Wir haben im Paradies gelebt,
und haben es nicht gemerkt
Doro Wir unterhielten uns mit Doro Pesch u.a. über seltsame Südstaatler, Marc Bolan und das Tourleben damals und heute.
War früher denn nun wirklich alles besser?



Interview vom 07.11.2006

Fotos: Horst Kroschel (Ausnahme: Bild links)


Udo Gröbbels
Ort: Route 66 in Meerbusch bei Düsseldorf am 27.10.2006
Das eher verschlafene Meerbusch, direkt an der Stadtgrenze zum großen Düsseldorf, war an diesem Freitag Start des 2. Teils von Doros "Warrior Soul-Tour". Doro, die bekanntlich ein waschechtes Düsseldorfer Mädchen ist, spielte mit ihrer Band im ansässigen Route 66 eine zweistündige Show mit alten und neuen Hits , die alle anwesenden Fans und Freunde gleichermaßen begeisterte.
Doro Eine Stunde nach dem Auftritt saß ich dann im mit Freunden und Bandmitgliedern gefüllten Backstagebereich der guten Frau Pesch gegenüber. In den kommenden 20 Minuten habe ich Themen wie ihr aktuelles Album, die neue DVD und ihre Tour extra außen vor gelassen und wir haben uns einmal über einige andere Themen unterhalten. Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern der Branche, denen man teilweise die Wörter aus der Nase ziehen muss, oder die eine längere Warmlaufphase brauchen, plapperte Doro von der ersten Sekunde an sofort munter drauflos.
Während des Interviews kamen immer wieder Fans und Freunde an unseren Tisch und verabschiedeten sich oder fragten nach Autogrammen. Mit viel Charme und einer beneidenswerten Ruhe wurden parallel zum Interview alle Wünsche erfüllt und jeder bekam was er wollte.
RockTimes: Wir sind heute Abend in Meerbusch, unweit deiner alten Heimat Düsseldorf. Du pendelst bekanntlich immer zwischen New York und Düsseldorf hin und her und bist auch sonst ständig unterwegs. Ist das hier heute Abend für dich so etwas wie Heimatauftritt mit ganz besonderen Emotionen?
Doro: Auf jeden Fall. In Düsseldorf hat alles angefangen und so etwas vergisst man nie. Ich habe mich total gefreut über die bekannten Gesichter, die heute Abend alle gekommen sind. Das sind neben Musikerkollegen aus alter Zeit auch Mitschüler, mit denen ich damals im Schullandheim war. Auf das Reisen möchte ich aber auch nicht verzichten. Wir kommen gerade von einer Südamerikatour zurück und waren fassungslos, wie euphorisch man uns dort empfangen hat und wie begeisterungsfähig die Fans bei den Konzerten waren. Heimat ist für mich dort, wo unsere Fans sind und wir zusammen abfeiern können. Das ist für mich das Allerwichtigste. Außerdem können wir in der heutigen Zeit überall spielen, was in den 80ern nicht möglich war. Damals konnte man nicht in Ländern wie dem heutigen Tschechien oder Russland spielen- mit Ausnahme der Scorpions vielleicht. Heute kann man überall touren und das finde ich persönlich wunderbar.
Doro RockTimes: Wie ist denn im Moment der Zuspruch auf eure Musik in den USA?
Doro: Nachdem wir in den 80ern dort viele Platten verkauft haben und intensiv getourt sind, wurde es Anfang der 90er durch die ganze Grunge-Bewegung nicht nur für uns sehr schwer dort zu touren. Viele bekannte Bands haben ihren Plattenvertrag verloren und niemand, speziell bei den Plattenfirmen, wollte was von klassischem Rock bzw. Metal wissen. Erst seit 1999 läuft es wieder gut für diese Bands und auch bei uns ist die Nachfrage in den letzten Jahren aus den USA wieder sehr stark gestiegen. Wir touren dort wieder im kommenden März und wir haben auch noch immer Kontakt zu den alten Bands, mit denen wir damals getourt sind. Die alten Fans von damals kommen heute wieder zu uns oder zu den Festivals und das freut einen natürlich ungemein.
RockTimes: Du singst seit 20 Jahren immer wieder einzelne Lieder auf Deutsch, was damals sehr ungewöhnlich war, aber riesigen Zuspruch gefunden hat. Warum machst du nicht mal ein komplettes Album in Deutsch?
Doro: Die deutschen Lieder sind meistens die Lieder, wo ich beim Schreiben die meistens Emotionen verspürte oder die direkt aus dem Bauch heraus entstanden sind. Ich habe die Songs zunächst auf Deutsch meinen Bandmitgliedern vorgespielt und wollte sie übersetzen, aber sie rieten mir davon ab und so habe ich diese Lieder dann in Deutsch gelassen. Das fing 1987 mit dem sicher vielen bekannten "Für immer" von der Platte "Triumph & Agony" an. Ich habe das Lied damals in New York komponiert und als die Platte erschien, meinte damals viele Kritiker, dass dieses Stück einfach "zu deutsch" sei und das man so etwas nicht machen könnte. Auf der anschließenden Tour allerdings, als wir das Lied auch spielten, entpuppte sich der Song sofort als Hit bei den Fans und wurde überall begeistert mitgesungen. Ich erinnere mich noch gut an ein Festivalauftritt in der Dortmunder Westfalenhalle mit u.a. Ozzy Osbourne. Als wir das Lied spielten, sang wirklich die komplette Halle mit und dieser Song wurde zum emotionalen Höhepunkt des Abends.
