Bob Dylan / Pure Dylan - An Intimate Look At Bob Dylan
Pure Dylan - An Intimate Look At Bob Dylan Spielzeit: 77:30
Medium: CD
Label: Sony Music, 2011
Stil: Folk

Review vom 24.11.2011


Holger Ott
In meinen Händen halte ich ein gutes Stück Nostalgie. Ein junger Bursche mit wirrem Haar blickt mich von einem schwarz/weiss Cover fordernd an. Wäre ich Anfang der 60er Jahre schon so alt und musikalisch erfahren gewesen, dass ich mich mit der Musik eines gewissen Robert Zimmerman beschäftigt hätte, dann könnte ich jetzt viel besser in Erinnerungen schwelgen. So kenne ich vieles nur aus Überlieferungen, oder was mir das Fernsehen und andere Medien im Nachhinein über diesen Mann, der unter dem Künstlernamen Bob Dylan weltberühmt wurde, vermittelt haben.
Ja, ich besitze auch einige Dylan-LPs in meiner Sammlung, allerdings erst welche aus den 80ern, als er längst zur elektrischen Gitarre gegriffen hatte und mich seine Musik mehr ansprach. Damals habe ich ihn auch mehrmals live bewundern können und war von seiner Präsenz beeindruckt. Inzwischen ist das Interesse an ihm meinerseits leider etwas verblasst, trotzdem hat er es wieder geschafft vor ein paar Tagen die größte Halle in Berlin zu füllen, und alles ohne einen Funken Werbung. Da viele Fans, sowie der Protagonist inzwischen Ü60 sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Zustand abflaut.
Was sich Dylans Arbeitgeber, die Firma Sony Music dabei gedacht hat, diese CD mit dem schlichten Titel "Pure Dylan" auf den Markt zu werfen, offenbart sich erst bei näherem Betrachten des informativen Booklets, denn es handelt sich in keiner Weise um ein 'Best Of' des Künstlers, sondern um Tracks, die von seinen Fans gewünscht wurden. Viele der siebzehn Songs stammen aus der Anfangszeit und zeigen den Dylan, der in jungen Jahren mit der Wandergitarre und umgeschnallter Harmonika durch die Lande tingelte, um sich in einem Nischengenre einen Namen zu erkämpfen. Zum Glück hat dieser Mann damals so einen starken Willen gehabt und uns inzwischen über 50 Jahre treu begleitet. Natürlich sind zwischen den ganz alten Folk- und Country-Songs auch einige Stücke neueren Datums eingestreut; der letzte aus dem Jahre 2008. Musikalisch erkennt man diese Stücke nur an der sehr gealterten Stimme und der moderneren Aufnahmetechnik. Das Booklet zeigt aber auch zu meinem Erschrecken zwei sehr schöne Porträt-Fotos von Dylan. Der Jüngling im Alter von 18 Jahren steht dem alten Herrn von inzwischen siebzig Lenzen gegenüber und erinnert mich mit einem Schlag daran, dass alles endlich ist. Genießen wir also den Rest unseres bescheidenen Lebens mit guter Musik.
Höre ich in den ersten Track "Trouble In Mind" von 1978 hinein, so dringt ein langsam schleppender Blues ins Ohr. Sehr angenehm mit tollen Keyboards und einer kräftigen Gitarre. Solche Töne bin ich von Bob Dylan überhaupt nicht gewohnt und, um nicht sofort in Euphorie auszubrechen, wechselt er in "Girl From The North Country" zur Westerngitarre und gibt ein Country-Stück zum Besten. Das ist er, wie er leibt und lebt, nur mit Gitarre und Harmonika bewaffnet und einer Stimme, die jeden an sich fesselt. Lagerfeuerromantik macht sich breit und ich bekomme plötzlich Appetit auf geröstete Marshmellows. Um mich allerdings aus meinen Träumen zu reißen, legt Herr Zimmerman eine Kohle mehr ins Feuer. "Most Of The Time" aus dem Jahr 1982 heißt das Werk, und seine Tontechniker greifen etwas in die Trickkiste. Da wird dann schon mal das Drumset mit einem Echo unterlegt. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht schlecht. In den folgenden vierzehn Songs erleben wir dann den wahren Dylan, ruhig und melancholisch, mit einer Stimme, die zwischen kräftig und traurig, ja fast weinerlich klingt. Sanfte Gitarrenklänge und Harmonikasoli untermalen diese ruhigen Songs und werden nur ab und zu durch elektrische Riffs gestört.
"This Dream Of You", wieder ein Stück neueren Datums, klingt angehaucht von Skiffle des Mississippi Delta. Dylan schlendert dabei anscheinend in New Orleans durch die berühmte Bourbon Street und trinkt sich einen von Bar zu Bar. Seine Stimme klingt entsprechend aufgeraut und taumelnd, sogar angetrunken. Wieder einmal vermittelt er die passende Stimmung zum Song. Ganz klassisch, mit reiner Klavierbegleitung singt uns Dylan "Spanish Is The Loving Tongue". Ich kann nicht behaupten, dass ich den 'puren' Bob Dylan langweilig finde, ganz im Gegenteil: Ich höre gerne zu, entspanne mich sehr gut dabei und versuche, mich in die damalige Zeit zu versetzen. Dabei denke ich ständig, dass es schade ist, nicht zehn Jahre früher geboren zu sein, um die musikalische Entwicklung bewusster erlebt zu haben.
Zum Abschluss höre ich noch zwei Stücke im typischen Dylan-Klang der Anfangszeit. Viel Folk bei "If You See Her, Say Hello" aus Mitte der 70er und als einziges Live-Stück und ältesten Song des Albums "Pure Dylan", "Moonshiner" von 1962.
Mir gefällt dieses Album sehr gut und ich werde es in meinem Auto platzieren, damit ich beim Kampf im Großstadtgewimmel einen Gang gemütlicher fahren kann.
Line-up:
Bob Dylan (vocals, guitar, harmonica)
Tracklist
01:Trouble In Mind (5:11)
02:Girl From The North Country (3:22)
03:Most Of The Time (5:06)
04:She Belongs To Me (2:49)
05:Billy 1 (3:54)
06:Shooting Star (3:15)
07:Sugar Baby (6:42)
08:You're Gonna Make Me Lonesome When You Go (2:53)
09:Tomorrow Night (3:43)
10:Every Grain Of Sand (6:13)
11:Percy's Song (7:42)
12:Born In Time (3:40)
13:Boots Of Spanish Leather (4:39)
14:This Dream Of You (5:53)
15:Spanish Is The Loving Tongue (3:35)
16:If You See Her, Say Hello (4:48)
17:Moonshiner (4:05)
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