Die Hamburger Musikszene zählt zu den kreativsten der Republik - und zu den wohltuendsten, weil sich deren Zurückhaltung von der 'Großmäuligkeit' vielerorts angenehm abhebt. Aber das ist natürlich ein ganz persönlicher Eindruck...
Das vor drei Jahren gegründete Quartett Cornilious ist das neueste Gewächs aus diesem Ambiente und konnte sich mit ihren Aufnahmen zum gleichnamigen Debütalbum gleich einen Plattenvertrag einhandeln.
Es ist ein eigenwilliger Sound, den uns die Band mit "Cornilious" präsentiert: vertraut und doch völlig neu - voller brodelnder Emotionen, sphärischer Spannweite und ohne strikte Fixierungen.
Positiv fällt zunächst mal auf, dass
Matt Steckmeister nicht - wie bei der Besetzung Gitarre/Bass/
Drums oft üblich - auf Solotrips rumschraddelt, sondern sich überaus mannschafts- und damit songdienlich einbringt. Mich erinnert die von ihm gelegte, atmosphärische Basis - man höre "My Head Stands Still" oder "That's When I Say" - häufig an
The Edge und seine Art, dem Sound von
U2, Fata Morganen gleich, eine flirrende Weite zu verleihen.
Bassist
Flo Rössler interpretiert seine Rolle ziemlich 'frei' und so ist sein Spiel reichhaltig mit allerlei Raffinessen gespickt - da dürfen ruhig auch mal ein paar Akkorde 'gedroschen' werden. Und so sorgt er eigentlich in gleichem Maße wie
Steckmeister für sphärische Stimmungen in
Cornilious' Sound. An den 'Fellen' gab es zwischenzeitlich einen Wechsel. Bei den Aufnahmen saß noch
Florian Dieckmann auf dem Schemel - nun hat
Daniel 'Danny' Sapcu seinen Platz eingenommen.
Cornilious' Aushängeschild ist natürlich
Criker Jökens ungewöhnliche Stimme. Faszinierend, was so ein bärtiger Hüne für Töne - fast 'zerbrechlicher' Art - aus sich herausholen kann. Er verleiht den melancholischen Grundstimmungen der Songs stets exakt die Phrasierungen, die den Kern treffen. In seiner Art erinnert mich
Criker ein ums andere Mal an den unvergesslichen
Kurt Cobain.... ebenso eindringlich, oftmals ebenso verletzlich...
Überhaupt kommen einem beim Hören von
Cornilious' Erstling - bei aller Eigenständigkeit der Strukturen - am ehesten noch die Bands des Grunge und ihre Epigonen des Post-Grunge in den Sinn. Die gelegentliche 'Zähflüssigkeit' der Arrangements kennt man von
Led Zeppelin, obwohl das derzeit noch eine andere Liga ist. Doch die vier Hamburger scheinen auf einem verdammt guten Weg zu sein - vor allem, weil es ihr eigener ist...
Anspieltipps? Eigentlich das ganze Album... in einem Rutsch. Ganz besonders berührt mich aber das eindringliche "Blood To Wine", bei dem ein Cello - wie im stillen "All The Reasons" - für wahre Gänsehautschauer sorgt. Das gleiche Reizgewitter, das man speziell bei
Nothing Else Matters empfinden kann. Das von hypnotischen Basslinien vorangetriebene "Toy Boy" nimmt mindestens ebenso gefangen. "Storm" spielt sehr schön mit stillen und 'stürmischen' Passagen. So hat eigentlich jeder Song seinen ganz individuellen Reiz - die zauberhafte Ballade "Naive" ebenso wie das epische "Capture A Flag", das von wütenden Bassattacken vorwärtsgepeitschte "Thats What I Say" oder das rumpelige "All Lies Before".
Einzig das abschließende "Zeig Dich" verwirrt etwas, was wohl dem 'Stilbruch' durch die deutsche Sprache nach neun englisch gesungenen Stücken geschuldet scheint. Wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, zählt es zu den schönsten Songs auf "Cornilious".