John Coltrane / Olé
Olé Spielzeit: 74:14
Medium: CD
Label: American Jazz Classica (Atlantic Records), 2014 (1960, 1961)
Stil: Jazz


Review vom 08.02.2014


Wolfgang Giese
Der Untertitel der hier zu besprechenden Platte lautet "The Complete Sessions". Das hört sich vielversprechend an, dass nun die kompletten Sessions der Aufnahmen vom 25. Mai 1961 geboten werden. Dabei ist es nur ein Titel, der auf der Original-LP nicht vorhanden war, "To Her Ladyship". Aber den gab es bereits im Jahre 2000 auf einer Ausgabe als Extratitel. Als Füllmaterial griff man für diese Neuveröffentlichung auf vier am 26. Oktober 1960 eingespielte Stücke zurück. Diese stammen allesamt von der auch auf Atlantic Records veröffentlichten Platte "Coltrane's Sound". Daher halte ich diese Vorgehensweise bei der Auswahl der Bonustracks für völlig überflüssig. Der Albumtitel "The Complete Sessions" suggeriert insofern, dass die kompletten Bonustracks von der 'Olé-Session' stammen würden. Nun denn, an der hohen Qualität der Musik ändert das sicher nichts.
Die Einspielung des Albums stand seinerzeit im Zeichen eines Wandels. Kurz zuvor hatte John Coltrane Aufnahmen für sein neues Label, für Impulse Records getätigt. Somit war "Olé" sein letztes Album für Atlantic Records. Von der großen Besetzung der Impulse-Sessions nahm er Art Davis und Freddie Hubbard mit ins Studio. Dazu kam noch jener Musiker, mit dem Trane stets mitreißende Musik vorlegte: Eric Dolphy, damals unter dem Pseudonym George Lane in Diensten von Prestige Records. Das Titelstück basiert auf einem spanischen Folksong. Darüber hinaus erinnern Aufbau, Struktur und die Spielweise des Sopransaxophons an die eigenwillige Bearbeitung des Klassikers "My Favorite Things", ein Jahr zuvor aufgenommen.
Wer angesichts der Herkunft des Titels nun Anklänge an Flamenco erwartet, wird nicht bedient, denn vielmehr weitet Trane den Einfluss aus, und benutzt den islamischen Einfluss auf Spanien, der mehr afrikanische Elemente mit einbezieht. So erfahren wir nicht herkömmliche Rhythmen, sondern eher für westliche Ohren befremdlich wirkende Strukturen. In modaler Spielweise offenbart sich uns noch eine dichte Untermalung durch den Gebrauch von zwei Bässen, wobei der eine Bassist den gezupften durch einen gestrichenen unterstreicht und somit ein ganz besonderer Sound geschaffen wurde.
Bevor Trane zeigt, wie man ein packendes Solo auf dem Sopransaxophon spielen kann, erfolgt eine Einleitung mit dem Bass. Dann treten Dolphy an der Flöte und Hubbard an der Trompete auf und scheinen den nächsten Höhepunkt schon vorbereiten zu wollen. Nach kurzen Intermezzi der Bassisten, zusammen mit dem Pianisten, setzt Coltrane erst bei Minute 13:23 ein - sehr gut, dass der Bandleader den Mitspielern so viel Spielraum gibt. Hier wird ein eindrucksvolles Gruppenspiel erster Klasse geboten und auf imposante Weise angetrieben vom überragenden Elvin Jones am Schlagzeug.
Es folgt der "Dahomey Dance", ähnlich wie die "Africa Brass"-Sessions mit einem afrikanischen Bezug. Hier wechselt John Coltrane zum Tenorsaxofon, und die für ihn typischen 'Sheets Of Sound' perlen und jagen noch immer, aber bereits mit seiner nächsten Entwicklungsstufe versehen, mit verstärkt spirituellem Ausdruck im Spiel. Die Ballade "Aisha" ist wundervoll, verträumt schön und schwebt entspannt vor sich hin, lässt dem Hörer Raum für seine sich aus dem Stück entwickelnden Gedanken.
Der Bonustrack ist dann ebenfalls im ruhigen Fahrwasser unterwegs und Dolphy kann zeigen, welch gefühlvoller Flötist er war - aber gefühlvoll ist das ganze Stück durch die Vorträge aller Beteiligten. Die Platte ist für mich nun eigentlich zu Ende - auf die nun folgenden vier Boni, die genau die Hälfte der Veröffentlichung "Coltrane's Sound" darstellen, möchte ich eigentlich gar nicht näher eingehen, wären sie doch Teil einer Rezension zu genau jener Platte. Doch ein paar kurze Worte will ich noch gern verlieren.
Diese Platte zählt zu den nicht so oft vordergründig erwähnten des Musikers, allerdings - für mich unverständlich - enthält sie einige Höhepunkte, allen voran das energisch vorantreibende "Liberia", wiederum mit einem gewaltig aufspielendem Jones. Bluesigen Anstrich hat "Equinox", eines der sehr guten Beispiele für den sich bei Coltrane neu entwickelnden Stil: Modal in der Ausrichtung, wie weggetreten wirkt seine Spielweise, als sei er mit den Gedanken in ganz anderen Sphären. Da kann man sich so wunderbar fallen lassen und mitfliegen. "26-2" ist nicht nur hier ein Bonustrack, auch auf "Coltrane's Sound" war er es bereits. Das Stück weist einen Jam-Charakter auf und strömt schnell dahin, auf sehr mitreißende Weise.
Eigentlich zählen alle Atlantic-Aufnahmen jener Tage zu wichtigen Zeitzeugen einer Entwicklung, unterscheiden sie sich doch von jenen vor dieser Zeit als auch den folgenden Platten auf Impulse, die von ganz anderem Ausdruck waren.
Line-up:
John Coltrane (tenor & soprano sax)
Eric Dolphy aka George Lane (alto sax & flute - #1-4)
Freddie Hubbard (trumpet)
McCoy Tyner (piano)
Art Davis (bass - #1, 2, 4)
Reggie Workman (bass - #1-3)
Elvin Jones (drums)
Steve Davis (bass - #5-8)
Tracklist
01:Olé [Coltrane] (18:15)
02:Dahomey Dance [Coltrane] (10:52)
03:Aisha [Tyner] (7:39)
04:To Her Ladyship [Frazier] (9:01)
05:Liberia [Coltrane] (6:51)
06:The Night Has A Thousand Eyes [Bernier/Brainin] (6:51)
07:Equinox [Coltrane] (8:32)
08:26-2 [Coltrane] (6:10)
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