Der Rest / Der Tisch ist gedeckt
Der Tisch ist gedeckt Spielzeit: 36:50
Medium: CD
Label: Morganafilms, 2011
Stil: Deutsch Rock

Review vom 29.01.2011


Mike Kempf
Wenn der Bruder zu seiner Schwester meint, dass sie ihm den Rest geben soll, muss es nicht unbedingt bös gemeint sein. Denn als Philipp Taraz das Notenkostüm für sein neustes Werk "Der Tisch ist gedeckt" in trockenen Tücher hatte, er selbst mit den passenden Textpassagen noch am Werkeln war, bat er vermutlich seine Schwester Luisa, den Rest der fehlenden Zeilen mit ihrem Einfallsreichtum zu füllen. Kurzum: Für das sehr anspruchsvolle Textgut des Albums zeigt sich das Geschwisterpaar verantwortlich. Für die Kompositionen der Musik ist Philipp ganz allein zuständig. Nur bei der Umsetzung des Tonträgers war er auf Hilfe einiger Musiker angewiesen. Dafür verpflichtete Taraz exakt sechs Instrumentalisten, die ihn beim Singen unterstützen. Er selbst hat sich einer Akustikgitarre bedient, die aber nicht entscheidend ins Gewicht fällt.
Der erste Check ist in knapp siebenunddreißig Minuten schnell vollzogen und bringt gleich das entscheidende Merkmal der Platte zum Vorschein. Damit meine ich die Textpassagen, die Philipp in einem Mix aus softem Geträller und einem Sprechgesang präsentiert und somit die CD absolut vordergründig prägen. Die Buchstaben- und Wortarchitekten haben für meinen Geschmack mit der Gestaltung der Texte ihre Meisterprüfung abgelegt! Alltagsthemen, mit denen jeder von uns früher oder später konfrontiert werden kann, werden dem Konsumenten mit sehr hoher Qualität offenbart und regen ihn unweigerlich zum Nachdenken an. Dafür gibt's von mir ein dickes Ausrufezeichen!
Instrumental kann ich ebenfalls keine Schwächen entdecken. Ob es jedem Musikfreund gefällt, da habe ich so meine Bedenken. Zum Teil schlagen die Songs, wie etwa "Verfluchte Meeresbucht" oder der Opener "Vorsicht" mit beigemischten Gothic-Elementen etwas auf mein Gemüt. Richtig gut finde ich "An manchen Tagen", "Glück" und das swingende "Nullzeit". Alles Stücke, die ich als Hörproben empfehlen möchte. Der Rest, der zwar keinerlei Qualitätsmängel aufweist, zieht sich bedingt durch die schwerfälligen Streicherelemente oder den mystischen, melancholisch klingenden Gesang Tarazs, etwas schleppend durch den Silberling. Diese Komponenten finden sich auch beim Finalsong "Nachsicht", in dem sogar Deutschlands längst verstorbenem Edeldichter Goethe die ersten Zeilen gewidmet sind.
Fazit: Fans, die auf hochwertiges, extravagantes, deutsches Textgut stehen, kommen an dieser Scheibe nicht vorbei! Für diese tolle Gabe haben sich die Tarazs nur Bestnoten verdient und erinnern diesbezüglich ein wenig an Reinhard Mey. Als gesamtes Werk betrachtet, kann mich das Album nicht gänzlich überzeugen. Alles in allem liegt mir die Scheibe etwas zu schwer im Magen, fehlt mir einfach der Spaßfaktor. Mag sein, dass es daran liegt, weil die Songs alle sehr kritisch aufs Menschendasein ausgelegt sind. Und in der heutigen Zeit, in der Korruption, Hass, Kriege, Diktaturen usw. das Tagesgeschäft prägen, bevorzuge ich zum Abschalten lieber puren Rock'n'Roll. Trotzdem finde ich es gut, dass es Musiker gibt, die sich dieser Problematik annehmen.
Line-up:
Phil Taraz (Gesang, Akustikgitarre)
Anselm Klumpp (Akustikgitarre)
Andreas Maecker (Schlagzeug)
Bouchaib Kaneb (Perkussion)
Jakub Staniewski (Klavier, Orgel)
Daniel Thieme (Kontrabass, E-Bass)
Patricia Hevicke (Geige)
Frauke Halemeyer (Geige)
Tracklist
01:Vorsicht
02:An manchen Tagen
03:Aus dem Fenster gelehnt
04:Glück
05:Wenn die Dämonen kommen
06:Verfluchte Meeresbucht
07:Tief
08:Nullzeit
09:Flucht nach vorne
10:Nachsicht
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