Wenn man ein 10-jähriges Club-Jubiläum zu feiern hat, dann sollte man seinem Stammpublikum etwas Außergewöhnliches bieten. So buchten die Macher des Café Garbáty im Berliner Stadtteil Pankow,
Wolfgang Spors und sein Freund
Eddy Czesnick für den 30. Mai 2010
Jesus Volt, um ihren treuen Fans zum wiederholten Male ein Abschiedskonzert zu präsentieren, da der kultige Club bis heute immer noch keinen festen Standort finden konnte. Zum einen scheitert es an den zu hohen Mieten der aktuellen Wirkungsstätte Queens, die sich bisher als guter Veranstaltungsort erwiesen hat, auch eventuelle Räumlichkeiten im Kesselhaus sind noch nicht unter Dach und Fach. So ist man ziemlich auf sich allein gestellt und beide gehen nach wie vor oft ans finanzielle Limit!
Das Schicksal meinte es allerdings diesmal sehr gut mit den Berliner Blues-Fans, denn
Eddy bekam einen überraschenden Anruf vom Manager der US-Band
Delta Moon, die einen Gig anboten, und stellte spontan sein Improvisationstalent unter Beweis, um die Amerikaner kurzfristig ins Programm zu nehmen. Eine logistische Meisterleistung! So kamen die Fans an diesem Abend in den Genuss eines weiteren Highlights, zumal es sich hierbei auch noch um die Berlin-Premiere des aus Atlanta stammenden Quartetts handelte.
Recht pünktlich, ca. 21.15 Uhr, schnappte sich
Czesnick das Mikro, um seine Gäste gebührend anzusagen. Diese eröffneten ihren Gig noch ziemlich verhalten, im Stil ihrer aus dem Delta stammenden Wurzeln. Doch meine geschulten Augen und Ohren stellten sofort ihre außergewöhnliche Professionalität und ihre tolle Eingespieltheit fest! Die beiden Frontmänner, Sänger und Gitarrist
Tom Gray sowie sein Pendant
Mark Johnson, ebenfalls ein glänzender Klampfer, erwiesen sich häufig als Meister des Slide-Gitarrenspieles! Während Bassist
Franher Joseph die vier dicken Saiten seines Spielgerätes gekonnt bearbeitete, genoss er in den kurzen Pausen leckeres, trübes Weizenbier, von dem er einige Gläser vertilgte, ohne gleich in eine Schlagseite zu verfallen. Schlagzeuger
Darren Stanley, ebenfalls Genießer von Hefe-Getränken, erwies sich als glänzender Taktvorlagengeber, hatte viel Dynamik zu bieten, ließ seine Sticks gekonnt durch die Luft wirbeln und bot später ein glänzendes Solo!
Tom, dessen Stimme sehr rauchig und harmonisch wirkte, saß direkt vor mir und bot mir so glänzende Foto- und Filmmotive, von denen ich reichlich Gebrauch machte! Dabei demonstrierte er, dass man auch sitzend mit einer Lap-Steel auf dem Schoß, toll musizierend für Stimmung sorgen kann, die sich später zu einer wahren Tanz-Party entwickeln sollte, wie ich es in dieser Form noch nie bei einem Konzert erlebt hatte!
Ihr Programm bot neben Songs aus allen sechs seit 2002 erschienen Alben natürlich auch ganz speziell Titel von ihrer letzten CD "You'll Never Get To Heaven On A Hellbound Train".
Nach einer knappen Stunde hieß es erstmal durchatmen, und als
Tom sein Köfferchen, das mit reichlich Silberlingen ausgestattet war, öffnete, gab es für die Fans kein Halten mehr, sodass die US-Blueser alle Hände voll zu tun hatten, um die Scheiben zu signieren und sich anschließend mit dem Anhängern ablichten zu lassen. So entwickelte sich eine eher untypisch lange Pause von über dreißig Minuten! Doch der amerikanische Vierer war sofort wieder auf voller Betriebstemperatur und überraschte die Anwesenden mit einer tollen Showeinlage, indem sie die Bühne verließen, mich und meinen Nachbarn unserer Stühle beraubten, sich darauf platzierten, wobei sie sich wie Schachspieler gegenüber saßen und einen fantastischen Dialog (siehe unteren Clip) über ihre Klampfen führten, den ich nur als absolute Spitzenklasse bezeichnen kann! Von da an nahm die Show einen ungewöhnlichen Lauf! Die Verbindung zwischen Fans und Musikern war endgültig hergestellt! Ich hatte längst meinen Frontplatz aufgegeben um nun, neben der Bühne stehend, die Atmosphäre auf mich einwirken zu lassen. Was ich da dann registrierte, war der komplette Ausnahmezustand des Garbáty. Wer erst jetzt dazukam, der musste vermuten, in eine Privatfete geplatzt zu sein! Es wurde gejohlt, gepfiffen, geklatscht und vor allem getanzt, was das Zeug hielt! Auch
Eddy und Gattin schwangen ihre Hüften. Selbst die älteren Hasen waren nicht zu bremsen und der weibliche Anhang erst recht nicht!
Von dieser wahnsinnigen Stimmung angesteckt, entschloss sich die Band, ihr Schlagzeug auseinander zu nehmen und jeweils mit einer Trommel oder Percussion bewaffnet ins Publikum zu marschieren, um die Fans mit
»All Night Long«-Rufen zum Refrain-Gesang zu animieren und den Club in völlige Ekstase zu bringen.
Und genau hier scheint das Erfolgsrezept von
Delta Moon zu liegen. Während bei vielen Bluesbands meist der Gitarrist zu glänzen weiß, ist es hier die Gesamtheit der Band! So wurde man mit tollem Swamp-Blues Rock in wundervoller Vollendung verwöhnt. Um Mitternacht fand das Konzert sein Ende und hinterließ nur glückselige Zeitzeugen, die kaum Anstalten machten, die Wirkungsstätte zu verlassen. Eher wurde über den Gig reichlich gefachsimpelt, und alle waren sich einig, bei etwas ganz Besonderem dabei gewesen zu sein! Hätte man die Band anschließend zu einer Doping-Kontrolle aufgerufen, so wäre mit großer Wahrscheinlichkeit nur 'blaues Blut' festgestellt worden - aber nicht nur aufgrund vom Verzehr diverser Hopfengebräue!
Im Namen von
RockTimes bedanke ich mich bei
Eddy für die unkomplizierte Akkreditierung! Für die Betreiber des Clubs hätte ich noch einen Tipp parat: Ladet doch mal Pankows Kulturstadtrat
Dr. Michael Nelken ein, damit dieser sich selbst überzeugen kann, welch großartige Künstler im Kult-Café auftreten. Vielleicht besinnt er sich dann bei den Senatsbeschlüssen darauf, dass bei Bildung, Wissenschaft und Kultur nicht gespart werden darf! Vielleicht unterstützt er dann das Garbáty. Schließlich wäre es jammerschade, falls dieses Stück Pankower Kultur von der Bildfläche verschwinden würde!