V.A. / A Tribute To John McLaughlin
And The Mahavishnu Orchestra
Tribute To John McLaughlin Spielzeit: 65:24 (CD 1), 73:01 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: ESC Records, 2010
Stil: Jazz Rock, Fusion

Review vom 11.10.2010


Wolfgang Giese
"Mahavishnu Redefined: A Tribute to John McLaughlin and the Mahavishnu Orchestra", so der Titel der ersten Ausgabe dieses Tributs, aus dem Jahre 2009.
Mit dem Album "The Inner Mounting Flame" schufen John McLaughlin, Jerry Goodman, Jan Hammer ), Rick Laird und Billy Cobham im Jahre 1971 einen Klassiker. Da war die Saat von Miles Davis vollends aufgegangen und zu einem prachtvollem Gewächs heran gereift. Das Album schlug ein wie eine Bombe, ich war von den Socken, dieses Vibrieren, dieser mitreißende Mahlstrom, das riss einfach gnadenlos mit, ohne aber nicht auch zarte und sehr filigrane Momente aufzuweisen. Insofern war der erste Teil dieses Projekts bereits ein gewagtes Unterfangen, denn besser machen konnte man das einfach nicht. Also musste man das anders machen.
So versammelten sich hier erneut viele verschiedene Musiker, zu versuchen, diesem Anspruch gerecht zu werden. Nicht alles bekannte Namen sind auch hier darunter, insofern ist die Erwartungshaltung etwas anders, als würde man bei bekannten Musikern sofort eine bestimmte Umsetzung erwarten können.
Und ich weitestgehend 'unbefleckt' an mein Hörvorhaben herangehen und war gespannt.
Grundsätzlich, und das sei nun mit aller Deutlichkeit gesagt, gefallen mir solche Projekte nur, wenn die Musik des/der Gewidmeten nicht nur simpel nachgespielt wird, sondern ihnen ein eigener Charakter innewohnt, z.B. bei dem Beatles-Gitarren-Tribut "Come Together". Bei dieser Widmung empfinde ich das recht zwiespältig. Denn mir begegnen Musiker, die entweder genau nachzuspielen versuchen als auch solche, die sich schon fast gelöst haben von der Projektidee. Dazwischen findet sich jedoch noch das eine oder andere Juwel.
So will ich kurz einige Beispiele herausgreifen, die mir aus verschiedenen Gründen eher negativ aufgefallen sind.
Gleich der erste Titel der CD, von Kai Brückner, so gut er es wohl sicher auch gemeint haben mag, so empfinde ich die Interpretation eines meiner Lieblingstitel des Orchestras, "Dance Of The Maya" relativ uninspiriert und dahindümpelnd, ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass nun endlich der berühmte Funke überspringen möge. Die nächsten können sich erst einmal freuen, da mäkele ich nicht, bis mir dann Titel 11 über den Weg läuft, Bruce Arnold, der in diese Kollektion überhaupt nicht hineinpasst, erstens ist es kein Titel der Geehrten (was viele andere allerdings auch nicht vorweisen), doch im Gegensatz zu anderen Beteiligten vermag der hier den Geist des Projekts nicht zu transportieren, er macht hier völlig 'sein eigenes Ding', was ja grundsätzlich nicht verkehr ist, aber irgendwie fehlt mir der Bezug.
Auch der Solobeitrag von Mychael Pollard (all instrumentation) vermag mich überhaupt nicht zu überzeugen. Hier wird mit Dramatik gespielt, es passiert viel zu viel, als dass hier eine Zentrierung auf das Wesentliche zu bemerken sei.
Sehr merkwürdig, und das ist ein Indiz dafür, dass man sich die Titel wirklich öfter anhören sollte, ist es mit dem Titel 5, das ist die Nat Janoff Group. Zunächst hatte ich einen ganz anderen Eindruck, die Virtuosität Janoffs an der Gitarre steht im Vordergrund, und hier ist genau das, was viele am Jazz Rock bemängeln, das bestimmte 'Gefrickel'. Hier störte sogar mich das zunächst, als wäre es ein gewisses Durcheinander, das zu stark nach zu viel gewollt und im Gegensatz zum tatsächlich Umgesetzten. Hier spürte ich zuerst nicht die Ruhe in der Unruhe, wie ich es beim Mahavishnu Orchestra stets empfunden habe, oder ein gutes Beispiel dafür, wie man so etwas brillant vortragen kann, ist das Trio Of Doom, mit McLaughlin, Jaco Pastorius, Tony Williams. Aber dann spürte ich dieses absolut eigenständige Element in der Musik.
Doch nun zu den für mich weiteren sehr positiven Erscheinungen. Wohlgemerkt, wir befinden uns noch auf CD 1.
