Man stelle sich vor: Die Idylle eines sonntaglichen Kaffeetisches, eine große Vase mit roten Blumen, ein weißer Tisch mit weißen Tellern und weißen Tassen, leckerer Kuchen und im Hintergrund eine weiße Wand.
Haaaach.
Wer würde es wagen, diese herrliche Idylle zu zerstören?
Die werten Herren von Der dicke Polizist, kurz ddp, tun es!
Die vier Punkrocker, die sich 1993 in Koblenz zusammengeschlossen und 1998 ihr erstes Album "Es geschah am hellixten Tag" veröffentlicht haben, machen mit ihrer neuen Platte "Tempo Alter" nach ihrem letzten Album von 2008 ("Alexithymie") endlich mal wieder richtig Dampf. Neun Songs über verschiedenste Themen gibt's hier auf die Ohren.
Doch der größte Kritikpunkt vorneweg: Man sagt, Punk bestünde nur aus drei Akkorden und insgesamt aus acht Tönen. Bei "Tempo Alter!" trifft das leider zu, die Lieder klingen ähnlich und sind dennoch zu unterscheiden.
Die Texte sind gut, ddp greifen sämtliche Alltagsthemen von utopischen Träumen ("Mittelmeer") bis hin zum Tod ("Kennengelernt", "Schwarze Rose", "Paul ist tot") auf. Die Lieder sind zeitlos und einige sind nicht so einfach zu deuten, sind eher allgemein gehalten und doch so bedeutungsvoll, wenn man nur richtig auf den Text hört. In "Kennengelernt" geht es um ein Kind, das von den Geschehnissen immer weiter in die Ecke gedrängt wird, das schon früh lernt, Verluste zu machen, zu vermissen, obwohl es sich das alles ganz anders wünscht. Jahre später ist das Kind ein Mann geworden und hat selbst ein Kind.
»Der Vater spricht zum Sohn, als hätte er es einmal anders gelernt,
Der Versuch, die Lücke zu schließen, mit Rat und Tat und Mut
Und überhaupt läuft alles besser, doch in vielen Momenten tut es noch weh,
So schmerzhaft weh.«
Ich würde es jetzt so interpretieren: Das Kind wächst in der Kriegszeit auf. Der Vater muss als Soldat kämpfen und stirbt im Krieg. Das Kind kann nicht verstehen, warum sowas passieren muss und weiß nicht mit dem Verlust des Vaters umzugehen. Es träumt von einer heilen Welt, so wie es sie sich wünscht. Als das Kind erwachsen ist und selbst Nachwuchs hat, versucht es, diesem genau die Werte zu vermitteln, die es selbst nie erfahren hatte. Dadurch wird es immer wieder an seine unschöne Kindheit erinnert. Im Endeffekt ist es sein Leben lang traumatisiert.
Dies ist nur eine von vielen Varianten, wie man beispielsweise dieses Lied interpretieren könnte.
Was haben wir denn noch so Feines? Song Nummer fünf, "Geschichte". Das Lied geht um die Entwicklung der Punk-Szene und ddp geben ein ganz klares Statement zu dem Thema ab:
»Wer ist Geschichte, die Szene oder wir?
Und wer Geschichte schreiben will, der bleibt besser hier!«
Die Jungens von Der Dicke Polizist werden uns in der Szene hoffentlich noch eine ganze Weile erhalten bleiben, ordentlich Tempo machen und einheizen!
Line-up:
Schmatzel (Gesang, Gitarre)
derthorsten (Gitarre, Gesang)
Wuschel (Bass, Gesang)
Capri (Schlagzeug, Gesang)
Tracklist |
01:Zeit ist Tempo
02:Sterbend diskutieren
03:Auf und ab
04:Mittelmeer
05:Geschichte
06:Hab ich dich, has(s)t du mich
07:Kennengelernt
08:Schwarze Rose
09:Paul
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