Doro RockTimes: Ich habe vor kurzen zum ersten Mal auch das Video zu besagtem Song gesehen. Wo ist denn diese aufwendige Bootszene aufgenommen worden?
Doro: An den Videodreh kann ich mich auch noch gut erinnern. Das Video wurde zur Hälfte in New Orleans und der andere Teil in den Sümpfen von Baton Rouge gedreht, wo zuletzt die furchtbaren Überschwemmungen waren. Unser Produzent wollte unbedingt, dass ich auf einem Boot durch die Sümpfe treibe. Wir haben in der Nähe eines kleinen Dorfes gedreht und suchten einen Einwohner, der das Boot durch die Sümpfe ziehen sollte. Leider war aber zunächst keiner der Einheimischen bereit in die Sümpfe zu gehen, da es neben Schlangen auch Krokodile dort gab. Plötzlich melde sich aber jemand freiwillig, der das Boot durch das Wasser schieben wollte. Diesem Mann, der von den anderen gemieden wurde und so etwas wie der 'Dorfdepp' war und von allen ausgelacht wurde, haben wir dann auch unser Video zu verdanken. Er zog mich dann an der Rückseite versteckt durch die Sümpfe. Nach 7 Stunden Videodreh waren wir endlich fertig und als er dann wieder aus dem Wasser kam, klatschen plötzlich die anderen Dorfbewohner voller Hochachtung und er wurde sofort zum Essen eingeladen. Das war schon ein sehr seltsamer und auch gefährlicher Videodreh. Es war aber auch aufregend, denn in den Südstaaten, speziell in Louisiana, ist dieser Voodooglauben allgegenwärtig und das Mystische wirklich spürbar. Eine seltsame, aber auch faszinierende Gegend.
RockTimes: Auf der letzten DVD ist u.a. ein interessanter Bericht über deinen 'Superfan' Rene, den du zu Hause besuchst und der dir seine Wohnung voll mit Sammlerobjekte präsentiert. Findest du es nicht manchmal unheimlich, wenn dich Leute wie Rene so verehren und fast mehr über dich wissen als du selber?
Doro: Nein, absolut nicht. Bis jetzt habe ich nur gute Erfahrungen mit Fans gemacht und ich freue mich immer darüber, wenn jemand ein Autogramm möchte oder erzählt, dass ihm das Konzert gut gefallen hat.
RockTimes: Hattest du früher auch ein Idol, das du verehrt hast?
Doro Doro: Als Teenager war ich totaler Fan von Marc Bolan (Anmerkung: Sänger und Gitarist der Glamrock-Band T. Rex in den 70ern). Ich war völlig vernarrt in Marc und auch in die Musik, die mich sehr inspiriert hat. Dann, als ich ungefähr 10 war, habe ich während eines Urlaubs mit meinen Eltern im Radio erfahren, dass Marc Bolan gestorben ist. Da brach für mich eine Welt zusammen. Ich habe nur noch geheult und der Urlaub war für mich gelaufen.
RockTimes: Wie stehst du selber dem Image als 'Metal Queen' gegenüber, was man dir ja gerne anhängt. Findest du das lustig oder nervt dich das auch manchmal?
Doro: Wenn es aus der Metalszene kommt und nett gemeint ist, nehme ich es gerne als Kompliment auf. In der Welt der Popmusik klingt das meistens abwertend, aber das stört mich nicht. Im Gegenteil: Wenn man erst mal so einen Ruf hat, braucht man sich nicht mehr an kommerzielle Richtlinien halten und muss sich nicht immer diesem Chartdruck stellen. Wir sind ohnehin eine Albumband und brauchen nicht auf Singlecharterfolge zu achten, da unsere Musik im aktuellen Musikfernsehen oder im Radio sowieso fast nicht stattfindet. Heute gibt es leider keine Metalsendung mehr wie in den späten 80ern und frühen 90ern wie "Headbangers Ball" auf MTV oder "Hard'n Heavy" (Anmerkung: Kultige Musiksendung auf Tele 5 mit Annette Hopfenmüller). Das ist schade, denn viele Leute bekommen gar nicht mehr mit, dass man eine neue Platte gemacht hat.
RockTimes: Wie fühlst du dich denn dann, wenn du im Fernsehen bist wie z.B. zuletzt bei der RTL-Chartshow ?
Doro: Das war einerseits lustig, aber andererseits merkt man dann doch, das man heute als Metaller immer noch ein Sonderling ist. Wir haben bei der Generalprobe unseren Song gespielt und unsere Jungs von der Band rannten dann wie üblich mit ihren Instrumenten wild über die Bühne. Die Lichttechniker von RTL haben so etwas noch nie erlebt und eine Krise bekommen. Die Musiker sollten doch bitte dort stehen bleiben, da man sonst das Licht nicht einstellen könnte (lacht). Im Endeffekt haben wir es dann aber doch alles hinbekommen und ich glaube, auch den Leuten bei RTL hinter den Kulissen hat es gefallen.