Mads Tolling, der Geiger, schafft sich völlig in die Stimmung und die Musik der damaligen Zeit hat es mit seinen Mitspielern fast geschafft, ein prickelndes Wohlgefühl bei mir zu hinterlassen. Tolling selbst versucht erst gar nicht erst, Jerry Goodman in irgendeiner Art und Weise zu imitieren, er bringt einen ganz eigenen Stil zum Klingen, und auch der Gitarrist scheint eher Allan Holdsworth zugeneigt zu sein. Allein vom Drummer hätte ich mir vielleicht eine etwas mehr 'federnde' Darbietung gewünscht, aber letztlich ist das ein Superstück, das man merke, auch noch von Tolling komponiert wurde und das durchaus als ein Original von einer damaligen Platte hätte durchgehen können.
Eine sehr eigenwillige Komposition finden wir mit dem ebenfalls eigenen Titel des Sarangi-Spielers Surinder Sandhu, ganz anders als die anderen, mit sehr starkem indischen Einfluss, leider mit dem einzelnen Makel behaftet, dass es mit 2:56 Minuten viel zu kurz ist. Es ist fantastisch, wie sich hier 'westlicher' Einfluss, man merke: Steve Vai an der 'Sitar Guitar'(!) neben Tablas und Mitgliedern des Royal Liverpool Philharmonic Orchestras. Ein grandios arrangierter Titel mit üppiger Ausstattung! Die dazugehörige CD, von der dieser Titel stammt ("Saurang Orchestra") wird für mich einer der nächsten Pflichtkäufe!
Der Gitarrist Don Mock mit seinem Trio trifft meines Erachtens den Geist des Mahavishnu Orchestras überhaupt nicht, hat hier jedoch ein Stück vorgelegt, dass mit seinem Aufbau im Verlauf auf dezent fließenden Untergrund zu punkten weiß, die Entwicklung entsteht aus der Kommunikation der Musiker.
Mock scheint hier übrigens eher ein Tribut an Pat Metheny vorgelegt zu haben, aber es gefällt mir!
Mein zweiter 'Renner' ist Track 9, der Drummer Chris Massey zusammen mit dem großartig innovativen David Torn an der Gitarre plus David Cast an der Bassklarinette. Leider ist das Stück nur 2:21 Minuten lang, schade, das schreit nach mehr, hier spüre ich diese Spannung und leidenschaftliche Intuition der Musiker.
Die übrigen Titel liegen für mich sozusagen 'im Mittelfeld' und sind für mich soweit okay, so zum Beispiel das nur auf der Akustikgitarre eingespielte Stück von John Stowell.
Eine Bemerkung zu einer vertanen Chance allerdings noch zu dem Titel jener Band, die seit Jahren die Tradition des Mahavishnu Orchestras mit großem Erfolg auf sehr positive Weise pflegt, der Band Mahavishnu Project. Aus für mich unerklärlichem Grund haben die fünf Musiker noch eine Sängerin, Melissa Stylianou hinzugenommen, die für mich den ganzen Titel ganz einfach zerstört. Schade.
Zu CD 2.
Zunächst meine 'Kritikkandidaten':
Bill Hart, der Gitarrist im Trio mit Bass und Schlagzeug, das Stück scheint sich an "Dance Of The Maya" zu orientieren und wirkt, als müssten die Musiker eine Pflichtübung ablegen und hätten gar keine Lust dazu, das wirkt einfach nur gelangweilt heruntergespielt, fast ohne Emotion.
Track 9: Der Autodikakt Claude Pauly liefert eine ähnliche 'Pflichtübung' ab, von einigen technischen Tricks auf der Gitarre umrahmt, fließt alles wie belanglos dahin und dann, wenn der Keyboarder ansetzt, um mit einem guten Solo abzuheben, bleibt der Schlagzeuger trocken auf dem Boden und fliegt nicht mit, als wäre hier ein Drumcomputer am Werk.
Und nun jene, die mir besonders positiv aufgefallen sind.
The Jeff Gauthier Goatette (interessante Bezeichnung, hat das etwas mit Ziegen zu tun???) birgt für mich die meiste Beschäftigung mit der Musik der Geehrten. Zeichneten sich diese durch den Wechsel von wilden Eruptionen und lyrischen Momenten auf verschiedenen Stücken aus, so vermag es Gauthier allein mit diesem einen Stück in etwas über sieben Minuten zu packen, grandios, wie überdies Nels Cline an der Gitarre agiert. Man spürt Leidenschaft, Innovation und Ideen im Arrangement und in der Gestaltung, das ist einfach hochklassig!
Wiederum nicht nahe an McLaughlin und dem Orchestra ist das Trio um den Organisten George Colligan, hier sollte man eher einen Vergleich zum Orgeltrio von Tony Williams' Lifetime suchen, doch auch sehe ich den Zusammenhang nicht unbedingt, dafür haben die Drei eine ganz neue Meßlatte für ein modernes Orgeltrio gesetzt, herrlich, wie die Drei zusammen agieren und sich wortlos zu verstehen scheinen, einfach traumwandlerisch! Die anderen Beiden sind Tom Guarna an der Gitarre und Kenny Grohowski am Schlagzeug. Man sollte sich die Drei unbedingt merken!
