Depeche Mode / A Broken Frame
A Broken Frame Spielzeit: 40:28
Medium: CD
Label: EMI, 1982
Stil: Elektro Pop


Review vom 12.12.2011

  
Holger Ott
Anfang der 80er Jahre begann in der Musik ein Umbruch. Große Bands der Hard Rock-Szene hatten ihren Höhepunkt erreicht oder diesen bereits weit überschritten. Erinnern wir uns dabei an Namen wie Deep Purple, Led Zeppelin oder Black Sabbath. Die Punk-Bewegung fing langsam an zu nerven und brachte nichts Weltbewegendes mehr hervor und der musikalisch interessierte Nachwuchs, der sich mit keiner vorhandenen Musikrichtung identifizieren konnte, suchte nach neuen Horizonten.
Kraftwerk und Tangerine Dream aus Deutschland waren zu dieser Zeit auf der ganzen Welt gefragt und mega-angesagt. Inspiriert von diesem Phänomen wurde der New Wave geboren und dessen Extremableger New Romantic. Extrem deshalb, weil die Fans dieses Genres nicht nur die Musik liebten, sondern mit ihrer gesamten Lebensweise, vom äußeren Erscheinungsbild bis zur Wohnungseinrichtung, einen völlig neuen, bisher noch nie dagewesenen Stil kreierten, der eine gewaltige Welle auslöste. Endlich hatten die Menschen den Mut, ihre Gefühle öffentlich zu zeigen oder sich mit ihrem Fetisch zu outen. Elegante Kleidung war plötzlich bei den Konzerten angesagt und ganze Modekonzerne rieben sich in Anbetracht dessen die Hände. Aus Haaren wurden wahre Kunstwerke gestaltet und bescheidene Höflichkeit war an der Tagesordnung. Männer fingen an sich zart zu schminken und die Treffpunkte der Szene waren in futuristischem Ambiente gehalten. Longdrinks statt Bier und oberflächliche Gespräche bestimmten den Abend während im Hintergrund dezente Musik von OMD, Gary Numan oder The Human League lief.
Angetrieben von dieser Welle, formierte sich eine junge Band in England, die wie so viele anfangs eher schlecht als recht akzeptiert wurde. Nach diversen Namensänderungen und Mitgliederwechseln stieß Anfang 1980 ein gewisser Dave Gahan zur Band, verpasste ihr den Namen Depeche Mode, drückte durch seine markante Stimme einen unverwechselbaren Stempel auf und brachte Kompositionen ein, die zu Weltruhm führen sollten. Kurz nach seinem Beitritt wurde 1981 ihr erstes Album "Speak And Spell" veröffentlicht, was allerdings aufgrund der Flut von neuen New Wave- und New Romantic-Bands im Mittelmaß verhallte. Erst mit ihrem zweiten, deutlich experimentierfreudigerem Album "A Broken Frame" gelang ihnen der erste Achtungserfolg, und nach einer ausgiebigen Tour wuchs die Fangemeinde stetig.
Die inzwischen auf drei Mitglieder reduzierte Band schob Dave Gahan immer weiter in den Vordergrund und ließ sich völlig von seinen Ideen beeinflussen. Auf der Bühne fanden sich nur noch Keyboards, und Lichtkunstwerke lenkten das Auge des Betrachters von der Bewegungslosigkeit der Musiker ab. Diese Minimalausstattung im Gegensatz zu den immer gewaltigeren Bühnendekos der Superbands wie Pink Floyd oder Yes kam bei den Fans außergewöhnlich gut an und versetzte bei den Konzerten ganze Heerscharen in Verzückung. Der Band fehlte nur noch ein Hit in den Charts und alles wäre 'on top'. Gelingen sollte es ihnen mit "The Meaning Of Love" vom "A Broken Frame"-Album.
