Glen Campbell / Ghost On The Canvas
Ghost On The Canvas Spielzeit: 42:10
Medium: CD
Label: Surfdog, 2011
Stil: Pop


Review vom 06.09.2011


Wolfgang Giese
Vielleicht schließt sich ja nun ein Kreis. Der 'Rhinestone Cowboy', der am 22. April 1936 geborene Glen Campbell, war in jungen Jahren an Phil Spectors 'Wall Of Sound' beteiligt. Er gehörte jener Studiomannschaft von Profis an, die seinerzeit so manche Hitplatte begleitet hatten, unter ihnen Musiker wie der Jazzer Barney Kessel, James Burton, Jim Horn, Leon Russell oder Jim Gordon. Und diese neue Platte, "Ghost On The Canvas" betitelt, ist ebenfalls sehr stark in den Arrangements ausgeschmückt!
Aber Campbell nur daran und an seinen Country-Ausflügen fest zu machen, käme seiner Bedeutung nicht zurecht, obwohl er 2005 in die 'Country Music Hall of Fame' aufgenommen wurde. Denn auch als Schauspieler und Fernsehmoderator war Campbell aktiv. So manchem heutigen Star half er auf die Beine, bezeichnend die Country-Stars Alan Jackson und Keith Urban.
Seine frühen Hits entstanden oft in Zusammenarbeit mit Jimmy Webb ("By The Time I Get To Phoenix", "Wichita Lineman", "Galveston") und sein Durchbruch gelang mit "Gentle On My Mind" von dem Countrymusiker John Hartford.
»The final Studio Album« heißt es auf seiner Website, das macht mich ein wenig betroffen, denn dann halte ich hier wirklich etwas ganz Besonderes in der Hand - etwas, das wie ein Vermächtnis daher kommt, wie eine Zusammenfassung, ein Schlussstrich. Glen schreibt dazu: »Ghost On The Canvas is the last Studio Record of new songs that I ever plan to make.«. Grund dafür ist die Alzheimer-Erkrankung, die dem Künstler während der Aufnahmen zu dieser Platte diagnostiziert wurde und ihn wohl zu dieser Äußerung veranlasste. Das dürfte sich insofern auch auf die Betrachtung der Musik auswirken.
Ungeachtet dessen ist es jedoch wirklich ganz besondere Musik, die auf "Ghost On The Canvas" entstanden ist. Die Platte beginnt mit dem einleitenden kurzen "A Better Place" mit folgenden Worten: » I've tried and I have failed, Lord, I've won and I have lost, I've lived and I have loved, Lord, sometimes at such a cost. One thing I know, the world's been good to me, a better place...« Ich bin schon gleich gepackt von dieser melancholischen Atmosphäre, der angesichts der Fakten viel Tragik anhaftet. Es folgt der von Paul Westerberg (The Replacements) geschriebene Titelsong, hervorragend eingesetzte Streicher, ein echter Ohrwurm. Seit Tagen geht mir dieser Titel nicht mehr aus dem Kopf. Das ist großartige Popmusik mit wirklich allem, was dazu gehört, etwas 'Airplay' und das Teil könnte in die Charts schießen.
Die 'Interludes' , also die Sequenzen zwischen einigen Stücken, vermitteln eine teils gespenstische Atmosphäre und erscheinen wie Traumsequenzen. Komponiert wurden sie von Roger Manning, manchmal scheint es, als würde man unter anderem zurückblicken, z.B. auf die Kindheit, man höre in diesem Zusammenhang "Valley Of The Son".
Mitunter geht es auch rockig zupackender zu, wie auf "A Thousand Lifetimes", dann wieder scheint man in einem Meer von Harmonien zu ertrinken ("Any Trouble"). Eine Zusammenkunft von gewaltigen Aufschichtungen von Instrumenten - inklusive Streichern und Background Vocals - und das gleich bei mehreren Titeln, aber nie zugekleistert, sondern alles an seinem Platz, und sei es wie aus dem Nichts eine 'jangelnde' Gitarre - nur so als Einwurf - und auch mal Glocken, so wie es Phil Spector einst verwendete ("Strong", ganz klasse gemacht!). Manchmal erinneren Teile von Songs an das Electric Light Orchestra ("In My Arms"), das gleich mit zwei Gastgitarristen auffährt, die ihre typische Gangart präsentieren - stark natürlich, den guten alten Dick Dale mit dem verhallten Surfsound mal wieder zu hören!
Manchmal erinnere ich mich bei dem einen oder anderen Song an all' die frühen Erfolge. Einen starken Hitcharakter weist für mich auch der Titel "It's Your Amazing Grace" auf! Es fällt mir ansonsten schwer, einen speziellen Song hervor zu heben - alles ist aus einem Guss. Die Platte hat meiner Auffassung nach keine Schwachpunkte in ihrem Ablauf, ganz im Gegenteil: Ich bin traurig, wenn das letzte Stück erreicht ist. Doch zuvor erinnert "The Rest Is Silence" gewaltig an die Beach Boys, mit denen er zu deren Glanzzeiten ebenfalls - im Studio wie live - musizierte. Und dann dieser großartig arrangierte Schlusspunkt, die Streicher umgarnen etwas, das wie ein Spinett klingt, hier klingt Jimmy Webbs Handschrift stark durch - ein packender Song, ein kleines Juwel zum Abschied, das mir kalte Schauer über den Rücken laufen lässt. Glen Campbell ist mit Fünfundsiebzig noch gut bei Stimme, nur gelegentlich kratzt sie ein wenig, aber ihr Ausdruck ist ungebrochen. Ein Blick in das Line-up zeigt auch hier wieder prominente Gäste, die mithelfen, diese großartige Platte zu einem würdigen Abschluss zu bringen.
Mir wird ganz schummrig und nachdenklich, wenn ich daran denke, dass dies wirklich Glens letzte Platte sein soll, ich drücke ganz fest die Daumen, dass er weiter machen kann! Ansonsten hätte er mit dieser wuchtigen Musik ein Vermächtnis der hervorragenden Art hinterlassen, ein dann wirklich bewegender Abschied.
Line-up:
Glen Campbell (vocals, guitars)
Julian Raymond (vocals)
Brian Setzer (guitar -#7, 16)
Rick Nielsen (guitar - #16)
Billy Corgan (guitar - #16)
Dick Dale (guitar - #7)
Dandy Warhols (#14)
Marty Rifkin (dobro, pedal steel - #16)
Chris Isaak (vocals - #7)
(Rest nicht bekannt)
Tracklist
01:A Better Place [Campbell/Raymond]
02:Ghost On The Canvas [Westerberg]
03:The Billstown Crossroads [Manning]
04:A Thousand Lifetimes [Campbell/Grey/Raymond]
05:It's Your Amazing Grace [Campbell/Raymond]
06:Second Street North [Manning]
07:In My Arms [Thompson]
08:May 21st, 1969 [Manning]
09:Nothing But The Whole Wide World [Jakob Dylan]
10:Wild And Waste [Manning]
11:Hold On Hope [Pollard]
12:Valley Of The Son [Manning]
13:Any Trouble [Westerberg]
14:Strong [Campbell/Raymond]
15:The Rest Is Silence [Manning]
16:There's No Me…Without You [Campbell/Raymond]
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