Ganz zu Anfang will ich mit der Wahrheit rausrücken: es ist das erste Mal, daß ich mit Doc Holliday bzw. der Musik dieser Band in Berührung komme. Vielleicht aber ist andererseits genau dieser Umstand vorteilhaft, denn so schreibe ich meine ganz unvoreingenommenen Eindrücke über ein Album von einer Band, die wohl bei vielen anderen schon lange zu den musikalischen Grundnahrungsmitteln gehört.
Gelesen hatte ich von Doc Holliday bis dato allerdings schon einiges, teilweise in den einschlägigen Mailinglisten der Szene - und das war meist voll des Lobes - umso gespannter war ich natürlich auf das, was mich nun erwarten würde.
Bei dem mir hier vorliegenden Album, welches schon einmal 1989 unter gleichem Namen herauskam, handelt es sich um digital remasterte Liveaufnahmen einer Konzertreihe bzw. Tournee, welche die Band Anno 1988 in den Staaten absolviert hat. Neu dazugekommen sind auf der Neuveröffentlichung von "Halycon Music" jedoch noch zwei Studio-Bonustracks, die 1981 in Orlando, Florida eingespielt wurden.
Schon das Cover alleine macht Lust auf mehr, stehen sich doch darauf die
Gitarristen der Band, Bruce Brookshire, der übrigens auch den Leadgesang
beisteuert und Billy Yates gegenüber und bearbeiten jeweils mit ihren
Händen das Instrument des anderen. Das Line Up für das Gros der Scheibe
besteht freilich neben Bruce Brookshire aus Billy Yates (g), Daniel Bud Ford
(b), John Vaughan (dr), sowie Karen Barlow und June Reppert für den
Background-Gesang.
Also nix wie rein mit dem Teil in den Player - und direkt der erste Song "Last Ride" übertrifft alle meine Erwartungen. Nach ein paar obligatorischen einleitenden Worten und erwartungsvollem Publikumsgetöse hämmert ein erstes Gitarrenintro aus den Boxen, um kurz darauf in einen druckvollen und treibenden Rock über zu gehen, der mich gleich mitreißt.
Dann setzt der Gesang ein, eine tiefe und - gerade bei dem ersten Stück - etwas rauhe Stimme, die sich zu dieser Musik verdammt gut macht. Und schließlich legen die Gitarren bei den schon erwarteten Soloparts noch mal einen drauf. Blitzsaubere und bei aller Schnelligkeit noch gefühlvoll gespielte Soli dominieren das Geschehen!
Danach folgt mit "Southern Man" ein in einer Molltonart beginnendes Stück in verhaltenerem Tempo und leicht balladeskem Feeling, welches (für die Gitarristen unter uns angemerkt) mit der für Balladen gängigen Akkordfolge Em - D - C vorübergehend noch verstärkt wird. Auch hier merkt man den Musikern ihre enorme Spielfreude sofort an. Kurz darauf geht es medleyartig in "Do It Again" über, wieder ein etwas härteres Stück, in das interessante Breaks eingeflochten sind. Mit "Hometown Sweetheart" folgt ein Song, der ein wenig mehr in der Countryecke angesiedelt sein mag, dabei aber zu keinem Zeitpunkt langweilig wirkt.
Apropos langweilig: diese Scheibe hier ist alles andere als Einheitsbrei! Die Gitarren stehen zwar ganz eindeutig im Vordergrund - klar ist aber, daß dies auf dem hohen Niveau kaum möglich wäre ohne die bestens aufeinander abgestimmte Rhythmusabteilung. Wobei mir besonders der Drummer John Vaughan immer wieder auffällt. Schnörkellos und wie ein Uhrwerk spielt er, um dann mit kraftvollen und punktgenauen Akzenten das Geschehen in den entscheidenden Momenten zu pushen.
Mit "Song For The Outlaw" folgt wieder ein Titel mit recht ordentlichem Drive, danach gibt es mit "Ainīt No Fool" einen weiteren richtigen Knaller! Treibender und mitreissender Gitarrenrock mit Groove! Dazwischen kurz eine etwas weichere Passage um anschließend einmal mehr in Gitarrensoli überzugehen. Dann ein Break, eine Drum-Einlage - und Ende. Diese Stück ist wirklich genial!
"Magic Midnight" ist wieder ein langsameres und melodisches Stück, das untermalt wird mit sparsamen und gefühlvoll gespielten Gitarren. Nach einer kurzen Drumeinlage geht es weiter mit "Moonshine Runner": Southern-Rock in bester Qualität. Es handelt sich hier um puren Rock mit tollen Elementen.
Auch "Bad Love" fällt in diese Kategorie: rockig und bodenständig, mit super aufeinander eingespielten Gitarren, dabei rhythmisch immer wieder "auf den Punkt" kommend.
Zu den Rennern gehört zweifellos "Lonesome Guitar"!
"Lonesome guitar take me home - Iīll never be alone" - der Refrain spricht schon Bände!
Etwas schwermütig kommt dieser Song einher, langsam, melodisch und mit sehr gefühlvollen gesanglichen Einlagen! Er gehört in die Kategorie "Wunderkerzenlied", ich bekomme beim Hören den Wunsch, gerade in diesem Moment mit im Publikum zu stehen und ein brennendes Feuerzeug hochzuhalten. Das muß großartig sein!
Verbleiben noch die beiden Bonus Tracks, aufgenommen 1981 in einem Studio in Orlando, Florida
Das Line Up: Bruce Brookshire (g & v), Eddie Stone (kb), Ric Skelton (g), John Samuelson (b), Herman Nixon (dr).
"Whiskey Train", ein rockiges Stück und "Donīt Stop Lovinī Me," bei dem Eddie Blair als Gastmusiker mit ein paar Saxophoneinlagen vertreten ist, kommt wieder etwas melodiöser, durch den Einsatz von Keyboard und Saxophon schon fast ein bisschen poppig.
Insgesamt fällt mir auf, daß es sich bei den beiden Bonustracks um ein anderes Kaliber handelt als bei dem Rest der Platte! Wenn auch klanglich etwas besser abgemischt ist, fehlt doch ein wenig von der vorausgegangenen Performance. Nein, ich sage nicht, diese Stücke wären nicht gut, sie sind es allemal! Aber irgendwie fallen sie für mich im direkten Vergleich doch etwas ab! Es sind eben keine Liveaufnahmen - und nachdem ich diese Band nun einmal gehört habe, möchte ich sie gerne on stage erleben. Dort gehen sie vermutlich richtig ab. Dies ist mein Eindruck, nachdem ich dieses Album hier nun kenne!
Fakt ist jedenfalls, daß diese CD nicht verstauben wird, wie so viele andere in meinen Regalen.
Folglich mein Tip: Kaufen!
Freunde des guten Rock bzw. Southern Rock werden es ganz sicher nicht bereuen!
Spielzeit: 52:25, Medium: CD, Halycon Music, 2001 (1989)
1:Last Ride 2:Southern Man/Doin' It Again 3:Hometown Sweetheart 4:Song For The Outlaw 5:Ain't No Fool 6:Magic Midnight/Moonshine Runner 7:Bad Love 8:Lonesome Guitar
Bonus Tracks: 9:Whiskey Train 10:Don't Stop Loving Me
Peter Rodenbüsch, 10.12.2004
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