Joe Cocker / Hard Knocks
Hard Knocks Spielzeit: 39:08
Medium: CD
Label: Sony Music, 2010
Stil: Pop

Review vom 29.09.2010


Wolfgang Giese
Joe Cocker vorzustellen, hieße Eulen nach Athen zu tragen, daher kann ich mir das sparen. Womit bringt man den Sänger aus Sheffield eigentlich in Verbindung? Jede(r) vielleicht auf ihre/seine Weise, hat der Mann doch mittlerweile eine Menge Phasen durchlebt und vielleicht auch unterschiedliches Publikum angesprochen.
Joe Cocker selbst soll ausgeführt haben, er habe nun eine moderne Platte machen wollen. Nun, da hege ich Zweifel, denn nach heutigen Chartsmaßstäben ist diese Musik sicher nicht typisch modern geworden. Vielmehr hat sie ihre Wurzeln in der Summe vieler Stile der Vergangenheit. Da sind Soulelemente im Pop, da groovt es mitunter sogar wie zu besten Zeiten des Sängers. So ist "Hard Knocks" ein gar nicht einmal so schlechter Titel mit diesem Bläserarrangement, obwohl, auf den zweiten Blick mangelt es dem Opener dann doch an Tiefe, Substanz und Originalität, um zu einem Klassiker zu werden.
Und genau so geht es weiter. Ständig vermisse ich die Frische seiner ersten Platte mit Titeln wie "Feeling Alright" oder "Sandpaper Cadillac", die dortigen Mitspieler wie Jimmy Page, Chris Stainton, Matthew Fisher und andere, die Tiefe solcher Titel wie "I Can Stand A Little Rain" oder "The Moon Is A Harsh Mistress" von der Platte "I Can Stand A Little Rain", mit Leuten wie Nicky Hopkins,
Jimmy Webb oder Henry McCullough, den Groove der Platte "Luxury You Can Afford", eingespielt von den Spitzenmusikern aus Muscle Shoals, Alabama, mit Titeln wie "Fun Time", einer sensiblen Fassung von "A Whiter Shade Of Pale" oder dem eigenwillig interpretierten "I Heard It Through The Grapevine". Dann trauere ich den Zeiten eines Albums wie "Sheffield Steel" nach, mit den beiden Riddim Twins Sly Dunbar und Robbie Shakespeare, und selbst spätere Alben wie zum Beispiel "Organic" sind Messlatten für das, was nun aktuell vorgelegt wird.
Nicht wie bisher namhafte Musiker des Business, nicht mehr Produzenten wie Denny Cordell, Jim Price, Allen Toussaint, Chris Blackwell oder Don Was.
Grundsätzlich muss das alles nichts bedeuten, aber unter Berücksichtigung all' der Namensnennungen ist nun Sparflamme angesagt. Produziert hat Matt Serletic, ein junger Produzent (Matchbox Twenty), der offensichtlich seine prägenden Hände im Spiel hatte. Auf dieser Sparflamme kocht auch der beim aktuellen Album mitspielende Ray Parker, Jr. Viel hört man von ihm nicht, alles wird hier ziemlich zugekleistert! Für mein Empfinden ist man hier zu wenig auf den Sänger eingegangen, weder im Arrangement noch in der Songauswahl.
Die Arrangements hätte man ebenfalls locker dem Gewinner eines Talentwettbewerbes zuschustern können. Ich halte sie für recht simpel und vorhersehbar im Verlauf, so dass sie für mich völlig austauschbar erscheinen. Die Musik und der Sänger gehen keine Symbiose ein. Cocker steht für mich manchmal allein auf weiter Flur. Das ist sehr schade, beweisen doch auch gerade Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, dass man so etwas besser machen kann! Da nahm man wohl etwas aus dem einem Töpfchen oder aus jenem, und schon kochen wir ein neues gefälliges Süppchen, das eigentlich allen gefallen müsste, dem Künstler aber nicht gefallen sollte.
