John Coltrane Quartet / Ballads
Ballads Spielzeit: 78:50
Medium: CD
Label: Essential Jazz Classics, 2013 (1962)
Stil: Jazz


Review vom 17.03.2013


Wolfgang Giese
John Coltrane, für mich noch immer einer der besten und wegweisenden Jazzmusiker, legte 1962 ein für ihn hinsichtlich seiner damaligen musikalischen Entwicklung recht ungewöhnliches Album vor - mit Balladen, der Titel verspricht es ja eindeutig. Wer also den unbändigen wilden, sich ständig auf der Suche befindenden Musiker suchte und sucht, könnte hier derb enttäuscht worden sein bzw. werden. Doch bei der Betrachtung und Beurteilung sollten solche persönlichen Befindlichkeiten außen vor bleiben.
1962 wurden diese Aufnahmen, die so gar nicht in die Riege der damals für Coltrane typischen Musik passt, einmal 'kurz eingeschoben' So gab und gibt es verschiedene Betrachtungen über die Gründe, dieses Album einzuspielen. Angeblich wollten es Produzent und Plattenfirma so. Auch über Kompromisse des Musikers wurde gesprochen - letztlich sind das alles Mutmaßungen, die uns nicht von dem, was damals entstanden ist, ablenken sollte.
John Coltrane war durch einen Wechsel der Plattenfirma - von Atlantic, für die er noch das hervorragende "My Favorite Things" vorlegte, zu Impulse, was ihm einen Richtungswechsel zu dem, was seinerzeit als 'New Thing' bezeichnet wurde, bescherte - im Aufwind. Die ersten Vorboten des Free Jazz, teils entfesseltes Spiel und nun mit einem Balladenalbum der absolute Kontrast dazu.
Wie es auch immer gewesen sein mag, hier gibt es keine der berühmten "Sheets Of Sound". Also keine wilden Exkursionen, sondern ruhige Bearbeitungen bekannter Jazzstandards, die es dergestalt 'in sich haben', dass Coltrane letztlich ein sehr intensives und sehr romantisches Balladenalbum voller emotionaler Stärke abgeliefert hat. Er versprüht in seinem intensiven und äußerst dichten Spiel viel Wärme und Ruhe und seine Spiritualität hat sicher das Ihre dazu getan. Neben Trane ist es Tyner, der das Geschehen mit einfühlsamen Spiel am Piano unterstützt. Für den sonst eher explosiven Jones ist es eine große Meisterleistung der Zurückhaltung - es mag ihm wohl oft 'in den Fingern gekribbelt haben', einmal so richtig loszulegen... Die jeweils beteiligten Bassisten legten mit ihm zusammen ein dichtes Fundament des subtilen Rhythmus'.
"Ballads" ist nun mittlerweile in verschiedenen Ausführungen auf den Markt gekommen - die ursprüngliche Titelauswahl beschränkte sich auf die ersten acht Stücke. "Greensleeves" (das übrigens seinerzeit tatsächlich als 45er Single veröffentlicht wurde) gab es dann als Bonus - auch hier ist es ebenfalls vertreten. Dann existiert eine DeLuxe-Ausgabe als Doppel-CD, mit 'Alternative Takes' gespickt. Und nun eine weitere Veröffentlichung, die ich hinsichtlich der Boni als nicht so gelungen betrachte.
Wie schon ausgeführt, stammen die Originalaufnahmen aus dem Jahr 1962 bzw. zwei von 1961. Sie stellen somit dar, wie Coltrane damals spielte und sind ein Abbild der damaligen Zeit. Als unglücklich empfinde ich es, dass hier Bonustracks aus der Zeit zwischen 1957 und 1960 gewählt wurden und für mich in diesem Kontext störend wirken. Gleichwohl ändert das nichts an der Qualität jener Einspielungen, doch hätten diese besser Einzug halten können auf einem generellen Sampler mit Balladeneinspielungen des Saxofonisten. Nun gut, allenfalls mögen sie sich gut dazu eignen, anhand der Zeitspanne die Entwicklung des Musikers nachvollziehen zu können und auch gleichzeitig als Kaufanreiz für frühere Aufnahmen dienen.
Unbestritten ergreifend ist eine der wohl schönsten Balladen der Jazzgeschichte, das seiner ersten Ehefrau gewidmeten Stück "Naima" - das ist zum Dahinschmelzen und steht als solches letztlich gut als Abschlusstitel.
Das ist eine wunderbare 'Late Night-Jazz'-Platte - das ist Musik für 'Rotwein und Kamin' - das ist "Kuschel-Jazz" höchsten Anspruchs. Aus meiner Sicht unverzichtbar für jeden Jazzliebhaber und alle, die es werden möchten, denn für die kann dieses ein sehr angenehmer Einstieg sein! Wenn ein Balladenalbum, dann dieses hier!
Line-up:
John Coltrane (tenor saxophone, soprano saxophone - #9,10)
McCoy Tyner (piano)
Jimmy Garrison (bass)
Reggie Workman (bass - #7)
Elvin Jones (drums)
Steve Davis (bass - #10)
Red Garland (piano - #11-14)
Paul Chambers (bass - #11-14,16)
Albert "Tootie" Heath (drums - #11-14)
Kenny Burrell (guitar - #15)
Wynton Kelly (piano - #16)
Jimmy Cobb (drums - #16)
Tracklist
01:Say It (Over and Over Again) [Frank Loesser, Jimmy McHugh] (4:18)
02:You Don't Know What Love Is [Gene DePaul, Don Raye] (5:15)
03:Too Young To Go Steady [Harold Adamson, McHugh] (4:23)
04:All Or Nothing At All [Arthur Altman, Jack Lawrence] (3:38)
05:I Wish I Knew [Mack Gordon, Harry Warren] (4:54)
06:What's New? [Johnny Burke, Bob Haggart]) (3:47)
07:It's Easy To Remember [Lorenz Hart, Richard Rodgers] (2:49)
08:Nancy (With the Laughing Face) [Phil Silvers, Jimmy Van Heusen] (3:10)
09:Greensleeves [Trad., arr. by McCoy Tyner] (3:38)
10:Ev'ry Time We Say Goodbye [Cole Porter] (5:40)
11:You Leave Me Breathless [Ralph Freed, Friedrich Hollander] (7:25)
12:Theme For Ernie [Fred Lacey] (4.59)
13:I Want To Talk About You [Billy Eckstine] (10:57)
14:Violets For Your Furs [Matt Dennis, Tom Adair] (6:18)
15:Why Was I Born? [Jerome Kern, Oscar Hammerstein] (3:17)
16:Naima [John Coltrane] (4:21)
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