Cosmic Psychos
Down On The Farm / Same / Go The Hack
Down On The Farm/Cosmic Psychos/Go The Hack Spielzeit: Down On The Farm/Cosmic Psychos 69:02 (CD 1)
Spielzeit: Go The Hack 30:04 (CD 2)
Medium: CD
Label: Aarght Records, 2013 (1985, 1987, 1989)
Stil: Punk Rock, Garage Rock

Review vom 22.11.2013


René Francke
Willkommen zur heutigen Stunde in moderner Musikgeschichte! Wir alle kennen ja die brachialen und legendären Bands wie Iggy & The Stooges und die Ramones, nich' wahr? In gleicher Reihe steht noch eine ähnlich wüst-minimalistisch agierende wie stilistisch wegweisende Gruppe, deren Bekanntheitsgrad allerdings nie den der beiden erstgenannten erreichte. Die Rede ist von den Cosmic Psychos aus Australien. Dieser Name wird vermutlich nur den Nischenhörern unter uns etwas sagen, die schon in den 80ern mit Punk Rock-Musik aus Down Under in Berührung gekommen sind. Dabei spielt dieses Trio aus Melbourne eine ebenso musikhistorisch entscheidende Rolle im gigantischen Rockmusikkontext wie ihre Seelenverwandten Iggy Pop und die Ramones.
Warum? Nun, selbst wenn man wie ich die Musik der Cosmic Psychos erst jetzt, Ende 2013, also 30 Jahre nach ihrer Gründung, zum allerersten Mal hört, fügt sich doch sogleich ein weiteres Puzzleteil in den Stammbaum der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts ein. Und diese Ahnentafel ist mittlerweile so riesig und detailreich wie die Wandgemälde in der Sixtinischen Kapelle in Rom. Mit ihrem lauten, ungestümen, teils psychedelischen, halluzinativ wirkenden Punk Rock-Geschrammel, lieferten die Cosmic Psychos nicht weniger als die Babynahrung für die von Seattle ausgegangene Grunge-Bewegung Anfang der 90er. Nicht von ungefähr wurden und werden die Cosmic Psychos als einer der prägenden Einflüsse von Leuten wie Kurt Cobain (Nirvana), Butch Vig, Mudhoney, King Buzzo (Melvins) und Eddie Vedder (Pearl Jam) gehuldigt.
Nun erscheinen pünktlich zum dreißigjährigen Bestehen dieser großartigen australischen Punk Rock-Combo die drei ersten Veröffentlichungen "Down On the Farm" (1985), "Cosmic Psychos" (1987) und "Go The Hack" (1989) als aufgefrischtes Kombipaket - die ersten beiden zusammengefasst auf einer, die dritte auf einer zweiten CD. Wobei sich das Wort 'aufgefrischt' lediglich auf die aufgemotzte Klangqualität bezieht, denn weitere Bonbons wie Fotos aus oder Texten zu den vergangenen drei Banddekaden sucht man hier vergeblich. Den Namen 'Booklet' hat das Innenleben dieser CDs aufgrund seiner Materialarmut somit nicht verdient. Vielleicht gibt es ja davon mehr bei der kürzlich erschienenen DVD "Blokes You Can Trust", dem bandbiographischen Dokumentationsfilm, der in diesem Jubiläumsjahr - wenn auch nur in australischen und amerikanischen Kinos - lief.
Vielleicht aber auch nicht. Denn mich beschleicht das Gefühl, dass dieser Minimalismus bewusst von der Outback-Truppe gewählt ist, um sich nicht am Ende wie andere alternde Kapellen auch als ausverkaufende Opabande beschimpfen lassen zu müssen. Letztendlich gibt ohnehin die Musik den Ton an. Und diese ist bei den Cosmic Psychos seit jeher eine dreckig-wilde Melange aus rohem, dissonanten Punk ("Going Down"), hypnotischem Garage Rock ("Rain On You", "Back In Town") und, wenn man so will, ersten Ansätzen von dem, was später als Grunge in die Musikgeschichte eingehen sollte ("Quarter To Three"). Im Opener "Custom Credit" ist zudem ein prophezeiender Stoner Rock-Vibe herauszuhören. Und ein Stück wie "Tell Me That You Love Me" könnte sogar als Inspirationsquelle für die frühen Green Day Anfang der 90er durchgehen. Zum Klanguniversum der Cosmic Psychos gehören auch, oder vor allem, minutenlange Wah-Wah-Rückkopplungseskapaden des Gitarristen Peter Jones, die stets durch ein monoton und stoisch stampfendes Schlagzeug-Bass-Gerüst von Ross Knight und Bill Walsh gestützt werden ("Crazy Woman").
