Judy Collins / Paradise
Paradise Spielzeit: 43:16
Medium: CD
Label: Wildflower Records, 2010
Stil: Singer/Songwriter


Review vom 04.08.2010


Wolfgang Giese
Judith Marjorie Collins wurde am 1. Mai 1939 in Seattle, Washington, geboren. Ihr erstes Album veröffentlichte sie im Alter von 22 im Jahre 1961. Seinerzeit galt sie als eine der wichtigsten Folk-Interpretinnen, meist begleitete sie sich nur auf der Akustikgitarre.
Auf ihrem dritten Album, das war 1963, arrangierte Jim McGuinn, der sich später
Roger McGuinn nannte, zwei jener Titel, die er mit den Byrds noch bekannt machen sollte: "The Bells Of Rhymney" und "Turn! Turn! Turn!". Die nach und nach einsetzende Weiterentwicklung beschied der Künstlerin 1967 dann einen Erfolg mit ihrer Version des Titels von Joni Mitchell, "Both Sides Now".
Diese neue Platte dürfte wohl bereits etwa die 40. Veröffentlichung, Sampler nicht eingeschlossen, sein. Ihre Stimme ist heute, trotz der 71 Jahre, die sie zum Zeitpunkt der Aufnahmen alt war, noch sehr klar und weich geblieben, das frühere Tremolo scheint etwas zurückgenommen, aber sonst ist dieser betörende Sopran noch vorhanden. Respekt!
Es beginnt mit einer schon fast 'zuckrigen' Version des Titels aus dem "Zauberer von Oz", damals von der kleinen Judy Garland für immer verewigt. Viele Versionen hat es bisher davon gegeben, seien es Pop- oder auch Jazz-Varianten, hier ist es eine mehr orchestrale Ausrichtung mit starkem Ausdruck. Sicher singt Judy die Melodie von Judy, das Piano ist eine sehr gelungene Begleitung und gibt einen zusätzlichen romantischen Charakter, der vollendet wird durch den zarten Einsatz der Streicher.
Ganz stark ist das 'Duell' der beiden alten Damen, die hier eine reife Leistung vorlegen, wobei vokaltechnisch die etwa zwei Jahre jüngere Joan Baez, die das Stück früher auf ihrer gleichnamigen Platte bereits in einer wunderschönen Version vortrug, aus meiner Sicht die Nase leicht vorn hat. Wunderbar, wenn sich die beiden Stimmen ergänzen und dem Titel neuen Zauber einhauchen, ein ganz wunderbarer Track, ein Highlight der Platte!
Hervorragend auch die anderen Coverversionen, sei es das 'Anti-Kriegs-Lied' "Once I Was" von Tim Buckley oder Tom Paxtons "Last Thing On My Mind", bei dem hier Stephen Stills als Begleiter fungiert. "Weight Of The World" ist gespickt mit ganz viel Melancholie und Schönheit, und gesanglich schraubt sich die Dame in bezaubernde Höhen.
Textlich dramatisch, wenn hier von dem toten Bruder berichtet wird, denn so kehrt er aus dem Krieg zurück. Ein wie auf die einst kämpferische Sozialaktivistin zugeschnittes Lied. Auf dem traditionellen "Dens Of Yarrow" dürfen wir uns an keltisch inspirierten Tönen erfreuen, sehr sanft und schwebend dargeboten. "Ghost Riders In The Sky" erfährt eine abermals neue Bearbeitung, das alte Schlachtross von Stan Jones wird etwas 'heruntergefahren' im Tempo, aber nicht in der Intensität des Ausdrucks. Klasse gemacht, schon fast avancierte dieser Titel oft genug bereits zur 'Spaßnummer', hier kommt er mit nötigem Ernst!
Lateinamerikanisches oder spanisches Flair atmet der Song von Michael Johnson, "Emilio", der hier auch mitsingt, die akustische Gitarre scheint von Sehnsucht zu berichten. Wir wissen, wie viele wunderschöne Titel Jimmy Webb ("MacArthur Park" u.a.) bereits geschrieben hat. Mit "Gauguin" hat er, offensichtlich für dieses Album geschrieben, ein neues feines Stück hinzugefügt. Das ist klar seine Handschrift!
Für mich ist ein Album mit sehr stimmiger Musik entstanden, Musik, die unglaublich viel emotionale Tiefe aufweist, und interpretiert wird von Musikern, die ihr Handwerk leicht und locker ausüben, absolut unverkrampft, sehr harmonisch, von hohem Anspruch. Die Titelauswahl ist sehr gelungen und gut abgestimmt auf den hervorragenden Gesangsvortrag. Gut eingestreut sind auch die Gastmusiker. Es bleibt mir hier nur noch das Prädikat eines persönlichen Tipps.
Allen grundsätzlich Neugierigen empfehle ich als Einstieg die 2006 erschienene Kompilation "Introducing... Judy Collins" mit allen wesentlichen Titeln der frühen Jahre, so auch "Send In The Clowns" oder die Version von "Amazing Grace".
Line-up:
Judy Collins (vocals, piano - #3, guitar - #5, Roland keyboard - #6)
Joan Baez (vocals - #2)
Russell Walden (piano - #1, 2, 4, 7, 9, 10, orchestration - #1)
Larry Campbell (12 string guitar - #3, 4, 7, 9)
Dave Cleveland (additional guitars - #5)
Stephen Stills (vocals, 12 string guitar - #5)
Tony Levin (bass - #5)
Steve Skinner (keyboards - #6)
Michael Johnson (acoustic guitars - #8)
Ghost Riders Chorus (Denver Collins, Joe Hurley, Bob Neuwirth, Tom Paxton, Paul Rolnick, Jimmy Webb - #9)
Jimmy Webb (keyboard, conch - #10)

Plus:
Nashville Rhythm Section
Dave Cleveland (guitars - #2, 3, 4, 7, 9)
Steve Brewster (drums, percussion - #2, 3, 4, 7, 9)
Mark Hill (bass - #2, 3, 4, 7, 9)
Jason Webb (piano, keyboards, Hammond B3 - #2, 3, 4, 7, 9)
Tracklist
01:Over The Rainbow (Harburg/Arlen) 3:29
02:Diamonds And Rust (Joan Baez) 3:35
03:Once I Was (Tim Buckley/Larry Beckett) 3:13
04:Weight Of The World (Speace/Caswell/Vezner) 5:40
05:Last Thing On My Mind (Paxton) 2:58
06:Dens Of Yarrow (trad., arr. Collins) 4:32
07:Kingdom Come (Collins) 6:12
08:Emilio (Johnson) 3:53
09:Ghost Riders In The Sky (Jones) 3:54
10:Gauguin (Webb) 5:50
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