The Stanley Clarke Band / Same
Same Spielzeit: 63:26
Medium: CD
Label: Heads Up, 2010
Stil: Jazz Rock

Review vom 24.06.2010


Wolfgang Giese
Oft ist es so, dass man eine bestimmte Lieblingsplatte eines Künstlers besitzt, und diese als Maßstab für alle anderen Veröffentlichungen ansetzt. Oder man verbindet die Vorliebe zu bestimmten Musikrichtungen mit einer ganz bestimmten Zeit, zu einer Ära. Sicher geht es mir mit Stanley Clarke genau so.
In der Hochzeit des Jazz Rocks war es, dass der Bassist eine Platte mit unter anderen Jan Hammer, Bill Connors und Tony Williams veröffentlichte, die zu einer meiner persönlichen Lieblingsplatten des Jahres 1974 avancierte. Die Platte hieß schlicht und ergreifend "Stanley Clarke" und war Nachfolger der auch hervorragenden Scheibe aus dem Vorjahr, "Children Of Forever". Diese ("Stanley Clarke") Veröffentlichung stellte für mich fortan einen Maßstab dar. Alle folgenden Platten hatten sich daran zu orientieren.
Eigentlich eine recht engstirnige Betrachtungsweise, verschloss sich dadurch doch die Sichtweise und enthielt man sich dadurch der Beschäftigung mit anderen Platten des Künstlers, die nicht der persönlichen Norm entsprachen. "Journey To Love" ließ ich gerade noch so 'durchgehen', während "School Days" aus 1976 bereits 'durchfiel' und "Modern Man" aus 1978 für mich schlicht indiskutabel war. Na ja, "School Days" habe ich später 'rehabilitiert', während "Modern Man" für mich auch heute noch außen vor ist.
Clarke war seinerzeit sicherlich 'revolutionär', was die Bearbeitung seines Instruments anging. Er wurde Vorbild und Vorreiter für viele, die folgen sollten.
Heutzutage ist es insofern nichts Besonderes, wenn er seinen typischen Basssound anstimmt. Kennen und lieben gelernt hatte ich diesen durch die Mitwirkung in Chick Coreas
Return To Forever, einer der 'Supergroups' jener Zeit.
Um an das eben Ausgeführte anzuknüpfen: Aufgrund der einseitigen Orientierung verschloss ich mich jener Tage der o.a. Veröffentlichungen, sie erschienen mir auch zu kommerziell. Ich wurde erst wieder hellhörig, als 1995 das Trioalbum "The Rite Of Strings" erschien, mit Al Di Meola und Jean-Luc Ponty. Auch das Trioalbum mit der Pianistin Hiromi und dem Drummer Lenny White aus 2009 ("Jazz In The Garden") halte ich für sehr gelungen.
Und nun, nach einigen für mich akustischen Höhepunkten, ein erneuter 'elektrischer' Versuch, auch hier mit Hiromi. Chic, so sieht er aus, der Stanley, wenn er auf dem Cover mit seinem tollen Bass posiert. Die Innengestaltung des Booklets wirkt dagegen billig. So geht es mir, wenn ich versuche, eine persönliche Ordnung hinein zu bringen, um z. B. die Reihenfolge der Stücke festzustellen. Vergeblich, alles ist wild durcheinander, wirkt so, als hätte ein Drittklässler die Aufgabe gehabt, aus einer Zeitung Schnipsel auszuschneiden und irgendwie wieder für eine Collage zusammenzustellen. Es ist unübersichtlich, wenig ästhetisch und nervt mich. Die 'Art Direction' und den 'Package Designer' würde ich nicht wieder verwenden wollen als Künstler.
Das nur nebenbei, doch für mich stellen Musik und Cover noch immer eine gewisse Einheit dar, und wenn ich erst suchen muss, wo die einzelnen Stücke zu finden sind, um herauszufinden, wer auf welchem Titel mitwirkt, dann empfinde ich es als wenig komfortabel. Nun denn ...
Da ja nun alle wissen, dass und wie gut der Mann Bass spielen kann, und er seiner Virtuosität nicht mehr viel wird hinzufügen können, muss er halt versuchen, den oder die Schwerpunkte anders zu legen. Das kann dann allenfalls in Komposition oder Arrangement oder in der Güte der Mitmusiker erfolgen.
Über Hiromi gibt es nicht viel Worte zu verlieren, außer, dass sie eine hervorragende und außergewöhnliche Pianistin und Keyboardspielerin ist. Sie ist es auch, die auf der Platte die für mich wichtigen Akzente setzt.
Auf dem ersten Titel, "Soldier", ist es allerdings der Komponist Ruslan Sirota, der auf seinem Stück pianistische Akzente setzt. Eine sehr gelungene Komposition, ein gelungener Auftakt, der an gute alte Jazz Rock-Zeiten erinnert. Hier ist nicht das von ehemaligen Helden jener Zeit oftmals Abgedroschene der letzten Jahre zu hören, sondern die Musiker haben viel Abwechslung in die sieben Minuten gelegt. Es geht dem Komponisten hier um die Sinnlosigkeit des Krieges und er führt im Booklet wie folgt aus: »On the battlefield of life we are all soldiers, fighting for a better tomorrow, fighting for our humanity. FIGHTING FOR HOPE. «
Eines ist auch schnell sicher: Das hier ist eine Platte mit einer 'Hauptperson', Clarke stellt grundsätzlich klar, dass er diese darstellt. Doch macht er nicht den Fehler, sein Instrument durchgehend in den Vordergrund zu stellen. Er beschränkt sich auf einige Stücke, wo er seine kleinen 'Kunststücke' vordergründig darstellt. Neben den beiden "Bass Folk Songs" ist es "I Wanna Play For You Too" des Keyboarders Felton Pilante, eine klare Anlehnung an den alten Titel "I Wanna Play For You" von der gleichnamigen Scheibe aus 1979. Hier bringt er die Saiten kräftig zum Schwingen, es 'knallt' und 'schmurgelt' der Bass wie eh und je. Nichts Neues, aber eben gut anzuhören.