Sie selbst zählen zu ihren Einflüssen in erster Linie: Bier. Sie zelebrieren ihr ausdauerndes Trinkverhalten - was unter Punk-Rockern in aller Welt schließlich zur Lebensphilosophie gehört - und ihre vulgären Texte, wodurch sie neben The Onyas, The Vee Bees und ThundaBox als die stilprägende Band des sogenannten Yob Rock angesehen werden. Der Slangbegriff 'Yob' ('Boy' rückwärts) oder abgewandelt 'Yobbo' steht für einen ungehobelten Kerl der Arbeiterklasse, zu dessen Hobbies Saufen und Schlägereien gehören, also dem typisch männlichen Lebensstil eines Aussies wie den Kerlen von Cosmic Psychos. Nun fragt man sich als zur Vernunft tendierender Mensch bei einem solch zweifelhaften künstlerischen Konzept, warum man sein Geld für ein paar Grobiane ausgeben sollte, die stumpfsinnige Punk Rock-Texte grölen. Genau darin liegt die unheimliche Anziehungskraft der Cosmic Psychos.
Denn dieses Trio lebt nicht nur die rüde und zerstörerische Punk-Mentalität, sie kannte vor allem in ihren Anfangstagen Mitte der 80er auch keine Genregrenzen: Tranceartige Jams à la Led Zeppelin führen zu Songlängen jenseits der berüchtigten radiokompatiblen Drei-Minuten-Marke, jede Menge trashiger Groove ("Jellyfish", "Pub") sowie dröhnender Punk & Roll ("David Lee Roth", "Lost Cause") sind hier als die Innovationsmerkmale der Psychos zu nennen. Oder aber auch Krautrock-New Wave-Ansätze: Beim grotesken "Gangrene Dream" beispielsweise werden über sechs Minuten lang abwechselnd Ausschnitte aus Hitlers Hass- und Martin Luther Kings Friedensreden aus dem Kontext gerissen und nebeneinander gehalten, wodurch erschreckenderweise Parallelen im Wortlaut erkennbar werden, auch wenn natürlich die Ziele und Einordnung dieser beiden Geschichtsfiguren unterschiedlicher nicht sein könnten. Diese schrille Audio-Collage wird zudem mit einer verstörend-psychotischen Klangstaffel angeflogen - das ist auch nach 30 Jahren noch immer provozierende Kunst.
So gesehen sind die Cosmic Psychos Pioniere, deren Platten nichts von ihrem zeitlosen Kampfgeist gegen den Mainstream-Gedanken verloren haben. Dieses neu herausgegebene Dreierpack ist eine hervorragende Möglichkeit, die kosmische Musik der Psychos kennen- und den monumentalen Stammbaum der Musik unserer Zeit lesen und verstehen zu lernen. Auf allen drei CDs ist für jeden Freund von Punk, Garage Rock, Grunge und psychedelischen Klängen garantiert etwas dabei. Doch aufgepasst: Suchtgefahr! Und damit schließe ich die heutige Stunde - auf Wiederhören!
Line-up:
Ross Knight (bass, vocals)
Peter Jones (guitar, vocals)
Bill Walsh (drums, vocals)
Tracklist
Down On The Farm:
01:Custom Credit
02:Down On The Farm
03:She's A Cat
04:Crazy Woman
05:Gangrene Dream
Go The Hack:
01:Lost Cause
02:Rip'N'Dig
03:She's Crackin' Up
04:Out Of The Band
05:Alright Tonite
06:Pub
07:Back In Town
08:Elle
09:Go The Hack
Same:
01:Decadence
02:Going Down
03:Lead Me Astray
04:No Complications
05:Rain On You
06:Quarter To Three
07:Tell Me That You Love Me
08:Jellyfish
09:Rambo
10:Can't Come In
11:74 Seconds
12:David Lee Roth
13:Custom Credit
14:No Money
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