In diesem Jahr beschert uns der Weihnachtsmann mit einem großen Stapel Deep Purple-CDs. Vor kurzen haben wir über die Original Album Classics-Serie berichtet, und jetzt liegt bereits die nächste Mehrfachscheibe in meinen Händen. Auf zwei CDs sind 27 Tracks gebrannt, die in den Studios der BBC zwischen 1968 bis 1970 aufgezeichnet wurden. Zeitgleich erschienen vor ein paar Tagen die CD und DVD "Live In Montreux 2011" sowie eine weitere Doppel-CD mit bisher unveröffentlichten Live-Titeln der Band. Damit wird sich die Redaktion in den nächsten Tagen beschäftigen, um kundzutun, ob das Gabenfest damit gerettet werden kann, oder nicht.
Den jüngeren, und vermutlich ungeübteren Hörern sei vorweg gesagt, das es sich bei den BBC Sessions um Mono-Aufnahmen handelt. Jetzt werden sich einige sicherlich fragen, was das bedeuten soll. Ganz einfach, alles kommt nur aus einem Lautsprecher und somit kann links und rechts nicht unterschieden werden. Über Kopf- bzw. Ohrhörer klingt es, als wenn die Band genau in der Mitte vor dem Hörer spielt. Aber werft euren Player erwartungsvoll an und lasst euch überraschen, wie das klingt. Damals war noch nicht jeder im Besitz einer vernünftigen Stereoanlage, und deshalb haben viele Bands, besonders wenn sie im Radio aufgetreten sind, keinen Wert auf die kostspielige Stereotechnik gelegt. Schnell aufbauen, schnell die Titel runterspielen, ein paar Interviews zur Information der Hörer, schnell wieder abbauen, und Tschüss. Genau in diesem Tempo werden die Songs auf "The BBC Sessions 1968 - 1970" runtergerissen. Einziger Lichtblick der Doppel-CD ist, dass es sich um wahre Schätzchen für den Sammler handelt. Diese Schätze verbergen sich im Detail. Ein Interview mit dem ersten Sänger Rod Evans, aus der sog. Mark I-Besetzung, sowie Coversongs der Beatles und Jimi Hendrix, und Songmaterial, das bislang noch nie veröffentlicht wurde. Besonderem Interesse sollte auch dem Booklet gewidmet werden. Dieses ist recht ausführlich geschrieben und sehr gut bebildert.
CD 1 wurde ausschließlich mit der Mark I-Band eingespielt, bei der neben den üblichen Verdächtigen wie Jon Lord, Blackmore und Paice, Nick Simper den Bass bediente und Rod Evans in's Mikrofon hauchte, weshalb er auch zwei Jahre später ausgehaucht hatte und gegen Ian Gillan ausgetauscht wurde. Damals gerade auf dem aufsteigenden Ast, hatten Deep Purple allerdings schon diverse Trümpfe im Ärmel, die bei der BBC auch sehr gut ausgespielt wurden. Darunter "Hush" in zwei Versionen, "Emmaretta" und den absoluten Instrumental-Ohrwurm "Wring That Neck".
In vielen Songs ist dabei deutlich die Dominanz von Jon Lord und Ritchie Blackmore zu hören. Geprägt von der damaligen Zeit, experimentieren Deep Purple in Songs wie "Hey Bop A Re Bop" und "The Painter" im Funk-Bereich oder hängen sich klanglich bei "One More Rainy Day" in der Hippie-Ära auf. Zu Zeiten der Selbstfindung seien ihnen diese musikalischen Ausbrüche verziehen. Eine eher ungewöhnliche, aber sehr gute Version des Beatles-Titels "Help!" geben die fünf bei der BBC zum Besten. Wer den Song im Original in den Ohren hat, wird sich wundern, wie er von Deep Purple interpretiert wird. Das zweite Coverstück "Hey Joe" von Hendrix ist dagegen sehr an die Ur-Version angelehnt. Ein Filetstück für Blackmore, der ja jede Möglichkeit nutzt, um im Mittelpunkt zu stehen.
In der Mitte der ersten CD ist ein 1:27 Minuten kurzes Interview mit Rod Evans eingestreut, welches aber aufgrund der kurzen Laufzeit nicht sehr informativ ist. Lediglich seine weiche Stimme ist zu hören, und nach Dominanz, wie es sich für einen Frontmann einer Hard Rock-Band gehört, klingt es auch nicht.
