Dead Rat Orchestra / The Guga Hunters Of Ness
The Guga Hunters Of Ness Spielzeit: 32:32
Medium: CD
Label: Critical Heights, 2012
Stil: Pop

Review vom 19.10.2012


Wolfgang Giese
Hier regiert die Fauna: tote Ratten und Gugas = Gannets = Basstölpel. 'Guga Hunter' - ein mir völlig neuer Begriff. Mein Freund John, der auf der Isle of Lewis lebt, konnte mich aufklären und sandte mir gleichzeitig dazu eine aktuelle Meldung aus der Region, datiert vom 3. September diesen Jahres:
»A cracked piston crown on the engine of Stornoway ferry MV Isle of Lewis will see her taken off the route over the next two days to undertake repairs. Cracked piston crowns on each of the MV Isle of Lewis' twin engines caused two separate breakdowns a Guga hunt. ( 3/9/12) The Ness guga hunters have returned with their haul after two weeks of harvesting on Sùla Sgeir, some 40 miles north of Lewis. They have a special licence from the Scottish Government catch up to 2,000 of the the plump but pungent, greasy, mackerel-tasting gannets at the weekend.«
Auf Deutsch und kurz gesagt: Es handelt sich um Jäger, die es auf das Fleisch der Gugas abgesehen haben. Dazu noch ein kurzer Ausflug ins Tierreich: Gugas (gälisch) sind Basstölpel, die auf der Lewis vorgelagerten Insel Sula Sgeir leben. Aufgrund einer Sondergenehmigung dürfen die Bewohner von Ness of Lewis jedes Jahr 2000 dieser Vögel töten, gemäß einer noch heute gepflegten Tradition. So, und dieses Jahr sind sie dann wohl steckengeblieben.
Aber nun zur Musik, die möglicherweise vor diesem geschichtlichen Hintergrund eine besondere Wirkung entfaltet. Das wirkt in etwa auch so wie Minimalmusik à la Terry Riley, ist aber doch anders, wird hier doch mit konventionellen Instrumenten gearbeitet. Geigen, E-Piano und andere Instrumente schaffen eine Atmosphäre zwischen Traum und Realität, zwischen Düsternis und Melancholie ("The Gershwin And The Guga"). Kaum lässt man sich darauf ein, scheint der Körper wie von einer Lähmung befallen, eine gewisse Art von Entschleunigung ist zu spüren, eine klare Struktur lässt sich nicht erkennen, es scheinen einfach nur Klangflächen zu existieren, die Raum für eigene Improvisation im Kopf lassen... Grundsätzlich ist es dem Hörer insofern überlassen, sich die eigenen Texte dazu im Kopf zu formen, denn die Musik ist, bis auf den siebten Titel, bei dem ein Chor eingesetzt wird, rein instrumental. Ab und zu werden Laute der menschlichen Stimme klanggestaltend genutzt - fast ein Gesang, als würde eine Klage geführt. Ich spüre ein wenig von der Atmosphäre der Musik der Third Ear Band - einige Passagen sind sehr ähnlich und durchaus vergleichbar.
Zum Schluss "Guga End Theme": Ein drohnenhafter Sound von der Orgel, über dem die Fiddle zu lamentieren scheint - es entstehen Bilder im Kopf, über Hebriden, Einsamkeit, Unendlichkeit, Frieden, wir treffen auf Skizzen keltischer Folklore, den Dudelsack im Hinterkopf, menschliche Stimmen formen Laute, fast ein Gesang, als würde eine Klage geführt...
Oft klingt das schon fast wie Musik, die in den Sechzigern unter Einfluss bestimmter bewusstseinserweiternder Drogen fabriziert wurde. Nun, über die Bedingungen in den Studios ist mir nichts bekannt - aufgenommen wurde die Musik dieser Platte jedoch auf einem ausgemusterten Feuerschiff in der tideabhängigen Atmosphäre eines Schiffes, auf einem Fluss in Essex. So zumindest besteht ein direkter Bezug zum Inselthema.
Ursprünglich wurde aufgenommen, um der BBC-Dokumentation "The Guga Hunters of Ness" einen Soundtrack zur Verfügung zu stellen. Doch auch auf CD wird automatisch ein Film im Kopf gestartet, sodass die Funktion einwandfrei erfüllt wird.
Dies ist Musik der absolut ungewöhnlichen Art. Musik, die fordernd ist, auch im Fallenlassen, auch beim Entspannen, weil viele Emotionen frei werden können und so für jeden Hörer/jede Hörerin ein anderes Bild entwirft, faszinierend! Vorsicht, schnell kann man gefangen werden und nur noch treiben... und träumen.
Line-up:
Daniel Merrill (violin, cello, piano)
Robin Alderton (banjo, harmoniumn, blown organ pipes)
Nathaniel Mann (traditional instruments charango, taishogoto, guitar drums)
The Ness Church Choir (vocals - #7)
Tracklist
01:Joy/Sorrow (Sula Sgeir)
02:Dods' Banjo
03:Black And White Houses
04:The Heather Isle
05:The Gershwin And The Guga
06:Sunrise
07:Salt Slide
08:Dods' Banjo (Ness Social Club)
09:Guga End Theme
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