Ein Volltreffer, wenn auch nicht sonderlich spektakulär, ist die Aufnahme von Steve Topping. Hier wird der Geist der alten Schule stark beschworen, hier mit einem Titel, den McLaughlin zusammen mit Santana aufnahm. Topping wird unterstützt von Paul Carmichael am Bass und dem immer großartigen Gary Husband am Schlagzeug, die Drei treffen voll ins Schwarze! Auch Gianfranco Continenza schafft mit seiner Eigenkomposition eine wirklich quirlige Atmosphäre, die im Jazz Rock der 70er eine gute Figur gemacht hätte. Gratulation!
So, einige restliche Bemerkungen. Rez Abbasi bringt mit seinem Trio einige leichte indische Elemente ein, Asaf Sirkis, der Drummer, legt ein an sich bewegendes Stück vor, das jedoch den Mangel aufweist, einfach ohne Konzept dahinzufliegen, wenngleich sehr virtuos.
Ali Neander, zusammen mit Hellmut Hattler und Moritz Müller legt ein sehr gutes interessantes Arrangement vor, doch mit seinem Solovortrag überspannt er den Bogen etwas und spielt etwas zu viel, und der Drummer zerhackt bisweilen die gar nicht mal so schlechte Atmosphäre. Daran könnte man noch arbeiten.
Schließlich entlässt mich Jamie Findlay mit einem Solostück auf der akustischen Gitarre mit zwiespältigen Gefühlen.
Fazit A: Mission gelungen, weil nicht unbedingt stur nachgespielt wurde.
Fazit B: Mission misslungen, weil aus meiner Sicht weitestgehend der alte Geist nicht beschworen wurde.
Fazit C: Mission gelungen, weil außerhalb der möglichen Absicht einiges zu entdecken ist, das Lust auf mehr macht.
Fazit D: Ein guter Sampler, um die Musik einiger nicht so bekannter Künstler kennen zu lernen.
In diesem Zusammenhang darf ich mir noch die Bemerkung erlauben, dass ich als beinharter Fan des Jazz Rocks der 70er Jahre relativ voreingenommen bin und somit eine sehr hohe Messlatte ansetze.
Aus diesem Grunde bediene ich mich dann gern der Meinung neutraler Personen, und als 'Testperson' musste abermals meine Frau herhalten, die grundsätzlich diese Musik so gar nicht mag.
Insofern brachte sie ihre Meinung kurz und knapp auf den Punkt, indem sie äußerte, bei der Musik des Mahavishnu Orchestras spüre sie in der Interpretation so etwas wie ein Gefühl des 'Gefesseltseins', mit dem 'Zwang' verbunden, davon mehr hören zu müssen, bei dieser Kompilation sei dieses nur selten der Fall. Insofern war ich froh, daß mich mein 'natürliches Empfinden' dann doch noch nicht getäuscht hat, denn weitestgehend waren das auch jene Titel, denen ich mein Wohlwollen schenkte!
Tracklist
CD 1:
01:Kai Brückner - The Dance Of Maya (5:47)
02:Mads Tolling - Starmaker Machinery (8:10)
03:Christopher Schreiner a.k.a. The Guy - Miles Beyond (4:59)
04:Surinder Sandhu - The Little Hindu (2:56)
05:Nat Janoff Group - Are You The One? Are You The One? (6:01)
06:Don Mock - Sentilla's Dance (5:40)
07:Mahavishnu Project - One Word (Resolution) (4:11)
08:John Stowell - Windchaser (6:02)
09:Chris Massey's Forever - Sharp And Vivid-Gore (2:21)
10:Allen Hinds - My Foolish Heart (5:46)
11:Bruce Arnold - 12 Tone Boogie (5:01)
12:Mychael Pollard - I Wonder (8:05)
CD 2:
01:Ali Neander - Celestrial Terrestial Commuters (3:53)
02:The Jeff Gauthier Goatette - House Of Return (7:17)
03:Bon Lozaga - Can't Stand The Funk (5:08)
04:George Colligan & Mad Science - Keeping Pace Ruff (5:53)
05:Steve Topping - The Life Divine (2:40)
06:Bill Hart - Thanks Mah (4:52)
07:Mark Whitfield - Hope (5:07)
08:Rez Abbasi Trio - Snake Charmer (8:01)
09:Claude Pauly - Quiet Moves (7:45)
10:Asaf Sirkis & The Inner Noise - Hymn (7:40)
11:Gianfranco Continenza - Mahavishnology (4:02)
12:The Trio Of Stridence - Vital Transformation (5:17)
13:Jamie Findley - Very Early (4:59)
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