Cowboy Mouth / Voodoo Shoppe
Voodoo Shoppe
Cowboy Mouth gehören zum musikalischen Inventar von New Orleans und machen dort seit 15 Jahren fröhlich-harten Rock'n'Roll. Allerdings nicht mit den sonst üblichen Zutaten der Mississippi-Metropole, sondern mit einem gewaltigen Schuss Punk, Wave und Adrenalin.
Wenn die Songs von ihrer mittlerweile zwölften CD aus den Boxen knallen, taucht vor meinem geistigen Auge eine Mittzwanziger-Truppe mit schrägem Outfit auf, die nach ihrem Gig stockbesoffen und bedröhnt von der Bühne kippt.
Aber so kann man sich täuschen: Die drei Herren und die Dame sind wohl um die 40 und machen auf den aktuellen Fotos eher den Eindruck einer good ol' Countryband. Lediglich Fred LeBlanc reisst die Klappe auf. Gut gehalten und vor allem die Mucke fangfrisch, da bleibt auch mir der Mund sperrangelweit offen! Cowboy Mouth ist nicht nur in den Clubs der Stadt ein Top-Act, auch beim diesjährigen Jazz&Heritage-Festival gehörten sie zu den Absahnern und verkauften die meisten CDs vor Ort.
Die Band verkörpert die Lebensfreude ihrer Stadt, das ist unüberhörbar. Der Großteil der meist schnell gespielten Songs ist vor der Katrina-Katastrophe entstanden und eindeutig die Musik einer Generation, die nix mit Blues, Jazz, Funk, Swamp Pop oder Marching Bands, aber dafür viel mit The Clash & Co. am Hut hat. Und Spaß verstehen sie auch, nur bei einem nicht: Wenn die aufgestylte Tussi keinen blassen Schimmer hat, wer Joe Strummer war! Der Einfluss der Londoner Punk-Ikonen zieht sich vor allem durch die ersten Stücke, der aufgedrehte Powersound feiert fröhliche Urständ und fährt auch mir, der damals mit dem 'Rumgerotze' wenig anfangen konnte, voll in die Knochen.
Die drei Männer teilen sich die Lead- und Backingvocals und das ist eine der großen Stärken. Joe Strummer fetzt gleich dermaßen aus den Boxen, dass ich verschreckt die Scheibe erstmal wieder aus dem Player genommen hab. Bei "Misty Falls" ist es die geile Stimme, die dem Song den Extra-Kick gibt. "Winds Me Up" hämmert sich mit knallharten Gitarrensounds im Stakkatorhythmus ins Hirn. Herzzerreißendes, aber nicht weniger Fetziges dann mit "Hole In My Heart", spätestens der Song wäre früher wochenlang in den Musikboxen rauf und runter genudelt worden. Der Titeltrack handelt davon, dass sich hinter den Voodoo-Ramschläden des French Quarters vielleicht doch mehr verbirgt, als nur billiger Touristenkitsch - take care stranger (und Hörer, du auch - die dunkle Magie hat dich mit diesem Riff schon am Wickel …)!
Da wirkt "Slow Down" fast schon laid back, ein bisschen Stranglers, ein bisschen Police mit schönen Chorsätzen - es geht auch anders und das ganz gut. Bei "This Much Fun" und "Glad To Be Alive" 'clasht' es wieder, die Gitarren schrubben und beim Schlagzeug ist Doppelstock-Einsatz angesagt.
Die restlichen Tracks zeigen andere Seiten der Band, ohne jedoch damit aus dem Rahmen von "Voodoo Shoppe" zu fallen. "Supersonic" ist ein AOR-Song, der nicht weniger reinknallt. Zwei Nummern härter kommt "I Told Ya" aus den Wandlern, Schwermetall-Riffs, verzerrte und verhallte Leadvocals, die Meute röhrt und der Herr am Amboss hat den großen Hammer ausgepackt.
Die fehlenden beiden Songs sind im unmittelbaren Eindruck des verheerenden Hurrikans entstanden. Zwei klare, bewegende Bekenntnisse zur Stadt, »where the good Times roll«.
"Home" - nie war das Bild der 'levee breaks' treffender. Ein klasse Song, freigesetzte Emotionen im Angesicht der Katastrophe, ebenso wie in der melancholischen Hymne "The Avenue", bei der selbst die Streicher verzeihbar sind. Die Band hat ihre eigene Stiftung für die Katrina-Opfer, in der Erlöse aus dem Plattenverkauf einfließen.
Die ganze Scheibe ist absolut partytauglich, sofern nicht ausschließlich erzkonservative Mattenträger, neoliberale Glatzen oder Esotherik-Herzchen anwesend sind. Auch für Tupper-Orgien oder die Vor-22 Uhr-Kurschatten-Abschlepprunde nicht unbedingt geeignet. Aber ansonsten: Spaßfaktor 10!
Line Up:
Fred LeBlanc (drums, vocals)
Paul Sanchez (guitar, vocals)
John Thomas Griffith (guitar, vocals)
Sonia Tetlow (bass)


Spielzeit: 41:31, Medium: CD, Eleven Thirty Records, 2006, Rock
1:Joe Strummer 2:Misty Falls 3:Winds Me Up 4:Hole In My Heart 5:Voodoo Shoppe 6:Slow Down 7:This Much Fun 8:Supersonic 9:I Told Ya 10:Home 11:Glad To Be Alive 12:The Avenue
Norbert Neugebauer, 27.08.2006