RockTimes: Wie unterscheidet sich das Touren heute im Gegensatz zu alten Warlock-Tagen?
Doro: So viele Unterschiede gibt es nicht. Es ist heutzutage schöner auf Tour zu sein, denn wie bereits Eingang erzählt, haben wir jetzt ganz andere Möglichkeiten. Wir waren z.B. vor einiger Zeit in Thailand auf Tour und ich wusste gar nicht, dass man uns dort auch kennt. Das sind dann immer wieder so wunderschöne Erlebnisse, in einem uns noch unbekannten Land Konzerte geben zu dürfen. Ähnlich verhielt es sich auch bei unserer Tournee durch Australien. Die Leute sangen auch dort unsere Lieder mit.
Doro RockTimes: Hat sich denn auch das persönliches Leben im Tourbus verändert? In den 80ern habt ihr es doch sicher auch mal krachen lassen?
Doro: Oh ja. Als wir mit Warlock in den USA auf Tour waren, ging schon gut die Post ab und wir haben das ganze Rockstarleben ausgelebt, inkl. aller Klischees (lacht). Damals haben wir, glaube ich, so ziemlich alles gemacht, was man machen kann und auch mal machen muss als Rockmusiker. Das waren aber auch ganz andere Zeiten. Die Plattenfirmen verdienten damals eine Riesenkohle mit uns und anderen Rockbands und wenn dann mal eine Hotelbar leergetrunken wurde, wurde das anstandslos bezahlt und keiner hat auch mal nachgefragt. Heutzutage sagt die Plattenfirma: »Zahlt das mal schön selber!«. Früher arbeiten bei der alten Plattenfirma Polygram 80 Leute nur für uns, die sich um alles kümmerten. Heute sind es gerade mal drei Leute, die uns betreuen. In den 80ern hatte die Plattenfirma noch ein Riesenbudget und auch den Bands ging es bestens. Wir haben im Paradies gelebt und haben es nicht gemerkt. Als Band dachten wir damals, dass es jetzt immer so weiter geht und der Erfolg sich automatisch fortsetzen würde. Natürlich ist das im Nachhinein gesehen ziemlich naiv gewesen und Anfang der 90er kam dann das große Erwachen.
RockTimes: Gab es einen Wendepunkt in deiner Karriere wo du dir gesagt hast: »Jetzt geht´s los- Wir werden Rockstars!«
Doro: Definitiv. Das war an dem Tag, als unser Manager uns mitteilte, das wir mit Judas Priest auf Tour gehen werden. Darauf habe ich dann am gleichen Tag noch meinen Job gekündigt. Ich arbeitete damals noch als Typographin und meine Eltern waren alles andere als begeistert als sie hörten, dass ich den Job wegen der Musikkarriere geschmissen hatte.
RockTimes: Was hat denn dein ehemaliger Chef zu deinem Entschluss gesagt?
Doro: Er schaute nur verwundert und sagte »Wer sind denn Judas Priest?!« (lacht)
RockTimes: Dieser Tour im Vorprogramm von Priest war also der Startschuss.
Wie ging es dann weiter?
Doro Doro: Danach folgte dann schon das legendäre Monsters Of Rock-Festival in Castle Donington in England. Damals war die britische Presse mit Abstand die wichtigste und einflussreichste. Erst wenn man vor ihnen bestehen konnte, bekam man ein weltweites Release. Auf dem besagten Monsters Of Rock-Festival waren wir die erste deutschen Band überhaupt und wir wurden von der anwesenden Presse mit viel Skepsis beäugt, zumal man damals sich gerne mal über die deutsche Musikszene lustig machte. Als wir jedoch auf der Bühne standen und die Fans total abgingen, konnten selbst die Journalisten, die einem nicht so gut gestimmt waren, nichts Schlechtes mehr schreiben und so haben wir dann unseren ersten weltweiten Plattenvertrag erhalten. Danach ging es dann das erste Mal auf USA-Tournee. Allerdings war damals, wir hatten gerade unsere dritte Platte "True As Steel" raus, auch schon mehr Druck von Seiten der Plattenfirma vorhanden und die vierte Platte "Triumph & Agony" entstand in den USA. Diese Scheibe ist nach wie vor meine Lieblingsplatte und auch für die meisten Fans, nicht zuletzt wegen "All We Are" und "Für immer". Zu "All We Are" haben wir dann auch unser erstes professionelles Video gemacht. Gedreht wurde es mit einem damaligen Topvideoproduzenten in Los Angelos im L.A.-Riverbecken, wo auch später "Terminator 2" gedreht wurde. Rückblickend kann ich nur sagen, dass es eine fantastische Zeit für uns war.
Wir danken Rebecca Metz von AFM Records, die uns das Gespräch mit Doro ermöglicht hat.
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