Zum Schluss der ersten Scheibe werden mit den Wiederholungen von "The Painter" und "Hush" die bekanntesten Stücke von Deep Purple aus einer laufenden Radiosendung abgekupfert und dabei mit der Stimme des Moderators untermalt. Beide Songs bieten nette Erkenntnisse, wie damals eine Band im Radio promotet wurde.
Im Ganzen ist CD 1 ein sehr gutes Stück Musikgeschichte und hat mich trotz Mono sehr erfreut. Lassen wir uns überraschen, was CD 2 mit neuem Sänger und Bassisten zu bieten hat.
Deep Purple zeigen in ihrer besten, der Mark II-Besetzung, von Beginn an, dass sie mit dem neuen Sänger Ian Gillan einen der ausdrucksstärksten Vokalisten des Hard Rock in ihren Reihen haben. Seine musikalische Bandbreite ist fast unerschöpflich und sollte die Band in bis dato noch unbekannte Dimensionen führen. Auch mit der zweiten Errungenschaft am Bass, Roger Glover, hat die Formation nun endlich eine treibende Kraft, die sich hervorragend mit Drummer Ian Paice ergänzt, und auch in der Lage ist, ein gutes Solo zu spielen.
Im Eröffnungssong "Ricochet" ist deutlich zu hören, in welche Richtung die Entwicklung geht. Das klingt alles schon sehr nach "In Rock", viel druckvoller und typisch Purple.
Einen kleinen Ausflug in vergangene Zeiten wird noch mit "Bird Has Flown" präsentiert, bevor ab dem dritten Track "Speed King" nur noch der neue Sound zu hören ist. "Hard Lovin' Man", "Bloodsucker" und "Black Night" sind hier in ihren Ursprungsversionen zu hören, bevor sie später in die Rille gepresst und zu gigantischem Erfolg verhelfen werden. Schön ist es dabei, die Unterschiede zu vergleichen und zu hören, wie sich ein Song über die Jahre zur Perfektion entwickelt. Zwischendurch kommen einige weniger bekannte Tracks zum Zuge, wie "Living Wreck" als Radiosong, bei dem der Moderator Gitarrist Ritchie Blackmore besonders hervorhebt, oder "Grabsplatter", ein sehr schnelles Instrumental, beide sind ebenfalls eine große Bereicherung der Doppel-CD. Wiederum ist in der Mitte ein Interview eingestreut. Dieses Mal mit Tastenvirtuose Jon Lord, der deutlich gesprächiger ist, aber hauptsächlich über die Produktion von "Black Night" redet. Highlight der zweiten CD ist der Abschlusstrack und mein persönlicher Favorit "Child In Time". Hier noch in der ersten Fassung vorgetragen und dennoch so eindrucksvoll gespielt, dass es bis zum letzten Ton ein absoluter Hörgenuss ist.
Mein Fazit: Diese Doppel-CD "BBC Sessions 1968 - 1970" ist ein absolutes Muss für jeden Liebhaber von Deep Purple. Egal ob man nun die ersten Werke aus den 60er Jahren mag oder nicht. Beide CDs sind nur so mit Raritäten gespickt und gehören in jede Sammlung.
Line-up CD 1:
Rod Evans (vocals)
Jon Lord (keyboards)
Ritchie Blackmore (guitar)
Nick Simper (bass)
Ian Paice (drums)
Line-up CD 2:
Ian Gillan (vocals)
Jon Lord (keyboards)
Ritchie Blackmore (guitar)
Roger Glover (bass)
Ian Paice (drums)
Tracklist |
CD 1:
01:Hush [version one] (4:01)
02:One More Rainy Day (2:52)
03:Help! (5:21)
04:And The Adress (2:06)
05:Hey Bop A Re Bop (3:31)
06:Emmaretta (3:07)
07:Wring That Neck (4:42)
08:Brian Matthew Interviews Rod Evans (1:27)
09:Hey Joe (4:02)
10:It's All Over (4:14)
11:The Painter [version one] (2:18)
12:Lalena (3:32)
13:The Painter [version two] (2:44)
14:I'm So Glad (3:32)
15:Hush [version four] (2:28)
|
CD 2:
01:Ricochet (3:07)
02:Bird Has Flown (3:04)
03:Speed King (3:25)
04:Jam Stew (3:56)
05:Hard Lovin'Man (4:13)
06:Bloodsucker (3:17)
07:Living Wreck [version two] (2:57)
08:Brian Matthew interviews Jon Lord (1:35)
09:Black Night (3:28)
10:Grabsplatter (4:32)
11:Into The Fire (3:48)
12:Child In Time (10:48)
|
|
Externe Links:
|