Unterm Strich bleibt letztlich gute Popmusik, bleibt die manchmal im Ausdruck bewegende Stimme Cockers, aber das ist im Vergleich definitiv schlechter geworden. Zudem hat sich Cocker bisher stets Songs von namhaften Songschreibern angeeignet, das fehlt hier auch. Das sind keine bleibenden Kompositionen. Das ist Durchschnittsware, das wird niemand später mehr covern wollen. Der manchmal sehr discohafte Keyboardeinsatz, grausam für mich der Anfang von "Runaway Train", klebt wie lästiger Klebstoff auf manchen Aufnahmen.
Einige persönliche, aus meiner Sicht positive Ausnahmen sind "So", mit relativ schlichter Ausstattung, das dem Ausdruck des Sängers relativ gut entgegen kommt, sowie "I Hope", der Höhepunkt der Platte, bezeichnenderweise das letzte Stück, eingespielt mit ganz anderen Musikern, nur hier. Warum nur hier? Die ganze Platte hätte man mit diesen Leuten einspielen sollen, nein - müssen! Hier groovet es, hier kommt das erste Mal echtes Feeling auf. Der Titel stammt im Original von den Dixie Chicks. Produziert hat diesen als einzigen Titel auch ein anderer - Tony Brown, ein alter Hase, der schon für Elvis Presley Klavier spielte.
"Hard Knocks" letztlich ist grundsätzlich auch kein Flop, es hat sicher das Zeug zum kleinen Hit. Dann noch "Unforgiven" mit den Streichern, das halte ich auch für einen zu Joe gut passenden Titel.
Aber schade um diese insgesamt vertane Chance. Es tut mir echt leid für Joe, gerade, wenn ich nach #10 noch einmal weiter ab #2 schalte, dann wird einem dieses Dilemma erst so recht bewusst.
Fazit: nicht unbedingt 'wasted time', wer Cocker das erste Mal mit dieser Platte hören sollte, bekommt keinen Schrott geboten, so meine ich es nicht, sondern nur wenn man weiss, wie viel besser die früheren Aufnahmen waren, dann kann man schon enttäuscht sein. Ich hoffe stark, dass Joe hier schnell genug wieder heraus kommt und nicht schlimmstenfalls in Lethargie, Selbstkopie und Langeweile verfällt.
Line-up:
Joe Cocker (vocals)
Ray Parker, Jr. (guitar)
Tim Pierce (guitar)
Josh Freese (drums)
Chris Chaney (bass)
Jamie Muhoberac (keyboards)
Matt Serletic (keyboards and programming)
Jeff Babko (trombone - #1, 2)
Cleto Escobedo III (saxophones - #1, 2)
Ron King (trumpet - #1, 2)
Robyn Troup (background vocals)
Sherree Brown (background vocals)
Mabvuto Carpenter (background vocals)
Stevie Blacke (cello, violin and viola - #3,, 4)
Matt Chamberlain (the fall - #4)
Joel Shearer (guitar - #5)
Stephanie Bentley (background vocals - #7)
Gospel Choir - #8)
Kenny Greenberg (electric guitar - #10)
Tom Bukovac (electric guitar - #10)
Steve Nathan (synth and Wurlitzer - #10)
Reese Wynans (piano - #10)
Greg Morrow (drums - #10)
Glenn Worf (bass - #10)
Kim Keys (backing vocals - #10)
Ashley Cleveland (backing vocals - #10)
Judson Spence (backing vocals - #10)
Tracklist
01:Hard Knocks (Broussard,Ramsey,Sanders)
02:Get On (Serletic,Myrick,Bentley)
03:Unforgiven (Allan, Dioguardi,Lachey,Hodges)
04:The Fall (Serletic,Myrick,Proal)
05:So It Goes (Serletic,Steele,Myrick)
06:Runaway Train (Marland)
07:Stay The Same (Serletic,Myrick,Bentley)
08:Thankful (Serletic,Dioguardi)
09:So (Kreviazuk,Salter)
10:I Hope (Moore,Maguire;Maines,Robinson)
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