaus exquisiten Song, mit feinsten Arrangements ausgestaltet.
Ungeachtet der eingangs angeführten Bedenken hat "Prog Rocks! Volume II" aufgrund der kompetenten Zusammenstellung durchaus seine Daseinsberechtigung. Es handelt sich um eine schöne Mischung aus bekannten, unbekannten und sogar vergessenen Bands.