Betrachtet man das Booklet und natürlich speziell die Bilder der Protagonisten, so sehen die drei doch verdammt jung aus; zwar perfekt gestylt, aber kaum vorstellbar, dass sie eines Tages mit ihrer Musik Geschichte schreiben sollten. Dabei setzt "A Broken Frame" nur kleine Meilensteine und die Stimme von Gahan klingt noch etwas sehr weich und zurückhaltend. Besonders auffällig ist, dass beim Opener "Leave In Silence" alles nach einer Schülerband klingt. Erste Klangexperimente findet man bei "My Secret Garden" in dem schon leichte Andeutungen zu verzeichnen sind, in welche Richtung die Band später gehen wird. Die Richtung heißt Industrial und wird Depeche Mode dazu führen, die Stadien der Welt zu füllen, um ihre einzigartige Show genießen zu können.
Sind die ersten beiden Songs vom "A Broken Frame"-Album vom Rhythmus des Drumcomputers geprägt, so kommt das Trio beim sehr ruhigen "Monument" völlig ohne Takt-Treiber aus. Sanfte Keyboardteppiche begleiten Gahans leise Stimme um anschließend in das gesangslose Stück "Nothing To Fear" überzugehen. Erster Ohrwurm der CD ist das ebenfalls ausgekoppelte "See You", welches sofort nach Erscheinen zum Chart-Stürmer avancierte. Kein Wunder, bei den einprägsamen Keyboard-Akkorden der Herren Gore und Fletcher. Nachdem es mit "Satellite" wieder etwas geschmeidiger wird, folgt darauf sogleich ihr Mega-Seller und der zum Durchbruch verhelfende Hit "The Meaning Of Love". Dem ist nichts hinzuzufügen, außer, das dass Stück nach wie vor von einschlägigen Radiostationen gespielt wird und auch noch seinen Platz in den Diskotheken innehat.
Ein paar Takte zügiger geht es auf "A Photograph Of You" voran. Die Keyboarder wirbeln nur so über die Tasten und die Drummaschine legt ein gutes Tempo vor. Dementsprechend kommt Dave Gahan gesanglich deutlich kräftiger rüber und wie man viele Jahre später bei "Personal Jesus" oder "Master And Servant" hören wird, liegt ihm diese Gangart wesentlich besser, wie auch seine Verwandlung zur 'Dunklen Seite der Macht' veranschaulicht.
Was wären die New Romantiker wenn sie nicht leicht in den Psychedelic-Bereich abdriften würden? Somit gibt ihnen Depeche Mode das Stück "Shouldn't Have Done That" auf die Ohren, welches ich als zu lahm und zu weich empfinde. Einzig positiv ist, dass es eine weitere Facette der Band zeigt. Zum Abschluss von "A Broken Frame" gibt sich das Trio noch einmal sehr zukunftsorientiert und zeigt mit "The Sun And The Rainfall" wohin der Weg auf der nächsten CD gehen wird.
Depeche Mode haben sich in den Folgejahren zu einem Meilenstein der Musikgeschichte entwickelt, dessen besonderer Verdienst an Martin Gore und Dave Gahan geht. Mit ihrer experimentellen Art und Weise, und wie sie sich dabei auf der Bühne präsentieren, regten sie viele Nachfolger wie z.B. Rammstein an, die einiges kopierten, um es in ihrem Genre weiterzuentwickeln. Denken wir nur an Konzerte von Depeche Mode bei denen die Songs mit funkensprühenden Schleifmaschinen verfeinert wurden, oder der Takt mit glühenden Stählen auf Ambossen geschlagen wurde. Feuerspeiende Schlote als Dekoration gaben Anspielungen zu "Terminator" und die optische Wandlung der Musiker vom New Romantic-Style mit weißem Rüschenhemd zu Hardcore-Leder ließ die Freunde diverser Randgruppen jubilieren. Viele namhafte Musiker der letzten Jahrzehnte nahmen sich sehr erfolgreich den Depeche Mode-Stücken an, wie z.B. Marilyn Manson. Einen schöneren Ritterschlag kann es für eine Band nicht geben.
Line-up:
Dave Gaham (vocals)
Martin Gore (keyboards)
Andrew Fletcher (keyboards)
Tracklist
01:Leave In Silence (4:52)
02:My Secret Garden (4:46)
03:Monument (3:15)
04:Nothing To Fear (4:18)
05:See You (4:35)
06:Satellite (4:44)
07:The Meaning Of Love (3:07)
08:A Photograph Of You (3:04)
09:Shouldn't Have Done That (3:12)
10:The Sun And The Rainfall (5:05)
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