Spielzeit: 73:35 (CD1), 63:26 (CD2) Medium: Do-CD Label: Concord Jazz, 2011 Stil: Jazz Review vom 15.02.2012 Wolfgang Giese

Drei Meister präsentieren eine Widmung an einen Meister. Gewürdigt soll das Werk des Pianisten Bill Evans (1929-1980) werden, der breit ausgelegte Spuren im Jazz und im Spiel vieler Pianisten hinterlassen hat. Einer jener, die viel von ihm lernten, ist Chick Corea, der sich einige Stilelemente von ihm aneignete.
Fünf der neunzehn Stücke entsprangen Evans' Feder und werden von diesem Trio auf ihre Weise interpretiert. Sowohl Eddie Gomez als auch Paul Motian kennen die Musik des Geehrten, waren doch beide einst Bestandteil einer der berühmten Trioformationen des Pianisten. Das kommt der Gestaltung dieser Widmung zupass.

Doch, und das vorweg, artet die Angelegenheit nicht darin aus, Evans' Titel stilistisch kopieren zu wollen, vielmehr werden sie eher auf besondere Weise neu interpretiert und auch die anderen Kompositionen atmen gleichwohl allenfalls den Geist des Meisters. Auffällig ist, dass der sonst oft die Schlagzeugfälle streichelnde Motian bereits im ersten Titel kraftvoll zur Sache geht.

Alle drei Musiker bringen ihre langjährige Erfahrung ein und stellen ihre jeweiligen Stärken heraus, jeweils ihren typischen Ausdruck bewahrend. So erleben wir Corea als denjenigen, den wir mit seinen lyrischen Ausflügen und seiner Virtuosität kennen; eben seinem ganz speziellen Sound, den er bereits zu Zeiten seiner Fusion-Phase pflegte. Gomez erleben wir mit seinem flüssig-elastischen, mitunter an Ron Carter erinnerndem Spiel und Motian als Gestalter, zu dem er sich im Laufe der Zeit immer mehr entwickelte. Traurigerweise kann diese Platte, "Further Explorations" betitelt, nun auch als Tribut an ihn gesehen werden, denn er verstarb er am 22. November des vergangenen Jahres.
Wir erleben hier eine Vorstellung dreier Individuen, die sich mittels großartiger Kommunikation einfühlsam verstehen und ein rundes Gesamtergebnis abliefern.

Der Titel darf als eine Fortsetzung der Platte "Explorations" von Bill Evans aus dem Jahre 1961 verstanden werden. So beginnen die Drei auch mit einem Song der genannten LP - Motian war übrigens damals auch dabei. Die Live-Aufnahmen stammen aus dem Blue Note in New York City, eingespielt im Oktober 2010. Ein Quell der Leidenschaft perlt aus den Lautsprechern und das in einem plastischen und warmen Wohlklang. Man befindet sich quasi mitten im Club.

Das ist Musik, die einerseits stark an Traditionen orientiert ist, in die aber auch ein Teil der Moderne, die von Evans mit eingeläutet wurde, Einzug gehalten hat. Auf "Turn Out The Stars" wird es gar recht 'frei'... eine minutenlange Improvisation zur Einleitung, Gomez ist hier recht bestimmend, nach etwa vier Minuten fließt der Song in eine schwebende Phase. Wieder einmal ist es Motian, der seine persönliche Spielweise zum Besten geben kann - ein Drummer, der nicht durch Superlative glänzte, sondern durch Individualismus, klasse!
Auf anderen Titeln ist es Corea, der auch einmal leichte Ausbrüche vorlegt, zum Beispiel auf "Rhapsody", doch stets kehrt er zu einem eher lyrischen Ton zurück. Wie ich bereits anmerkte, ist es mehr als korrekt, dass alle drei Musiker auf dem Cover als Interpreten aufgeführt sind, ist es doch eine hervorragende Gemeinschaftsleistung geworden.

"Further Explorations" ist mehr als nur eine bloße Widmung an Bill Evans. Das ist eine Verbeugung vor dessen Leistung, das ist ein Zeugnis dafür, dass die Musik Verstorbener nicht mit ihnen stirbt und die Verstorbenen durch Wahrung ihrer Ideen und die Weiterentwicklung derer in anderen Musikern weiter leben. Darauf könnte Evans stolz sein, würde er es noch erleben.

Line-up:
Chick Corea (piano)
Eddie Gomez (bass)
Paul Motian (drums)