The Dictators / Viva Dictators
Viva Dictators
Ganz zu Anfang mal eine Preisfrage:
Was ist eigentlich Punk?
Was ich - geprägt durch diverse Konzertbesuche zu lokalen Punkbands während meiner Jugendzeit - sonst immer spontan mit diesem Begriff verband, war wildes Gedresche, so laut wie möglich, knallharte Gitarrenakkordarbeit ohne große Melodieführung in kompromissloser Manier, ein 'haufestedruff' an den Toms und Geschrei als Gesang. Bierdosen, die inklusive Schaumdusche für die vorderen Reihen durch die Gegend flogen, tagelanges Ohrenfiepen ob der immensen Lautstärke sowie Leute in Lederjacken mit "Bürste" und Springerstiefeln auf und vor der Bühne...
Ne, Moment mal! So einfach ist das aber nicht werden viele jetzt wohl denken ...
Und so einfach ist das wirklich nicht, auch wenn meine Beschreibung auf die damaligen lokalen Punkbands in meiner Heimat tatsächlich recht zutreffend war.
Schließlich gibt es mit den Ramones oder den Sex Pistols auch namhafte Größen dieses Genres. Und es gibt - die Dictators. Und der Knaller ist, dass ich diese Band bis vor Kurzem noch nicht mal kannte. Umso mehr, weil es die Dictators schon ziemlich lange gibt.
Gegründet wurde die New Yorker Band nämlich bereits 1974, sozusagen im Fahrwasser von solchen Größen wie Flamin Grooves, New York Dolls oder The Stooges.
Das mit dem Fahrwasser indes änderte sich schnell, denn bereits ein Jahr später etablierten sich die Dictators mit ihrem ersten eigenen Album "The Dictators Go Crazy", dem dann 1977 "Manifest Destinity" folgte sowie schon ein Jahr später "Bloodbrothers".
Und mit dem auf diesen sowie auf bis 1981 drei weiteren Veröffentlichungen enthaltenen Material musizierten sich die Jungs, vorwiegend durch Livekonzerte im New Yorker Raum in die Herzen ihrer Fans.
Obwohl die Dictators trotz einiger Umbesetzungen auch in der Folgezeit des öfteren tourten, sollte es über 20 Jahre dauern, bis mit "D.F.F.D" (2001) wieder ein Studioalbum erschien.
Und nun liegt mir die brandneue CD "Viva Dictators" (geplante Veröffentlichung: 08.08.2005) vor. Sie enthält mit insgesamt 16 live bei einem oder mehreren Konzert(en) (?) mitgeschnitten "Proto-Punk-Klassikern" (Originalzitat auf dem Waschzettel der Promotionagentur) einen Querschnitt durch die Schaffenszeit der Dictators.
Zusätzlich gibt es mit "Cars And Girls" noch einen Bonustrack, der bei einem Soundcheck aufgenommen wurde.
Und nachdem die Scheibe sich nun mehrmals in meinem Player schwindlig gedreht hat (und die habe ich heute Nachmittag erst bekommen!), traue ich mir zu, den Begriff 'Punk' im Sinne der Dictators neu zu definieren:
Das hier ist kompromissloser Rock, schnörkellos und geradeaus, vermischt mit althergebrachten punkigen Elementen in Form von deftigen, schnell gespielten und unkomplizierten Rhythmen!
Das ist stellenweise knallharter Rockīn Roll und sägender Gesang!
Das sind zwei Gitarren, die fett und dreckig im Einklang dängeln - oder: das ist Druck!
Das sind stampfende Bassgitarren, mit ebenso stampfenden und punktgenauen Schlagzeugsequenzen!
Das ist trotz aller Härte Melodie, Spannungsaufbau und Eingängigkeit, die den Drive nach vorne nur noch umso mehr unterstützt!
Nehmen wir als erstes einiger Beispiele (wobei alle 16 Tracks der CD als Anspieltips gelten!) das Stück "Haircut and Attitude":
Es geht los in allerbester AC/DC-Manier (erinnert mich in den Anfängen ein wenig an den Kracher "Sin City"), um alsbald in einen stampfenden Rhythmus zu fallen, bei dem quasi die komplette Combo mitstampft. Der Gesang setzt dem Ganzen noch die Krone auf.
Andy Shernoff hat eine Stimme, bei der man das Gefühl bekommt sie sägt einem den Armknochen durch. Wäre ich jetzt alleine dann würde ich Gas geben bis die Boxen durchs Zimmer hüpfen.
Weiter gehtīs mit "Master Race Rock". Nach ein paar einleitenden Gitarrenklängen geht es hinein in treibenden und kompromisslosen Hardrock, der sich im weiteren Verlauf durch den Einsatz verschiedener Breaks überaus abwechselungsreich gestaltet. Die tolle Gitarrenarbeit von Ross The Boss und Scott "Top 10 Kempner" sorgen für zusätzlichen Kick.
In ähnlicher Manier präsentiert sich "Minnesota Strip". Auch hier wieder tolle Gitarren, die zuständig sind für die Grundmelodie, viel Abwechselungsreichtum und enormer Drive! J.P. "Thunderbolt" Patterson trommelt schnurgeradeaus und wie ein Uhrwerk.
"Faster & Louder" macht seinem Namen alle Ehre. Verschnaufpause Fehlanzeige! Es kracht und dängelt in einem fort. Komplizierte Breaks werden wie selbstverständlich eingeflochten - und genauso 'selbstverständlich' klingen sie auch! Das Stück ist ein schweißtreibender Kracher.
Fazit:
'Die Post' geht ab!
Die Musik ist herrlich aggressiv. Die Performance ist bombastisch und die Musiker spielen sich die Seele aus dem Leib.
Kurz: "Viva Dictators" ist ein Erlebnis der besonderen Art! Kein Ausfall!
Leichte Abstriche gibt es nur für den Sound bei ganz wenigen der Tracks ("Baby Letīs Twist" klingt ein bisschen dumpf), wobei aber auch diese für eine Liveeinspielung noch im grünen Bereich liegen.
Erwähnenswert ist noch die Gesamtspielzeit, denn sie liegt bei einer satten Stunde.
Anhören!


Spielzeit: 60:51, Medium: CD, EscapiMusic, 2005
1:Intro 2:New York, New York 3:Haircut And Attitude 4:Master Race Rock 5:Avenue A 6:Baby Letīs Twist 7:Weekend 8:Pussy And Money 9:Who Will Save Rock & Roll 10:Next Big Thing 11:Minnesota Strip 12:Whatīs Up With That 13:Faster & Louder 14:I Am Right 15:Stay With Me 16:Two Tub Man 17:Cars And Girls (Bonustrack)
Peter Rodenbüsch, 04.08.2005