Rebellen - gibt es sie wirklich? Wo kommen sie her? Wie sehen sie aus? Sie rebellieren? Sie sind jung! Sie herrschen. Sie rhythmieren. Sie klingen. Sie singen! Sie führen bedingungslos. Man folgt ihnen bedingungslos. Sie leuchten. Und alles erstrahlt. Sie enden. Und alles endet...
Diese mythische Aura umgab Eddie Cochran und Gene Vincent als sie im Januar 1960 erstmals zusammen europäisches Festland betraten. Im Gepäck das Patent einer Jahrhunderterfindung: The Rock And Roll.
Zwei untypische Typen, die dem gewünschten Sunnyboy-Format der US-Charts in den späten Fünfzigern nicht recht anzupassen waren und folglich das Feld resignierend den lächelnden, pflegeleichten Frankie Avalons dieser Tage überlassen mussten. Während Elvis längst als gemachter Mann die Revolution für sich beanspruchte, geriet Eddies Karriere nach mühevollen, doch letztlich ansehnlichen Erfolgen mit dem Katapult-Hit "Summertime Blues" an einen Wendepunkt, der ihn schließlich nach Europa führte, und das sollte ihm überraschenderweise zu Füßen liegen. Eine solche Ehrerbietung blieb dem Rock'n'Roll-Allrounder im heimatlichen Amerika unerklärtermaßen versagt.
Gene Vincent - der silk-soften Wildcat, dem geheimnisvoll gefährlichen, grollenden Underdog erging es nicht anders. Seine Debüt-Single "Be-Bop-A-Lula" verkaufte sich auf Anhieb 200.000 mal und ließ den vielversprechenden Outsider in die Top Ten vorpreschen, doch dieser One-Hit-Erfolg blieb sein einziger im gelobten Land. Gene, der traurige Held einer dieser unbarmherzigen Geschichten, die das Leben schreibt, litt durch einen Unfall, der ihn fast ein Bein kostete, fortan unter permanenten Schmerzen. Seine eingeschränkte Beweglichkeit, die beinah karikierende schwarze Lederkluft und seine markante großgliedrige Silberkette, die er stets trug, zeichneten das Zerrbild eines klagenden, bitter kämpfenden Märtyrers, des regungslosen Rock'n'Rollers inmitten der tanzwütigen Hysterie eines musikalischen Phänomens.
Eddie Cochrans Erscheinung, wie sie kontrastierender nicht hätte sein können, reflektiert distinktiv die Figur des attraktiven, bodenständigen und dennoch charmant-verschlagenen Teenagerlieblings.
Das Aufeinandertreffen dieser zwei diamantenen Rock'n'Roll-Gesteine bei ihrer ersten und letzten Tournee durch das Vereinte Königreich ist Gegenstand der Compilation "Rock'n'Roll Rebels" des SPV Yellow Labels. Zusammengestellt wurden dabei Aufnahmen der in den frühen Sechzigern beliebten englischen Show "Boy Meets Girls" und der bekannten BBC-Sendung "Saturday Club", alle entstanden im Zeitraum zwischen Januar und März 1960.
Los geht's mit vier Ausgaben der Reihe "Boy Meets Girls", souverän konferiert vom smarten Marty Wilde, der zunächst Eddie Cochran in jeweils kurzen Interviews vorstellt. Wildes schnittig-lässigen Ankündigungen folgt Dompteur Cochran auf's Wort in die Manege und entfesselt die damals brandheißen Chartstürmer "Hallelujah! I Love Her So", das Eddie-Trademark "C'mon Everybody" und "Something Else". Jeder der Ed-cool flambierten Zweiminüter wird von einem dauerkreischenden Sweet-Little-Sixteen-Publikum frenetisch gefeiert. Eddie gibt unablässig Zunder und die Teen-Girls schreien ebenso "Money Honey" und natürlich "Summertime Blues" erbarmungslos nieder. Die Tonqualität birgt hierbei für ein sauberes, gleichmäßig hohes, chorales Dauer-"C", auch nach kaum fassbaren 50 Jahren, die diese Live-Dokumente tatsächlich zählen.
Cochran ist der Showman, gibt sich ultra-locker und pariert Wilde auf die Suggestiv-Frage: »Eddie, they tell me, you're as handy with the gun as you are with the guitar?«, »Well, I was raised in Minnesota!« Sprach's und feuerte - über Kimme und Korn - "Twenty-Flight Rock" in den Wild-Girl's-Mob. Authentischer als in diesen Schulbeispielen lässt sich das Faszinosum des R'n'R nicht veranschaulichen. Es sei denn man rewindet erneut und schaltet auf UKW 99,9 Fahrenheit Degrees, um der altehrwürdigen BBC zu lauschen, wenn Brian Matthew am 5. März 1960 standesgemäß den "Saturday Club" eröffnet...
Gast der schwer angesagten vormittäglichen Radio-Sendung war an jenem Samstag Gene Vincent, der sich eingangs mit seinem drängenden Anliegen in klassischen 1:58 vertrauensvoll an eine der wohl wichtigsten weiblichen Personen überhaupt wendet: "Say Mama". Gene, das buchstäbliche Raubein mit der zärtlichen und gleichsam qualvoll getriebenen Stimme gibt im anschließenden traditionellen Frage-Antwort-Teil gern zu, wie schmeichelhaft es für ihn sei, aller-englischen-orten fanatisch begeistert empfangen worden zu sein.
