Es soll tatsächlich Menschen geben, bei denen hat die musikalische Uhr nach "The Lamp Lies Down On Broadway" aufgehört zu ticken. Ohne
Peter Gabriel war
Genesis quasi enthauptet; Punk und (British) Heavy Metal beförderten den klassischen Progressive Rock in eine nicht enden wollende Agonie. Es trat keine 'Leichenstarre' ein - der 'Patient' war nur scheintot. Die Retro Prog-Bewegung hauchte dem Prog Rock neues Leben ein und so surfen nun wieder junge Bands auf dieser Welle, als sei die Zeit - anno Tubak (1974) war es wohl - damals tatsächlich stehengeblieben.
Mit "Helike" legt eine weitere junge, talentierte Band namens
D'accorD ihren zweiten Silberling vor und steht damit in einer gesunden skandinavischen Tradition. Im Gegensatz zu anderen Proggern aus diesen Breiten - wie bspw.
Kaipa - verzichten die Norweger allerdings völlig auf folkloristische Elemente und klingen stattdessen wie eine lupenreine Reinkarnation der frühen
Genesis. In Zeiten widerwärtigen Sythesizer-'Gekleisters' wirken die durch und durch analogen Klänge der Hammond (zumeist ohne jegliche Verzerrung), des Fender Rhodes- oder Wurlitzer-Pianos wohltuend altbacken! Mastermind
Daniel Maage, der Musik wie Texte geschrieben und "Helike" produziert hat, intoniert seinen Gesang mit der Inbrunst und Tonlage eines jungen
Peter Gabriel und Gitarrist
Stig Are Sund hat bei
Steve Hackett ebenfalls ganz genau hingehört.
Wie ich das liebe: Ein Konzeptalbum ohne Booklet (Texte) oder andere Informationen zu besprechen - so ein Versuch muss Stückwerk bleiben!
Zunächst etwas für Geschichtsinteressierte: Helike war in der Frühphase der griechischen Hochkultur ein führender Stadtstaat. Im Norden des Peloponnes, im Golf von Korinth gelegen, ging diese mächtige Stadt infolge eines gigantischen Vulkanausbruchs auf Santorin (dem alten Thera) und des damit verbundenen Tsunamis im dritten Jahrhundert vor Christus unter. Der zu dieser Zeit lebende Philosoph Platon soll vom Untergang Helikes zu seinem Epos "Atlantis" inspiriert worden sein.
Auch ohne die Texte vorliegen zu haben, wird schnell offensichtlich, dass "Helike" die Geschichte des Untergangs dieser antiken Stadt erzählt. Die Instrumentierung von "Part I" lässt auf die Schönheit und Macht, die Geschäftigkeit dieser Metropole der Bronzezeit schließen, während "Part II" - auch das erscheint logisch - zunächst von der Zerstörung durch Urgewalten und der verzweifelten, ausweglosen Flucht der Bewohner handelt. Der dissonante Mittelteil symbolisiert wohl, dass kein Stein mehr auf dem anderen steht. Danach herrschen 'liquide' Töne vor - der Schutzpatron Helikes, der Gott des Meeres Poseidon, der auch das apokalyptische Cover ziert, regiert nun wieder diese im Meer versunkene Stadt. Wenn "Helike" ausklingt, meint man, die Grundmauern noch unter der Wasseroberfläche sehen zu können.