Eine Reminiszenz an seinen alten Arbeitgeber stellt sicher "No Mystery" dar, den Clarke mit Coreas Return To Forever einst einspielte. Aktuell im Kern ähnlich, doch wirkt die Ausführung hier lockerer und etwas gemäßigter. Hiromi, die ja auch bereits mit Corea musizierte, bringt erstmalig wichtige Akzente ein und durch ihre Gestaltung ist auch dieser Titel sicher einer der Höhepunkte der Platte. Auch, wenn man ihn bereits kennt. Brillant, wie die Dame scheinbar Motive aus der klassischen Musik einzuarbeiten scheint. Aber auch der Bassist erlaubt sich hier ein kleines Solo-Feature, virtuos wie immer.
Gitarre, Keyboard, Bass, Schlagzeug - eine typische Quartett-Besetzung im Jazz Rock der Siebziger, hier hervorragend aus dem Hut gezaubert mit "How Is The Weather Up There?". Und plötzlich mittendrin und unerwartet ein kleines Piano-Feature sowie befremdliche Geräusche aus der Talk Box, dazu spricht laufend jemand über »global warming«. Ein ungewöhnlicher Song, der aber auch wieder leicht uneinheitlich und zerrissen wirkt, man hätte dieses Stück, auch wenn hier ein heikles Thema aufgegriffen werden sollte, etwas durchsichtiger und eindeutiger gestalten sollen.
Der Track mit den ganz langen Titel, siehe die Nummer acht, ist Joe Zawinul gewidmet. Gleichzeitig erwähnt Clarke auch seine Dankbarkeit einigen Größen des Jazz Rocks gegenüber, u.a.
Miles Davis, der Tony Williams' Lifetime und dem Mahavishnu Orchestra (»This was a great period that started a whole new trend in music«).
Einen wahren Höhepunkt stellt das wunderbar treibende und verspielte "Labyrinth" von Hiromi dar. Der Bassist wächst in diesem Titel mit seiner Spielweise auch über die normale Funktion als Bassist hinaus und setzt dadurch einige Glanzlichter. Ich empfehle Clarke, mit der Dame mehr zusammen zu arbeiten!
Ein Ausnahmestück ist sicher auch "Sonny Rollins", das als Widmung an den großartigen Tenorsaxofonisten zu verstehen ist, und Clarke weist auch dankbar auf seine Zusammenarbeit mit ihm hin.
Wer kennt sie noch: Manhattan Transfer? Eine der Sängerinnen war Cheryl Bentyne, die auf diesem Song vokale Inhalte einbringt, darüber hinaus ist dieses Stück im mitunter sanften Calypso-Rhythmus das jazzigste der Platte. Ob der Rhythmus auf die Rollins-Komposition "St. Thomas" hinweisen soll? Fast scheint es so. Super wäre es natürlich gewesen, hätte man den Saxman für diese Aufnahme gewinnen können. So, noch ein "Bass Folk Song" und alles ist schon wieder vorbei.
Fazit: Nach langem eine aus meiner Sicht wieder gelungene 'elektrische' Platte des Bassisten! Mit Abstrichen zwar, und einerseits mag die Uneinheitlichkeit des Gesamtbildes der Titel ein Manko sein, aber andererseits unterstreicht dieses auch die Vielseitigkeit.
Line-up:
Stanley Clarke (electric bass guitars, talk box - #4, 7, vocals)
Ruslan (synthesizers, electric piano, acoustic piano, vocals)
Ronald Bruner Jr. (drums)
Charles Altura (electric guitar - #1, 2, 3, 6, 7, 8)
Natasha Agrama (vocals - #1)
Ilsey Juber (vocals - #1)
Armand Sabal-Lecco (electric bass guitar - #2)
Chris Clarke (drum programming - #2)
Jon Hakakian (programming - #2, 5, 11, drum programming - #4)
Felton Pilate (keyboards - #4)
Rob Bacon (guitars - #4, 10)
Hiromi (acoustic piano - #6, 8, 9, 10)
Bob Sheppard (soprano sax - #8, tenor sax - #10)
Cheryl Bentyne (vocals - #10)
Doug Webb (saxophone -#10)
Andrew Lippman (trombone - #10)
John Papenbrook (trumpet - #10)
Tracklist
01:Soldier (Sirota) [7:07]
02:Fulani (Sabal-Lecco) [6:25]
03:Here's Why Tears Dry (Clarke) [4:52]
04:I Wanna Play For You Too (Pilate) [4:13]
05:Bass Folk Song No. 10 (Clarke) [3:40]
06:No Mystery (Corea) [7:09]
07:How Is The Weather Up There? (Clarke-Bruner Jr.) [5:54]
08:Larry Has Traveled 11 Miles And Waited A Lifetime For The Return Of Vishnu's Report (Clarke) [6:32]
09:Labyrinth (Hiromi) [5:55]
10:Sonny Rollins (Clarke) [8:49]
11:Bass Folk Song No. 6 (Mo Anam Cara) [2:41]
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