Diesmal hatte es endlich geklappt. Im dritten Anlauf ein Konzert im 'Desert Pinguin' im oberfränkischen Kulmbach. Viel Raum bietet das alte Gasthaus nicht, mit 100 Besuchern dürfte der Laden gerammelt voll sein. Wenn ich mich demnächst mal länger mit dem Wirt Matz unterhalten hab, werd ich mehr über das gemütliche Musiklokal erzählen.
Auch die Band, derentwegen ich gekommen war, war mir bis dato völlig unbekannt. Drittes Novum: Es sollte ein Metal-Konzert sein, weswegen ich mich bisher nicht mal im Schubkarren volltrunken über den Hof hätte schippern lassen. Aber furchtlos und unerschrocken schleppte ich sogar meine Frau mit (die nicht fahren musste).
 Nun, dass die Band in Klamotten des 19. Jahrhunderts auftritt,
ausschließlich auf akustisch-klassischem Instrumentarium aufspielt
und zumindest unter ihren Fans einen Kult-Charakter genießt, hatte
meine Lust auf ein ungewohntes Live-Erlebnis geweckt. Und die wurde
restlos gestillt!
Coppelius macht, der Homepage zufolge, schon seit 200 Jahren die
Bühnen unsicher und ist jedoch von der neuen Musik durchaus
angetan. Allerdings zu bequem, um sich mit den heutigen
Rock-Instrumenten anzufreunden. Das sonstige Equipment, wie
Tonabnehmer, Mikrophone, Verstärker und diverse Effektgeräte war
allerdings sehr wohl bekannt und in Gebrauch, wie sich bald
herausstellte.
 Irgendwann verschwand die ganze Mannschaft und mutierte in relativ kurzer Zeit zu den Herrschaften Max Copella, Nobusama, Graf Lindorf, Comte Caspar und Sissy Voss von anno dazumal. Wie seinerzeit üblich, bereitete zunächst Diener Bastille den Empfang vor und entzündete den Kerzenleuchter. Das blieb allerdings der einzige romantische Moment des Abends. Zwar wurden die Kerzen dann noch von elektrischem Licht unterstützt, aber es blieb trotzdem recht zwielichtig im Bühnenabteil. Kaum hatten sich die Herren mit weiß geschminkten Gesichtern an ihren Instrumenten (Kontrabass, Cello, zwei Klarinetten und ein herkömmliches Schlagzeug) eingefunden, war der Muff vergangener Zeiten weggeblasen. Coppelius legte los - und wie!
 Als einzigen mir möglichen Vergleich ziehe ich die Musik von Apocalyptica heran, die mit ihren vier Celli ebenfalls einen grandiosen Krach veranstalten. Mein Höreindruck davon im Kopfhörer war der von Kreissägen, eine von links, eine von rechts und die restlichen beiden von vorn und hinten durch´s Hirn. Bei Coppelius kommen noch Schlagbohrer, Flex und Rüttelplatte (danke, Ilka!) dazu, die das zentrale Nervensystem, die Magengrube und die Eier pulverisieren.
Es gibt nichts ähnlich Spektakuläres auf deutschen Bühnen, da bin ich mir sicher, da können Rammstein und In Extremo noch so sehr mit Blendgranaten und Flammenwerfer um sich schmeißen! Das hat einfach Power, reißt musikalisch und showmäßig mit.
 Der Gegensatz der nostalgischen, steifen Erscheinung und der knallharten Musik mit dem typischen Posing ist so was von abgefahren, dass selbst meine Frau, die lauten Rock überhaupt nicht mag, drauf abfuhr. Und laut war es! Trotz Ohrstöpseln stellten sich erst im Lauf des nächsten Abends wieder normale Höreindrücke ein und die Birne war wohl ebenfalls etwas weich geworden. Jedenfalls moshten auch die sonst recht lärmempfindlichen Blueser in vorderster Front, wie mir Matz steckte. Die Fans waren bis aus der Würzburger und Nürnberger Ecke am Donnerstagabend angereist, also aus gut 150 Kilometern. Freimütig und tiefdekolltiert bekundete eine Lady in Black aus Roth (hehe) 'süchtig nach der Coppelius-Musik' zu sein.
 Für tiefenanalytischere Betrachtungen von dem, was da Coppelius mit ihren Instrumenten anstellten, fehlt mir leider die Metallarbeiter-Fachausbildung. Die Band nennt es selbst 'Kammercore'. Gesungen wurde in deutsch, in englisch, von mehreren Bandmitgliedern samt Butler Bastille (der eigentlich die beste Röhre hat) und im Chor. Diverse Moritaten von gemeuchelten Schlossherrn, Nackenbrechern, düsteren Morgen- und ebensolchen Abendstimmungen, von Transsylvanien und von Outlaws; darunter auch Covers von Iron Maiden.
Und es wurde gepost und gebangt, gerifft und gerafft, dass es eine helle Freude war! Die Lead-Klarinetten und das Cello ersetzten nahtlos die Gitarren und der Kontrabass rührte, zusammen mit dem Schlagzeug, kräftig in den Gedärmen. Es ging mitunter recht wild - aber distinguiert! wild - auf der nicht vorhandenen Bühne zu und die beiden Klarinettisten wagten sich auch in die überschaubare Menge. CC pflegte sogar zwischendurch am Busen der schönen Marketenderin Kunigunde van Heller zu ruhen, ohne jedoch deswegen das Spiel zu unterbrechen. Die Herrschaften genehmigten nach dem geplanten Programm noch vier Zugaben (oder fünf?) und kamen dann auf 'Da Capo' nochmals zurück, aber da waren wir schon 'A Vanti'. Ob´s 'hilft' weiß ich nicht, aber die Frage 'wer hat´s (Metal) erfunden' kann ich klar beantworten: Coppelius - schon vor 200 Jahren!

Bilder vom Konzert
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