Deadsoul Tribe / The Dead Word
The Dead Word
Auf "The Dead Word", dem 05'er Output von Deadsoul Tribe, befindet sich ein unglaublicher, ein grandioser Song. Beim ersten Umlauf schon bin ich an Track Nr. 9 hängen geblieben und seitdem steht der CD-Spieler auf ‚Song Repeat'. "My Dying Wish" wird auf dem nächsten der berüchtigten Wahnwirtz-Best-Songs-of-all-Times-Sampler enthalten sein. Und auf dem übernächsten wahrscheinlich auch. "My Dying Wish" kann nur als Hit bezeichnet werden und zwar in der respektvollsten und positivsten Interpretation dieses großen, aber bei Musikfans nicht unumstrittenen Wortes.
Es beginnt mit einem kurzen Percussion-Intro, das bald durch eine futuristische, elektronische Rhythmusklangfarbe begleitet wird. Devon Graves singt im ersten Teil abwartend, aber eindringlich. Die Wortechos bewirken ein demütiges Ambiente. Im zweiten Teil des Songs - mittlerweile spielt die Rhythmusgitarre mit gedämpftem Stakkato eine gewichtige und bereichernde Rolle - intoniert Devon die Strophe zweistimmig. Die Emotion bleibt schwermütig, aber irgendwie zündet ein Hoffnungsfunken in der dunklen Ecke der Verzweifelung. Teil Drei beschert die vocalistische Steigerung. Behutsam instrumentiert gewinnt der Gesang an Volumen und an Wirkung. Die Nackenhaare stellen sich zu Berge, was sage ich, zu Nackenhaar-Gebirgsketten. Im Teil Vier folgt endlich, aber dennoch viel zu früh, der Kulminationspunkt von "My Dying Wish". Fast rock-soul-artig wird der Musikfan durch die Textzeile " Take me to the place where I belong " bezaubert…. Danach in Teil Fünf gönnen Deadsoul Tribe dem Zuhörer all das komprimiert hintereinander, inklusive netten Kabinettstückchen, wie einem groovigen Basslauf im Teil 5.1.
Für diesen Song schon mal 10 RockTimes Uhren. Er wird die Zierde jedes ernstzunehmenden Rock-Cafes werden, falls es dort draußen noch Pächter gibt, die es ernst nehmen.
Der übrige Teil des Albums kann das Niveau von "My Dying Wish" nicht wirklich halten. Irgendwie ist die ganze Stimmung der sonstigen Songs anders. Die Riffs sind düsterer und härter, die Atmosphäre unterkühlt und der Gesang dimensionsloser. Das klingt jetzt nur so relativierend, weil "My Dying Wish" so außergewöhnlich gut ist. "The Dead Word" ist eine sehr gute CD geworden. Das Songwriting beweist eine große innere Reife. Daneben ist es eine wirkliche Freude zu hören, mit welcher Raffinesse die Percussion eingesetzt werden. Sie nehmen einen gehörigen Teil des Klanguniversums ein und lassen die Scheibe sogar etwas experimentell erscheinen. Starke Refrains wie beispielsweise bei "Some Sane Advice" bringen die Absichten der Band auf den Punkt. Sie wollen unterhalten, haben allerdings auch etwas zu sagen. Devon dazu: "Der Albumtitel mutet düster an, ist aber gar nicht so konzipiert. Viele Stücke sind hoffnungsvoll. Meine Gedanken kreisen um Mensche, bei denen man die Kraft spürt, sich aus eigener Kraft vom Leid zu befreien. "
Deadsoul Tribe Vordenker Devon Graves erweist sich als Multiinstrumentalist. Die Gitarren, die Flöte und die Keyboards gehen auf sein Konto. Die Trommelei hingegen fällt in den Zuständigkeitsbereich von Adel Moustafa. Die Band vervollständigt sich durch den Rhythmusgitarristen Rollz Kerschbaumer und Basser Roland Ivenz. Dieses Line-Up spielt natürlich auch die Deadsoul Tribe-Shows.
Die Produktion und die Mixerei hat Devon Graves im Alleingang durchgezogen. Das Ergebnis kann sich auch aus dieser Warte gesehen hören lassen. Insbesondere wenn es doomig wird, verbreitet der Sound den passenden Höreindruck. Es geht in den Keller und zwar über eine alte Steintreppe. Der Lufthauch läst den Besucher frösteln und man spürt die gewisse Feuchtigkeit. Ein gutes Beispiel dafür ist die schleppende Nummer "Waiting In Line". Es klingt gruselig schön, wenn Graves mit mehreren Stimmen hantiert. Beklemmend wird es, sobald er dazu die Flöte bedient. Diese Instrument kann, in homöopathischen Dosen eingesetzt, Wunder bewirken.
Aber was hilft es? Ich ertappe mich gerade dabei, wie ich mal wieder Song Nr. 9 anskippe. Empfehle ich euch übrigens auch und zwar von ganzem Herzen. Es gehen 8 RockTimes- Uhren an Devon und seine Bande für das Gesamtwerk, zuzüglich 10 Uhren für den Song 9, wie oben angeführt. Macht also 18 Uhren....von höchstens 10 Uhren. Was passiert hier? Irgendwie stimmt was nicht mit der Arithmetik. Das ist mir zu hoch. Ende!


Spielzeit: 46:57, Medium: CD, InsideOut Music/SPV, 2005
1:Prelude: Time And Pressure 2:A Flight On An Angels Wing 3:To My Beloved 4:Don't You Ever Hurt? 5:Some Sane Advice 6:Let The Hammer Fall 7:Waiting In Line 8:Someday 9:My Dying Wish 10:A Fistful Of Bended Nails 11:The Long Ride Home
Olli "Wahn" Wirtz, 10.11.2005