Ob er wusste, dass in Sheffield Joe Cocker, in Liverpool George Harrison zu diesen Fanatikern gehörten? Auch Eddie hat nicht ahnen können, dass die Rolling Stones, Beatles, Who, Move ihre ersten praktischen Lehrstunden in ihren Thunder-Shows nahmen.
Unschuldig assistiert Eddie, The Cochran am 12. März '60 einmal mehr Brian Matthew bei der Erfüllung von Hörerwünschen im Saturday Club, erklärt dann, wie viele vor und nach ihm, die überdimensionale Bedeutung Robert Johnsons, im fabelhaften, urtümlich interpretierten "Milk Cow Blues". Erfreulich kristall-klar dringen diese Studio-Recordings ins swingende Ohr, im Gegensatz zu den in den Live-Mitschnitten von "Boy Meets Girls" durch die Schrei-Attacken der Baby-Girls förmlich zwangsweise in den Hintergrund 'gemischten' Cochran-Stücken.
Eddie schickte sich an, die 'Kragenweite' Europa für ihn zu konfektionieren. Seine umfassenden Talente als Multiinstrumentalist, Song-Schreiber, Sänger und erstklassiger Unterhalter gepaart mit den visionären, universalen Ambitionen eines Bobby Darin sahen auf dem alten Kontinent womöglich eine weitaus vielschichtigere Karriere als die des Kurzzeit-Rock'n'Roll-Stars vor.
Gene, der Man in black, stand immer etwas im Schatten von Eddie, füllte jedoch sein seltsam anziehendes, mysteriöses Halbwelt-Image verstörend glaubhaft aus. »A fist in a velvet glove« versinnbildlicht Harry Shapiro den Gesang Genes und beschreibt pittoresk schön sein samtweich-ungestümes Wesen. Vincent & Cochran verkörperten Dean & Brando - die greifbar gewordenen, umjubelten Leinwandhelden auf den magisch bewegenden, filmreifen Bühnen des Rock'n'Roll-Lebens und stellten manch protokollierenden Zeitzeugen vor unlösbare Rätsel: So scheitert beispielsweise George Elgin im Liverpool Daily Echo an der Berichterstattung einer Gene-Eddie-Night im Empire fassungslos kapitulierend: »Der einzige Mann, der zu einer Rezension dieser Show vielleicht fähig wäre, ist ein Psychiater! Niemand sonst könnte das verstehen oder erklären.«
»Schon Bill Haleys "Rock Around The Clock" brachte Schund und Schande über die Kinos im Lande...« ironisiert Harry Shapiro augenzwinkernd in seinen Liner-Notes. »Doch nun standen die Barbaren vor den Toren der Stadt!«... Diese 'Stadt' aber sollte in tragischer Endgültigkeit von jener wundersamen Heimsuchung verschont bleiben.
Eddie Cochran verunglückte am 17. April 1960 bei einem Auto-Unfall tödlich. Gene Vincent, der im selben Wagen saß, überlebte schwerverletzt wiederum an seinem kranken Bein. Er schied nach jahrelangen, duldsam ertragenen Schmerzen (eine ärztlich angeratene Amputation hatte er immer abgelehnt) und zermürbender, anhaltender Erfolglosigkeit 1971 aus dem Leben auf der Überholspur.
Jeder, der die Worte Rock'n'Roll buchstabieren kann, sollte das beim Hören dieser historischen Aufnahmen leibhaftiger Außerirdischer tun!
Mögen die letzten wahren Rebellen als Schicksalsgefährten im Frieden und Glanze ihres unvergessenen, einzigen Duetts "White Lightnin'" ruhen.
Ihr unsterblicher Mythos wird weiter leben.
Tracklist |
01:Introduction (0:24)
02:Hallelujah! I Love Her So (2:15)
03:C'Mon Everybody (1:42)
04:Play Somethin' Else (1:49)
05:Play Interview with Eddie Cochran (0:54)
06:Play Twenty-Fight Rock (1:42)
07:Play Introduction (0:17)
08:Play Money Honey (2:12)
09:Play Have I Told You Lately That I Love You (1:36)
10:Hallelujah! I Love Her So (2:23)
11:Closing Announcement (0:52)
12:Summertime Blues (1:53)
13:Milk Cow Blues (3:02)
14:Introduction & Interview with Eddie Cochran (0:53)
15:I Don't Like You No More (2:51)
16:Sweet Little Sixteen (2:35)
17:Introduction (0:11)
18:White Lightnin' (1:33)
19:Interview with Eddie Cochran at Gaumont Ipswich 24th January (3:10)
20:Theme & Introduction (1:11)
21:Say Mama (1:58)
22:Interview with Gene Vincent (0:39)
23:Summertime (2:54)
24:Interview with two of Eddies fans (1:02)
25:Somethin' Else (2:15)
26:Hallelujah! I Love Her So (2:22)
27:Wildcat (2:17)
28:My Heart (1:40)
29:What'd I Say (3:08)
30:Interview with Eddie Cochran (0:52)
31:Milk Cow Blues (3:08)
32:Rocky Road Blues (2:34)
33:Twenty-Flight Rock (1:41)
34:Be Bop A Lula (3:46)
35:C'Mon Everybody (1:53)
36:Closing Theme (0:27)
37:Sittin' In The Balcony (2:07)
38:Twenty-Flight Rock (1:43)
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Externe Links:
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