The Dave Chastain Band / Legacy
Legacy
Donnerwetter, es ist wirklich nicht leicht, im Dschungel der Musikschaffenden auch nur ansatzweise den Überblick zu behalten. Da hilft die beste 'Durchblick-Machete' nichts! Und dass immer mehr Künstler aus der Not heraus ihren kreativen Output im Eigenvertrieb anbieten (müssen), macht die Sache wahrlich nicht übersichtlicher.
Da ordert doch Kollege Olli 'Wahn' Wirtz die 2005er Scheibe einer Formation namens The Dave Chastain Band in der Erwartung, Mr. Chastain möge doch hier wie seit Mitte der 80er Jahre gewohnt und geschätzt, beherzt in die (metallischen) Saiten greifen. Aber, weit gefehlt, es wird zwar tatsächlich mitunter beherzt in die Saiten gegriffen, nur mitnichten metallisch, sondern ausgesprochen bluesy, in der Tradition von Albert King, Freddie King, Albert Collins oder natürlich auch Jimi Hendrix stehend, in den 'sophisticated moments' auch an den poppigen Groove-Clapton gemahnend ("I'd Rather Be Blind"), sehr flüssig und mit melodischem Sound gespielt - das ist natürlich kein Holz, aus dem Metaller geschnitzt sind.
Des Rätsels Lösung:
Der Kollege hatte Mr. David T. Chastain im Kopf, der seit ca. 20 Jahren mit metal- oder bluesrockorientierten Platten für gewisse (Insider)Furore sorgt.
Bei Dave Chastain handelt es sich dagegen um einen Gitarristen/Sänger aus dem mittleren Westen der USA, der seine erste Platte 1980 herausbrachte ("Rockin' Roulette"), auf der vor allem sein "Highway Man" für Furore sorgte. Diese klassische Southern Rock-Hymne hätte vermutlich einige Jahre zuvor der Renner überhaupt werden können, 1980 dagegen war hierfür der Zug im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren. Auch der Rest des Albums überzeugte durch feine Southern Rock-Tunes und starkem Countryeinschlag. Hätte er dieses Teil doch nur 5 Jahre zuvor rausgebracht, der Name Dave Chastain hätte vermutlich zumindest einen klitzekleinen Ehrenplatz in der popularmusikalischen Historie einnehmen können.
So aber verschwand der Mann bis heute außerhalb Illinois in der Versenkung, brachte noch das Album "Something For The Pain" heraus und funkt erst jetzt wieder mit "Legacy" neue Lebenssignale.
Wobei funken fast wörtlich genommen werden kann, denn bei Nummern wie "Highway Man" oder "This Ol' World" gibt es wahrlich funky-Grooves auf die Gehörgänge. "Tell Me Why" entpuppt sich schnell als neuer Autobahn/Highway - Klassiker, ich jedenfalls kam auf der Rückfahrt von Grevenbroich aus dem Mitsummen/-schmettern nicht mehr heraus, dazu gibt's wie fast auf dem ganzen Album eine feine Orgel ('Bear' G. Michael Graham), ein Bruce Hornsby-like Piano und ein tolles Gitarrensoli zum Abschluss, wo Dave Chastain schon mal den Claim absteckt.
"Ridin' With The Wind" kommt wie eine Mischung aus späteren Jeff Healey (ca. 2000) und Christopher Cross(!) daher, mit herrlich groovigem Bass (Jaimie Jenkins), Saxophon, akzentuierten Qualitätsgitarrenlicks, es fließt geradezu aus den Boxen. Dazu gehört natürlich auch das präzise Drumming von Larry Wigand.
"Highway Blues" zitiert "Life In The Fast Lane" von den Eagles, die Orgel röhrt und liefert sich mit Dave ein herrliches Interplay, welcher ansonsten hier wie auch überhaupt wirklich hörenswerte Soli vom Stapel lässt, mit einer flüssigen, melodischen Grundausrichtung, die nicht jeder aus einer Strat in dieser Qualität herausholen kann. Zusätzlich hören wir eine unwiderstehliche Rhythmusgitarre und wie auf der ganzen Scheibe erklingt sein Spiel mal im linken Kanal und mal im rechten. Ab und zu ertönt es auch aus beiden zugleich, dann haben wir den Southern Rock-like Twingitarreneffekt oder eine Art 'Wall Of (Guitar)Sound'.
Aber Southern Rock ist im Grunde auf dieser Scheibe nur ein unterschwelliges Thema. Explizit taucht dieses Genre nur im Rausschmeißer des Albums auf, was aber auch kein Wunder ist, denn es ist die Neuauflage seiner Übernummer "Highway Man" mit überragender Orgel und fantastischen Gitarrenläufen aus allen Kanälen.
"Angel Of Love" erinnert mich dagegen noch einmal an Jeff Healey, da es die Grundstimmung von dessen 1988er "Angel Eyes" (vom "See The Light" Album) verbreitet.
Im Folgenden hören wir viele bluesige Tunes, mal geshuffelt ("Leave This Town") mit Harp, klasse Slideguitar mit Duane Allman-Reminiszenzen und Honky-Tonk-Piano, mal mit Blues 'n' Booze-Feeling ("Baptized In The Blues" - mit Bier?), mal ausgesprochen gefühlvoll angelegt ("Riverside City Blues" - ein Highlight!), mit hervorragender Orgelbegleitung und passendem Bar-Piano und mal als Slow-Blues-Groover ("Keeps Me Strong"), der irgendwie aufs Angenehmste an die Allman Brothers Band gemahnt und zusätzlich durch ein Saxophon gewürzt wird.
"I'd Rather Be Blind" ist dagegen ein fast poppiger R&B Mitwipper mit Soul- und Gospeleinschlag, der mich fast an eine Kreuzung von Eric Clapton, Frankie Miller und Van Morrison denken lässt. Faszinierend!
Und schließlich haben wir da noch den Rock'n'Roll/Rockabilly-Shuffle von "Son Of A Guitar Man", der fast von Dave Edmunds stammen könnte. Hört euch nur mal das kurze Gitarrensolo an - hier trennt sich wirklich die Spreu vom Weizen!
Fazit:
Wir haben es bei diesem Produkt mit einem wirklich tollen Kleinod zu tun, sehr abwechslungsreich und doch in sich stimmig und fließend, mit einem hervorragenden (Strat)Gitarristen und formidablen Sänger, sehr gut durchkomponierten Songs, die sicherlich keinerlei Innovation versprühen, nichtsdestotrotz aber gewaltig Spaß machen, vor allem auf langen Autofahrten und somit für alle wärmstens empfohlen, die mit den genannten Musikern/Gruppen etwas Positives anzufangen wissen!
Wer das 1980er "Rockin' Roulette" Album kennt, wird sicherlich zunächst etwas irritiert sein, aber das legt sich - garantiert!
Und, na ja, für Metaller ist dieses Werk natürlich nix.


Spielzeit: 55:42, Medium: CD, Eigenvertrieb, 2005
01:Tell Me Why (4:02) 02:Ridin' With The Wind (4:47) 03:Highway Blues (5:05) 04:This Ol' World (4:51) 05:Angel Of Love (3:40) 06:Baptized In The Blues (4:59) 07:Riverside City Blues (5:15) 08:Leave This Town (4:42) 09:I'd Rather Be Blind (4:09) 10:Keeps Me Strong (5:00) 11:Son Of A Guitar Man (3:27) 12:Highway Man (5:32)
Olaf "Olli" Oetken, 13.10.2005