Rocktimes: Hallo, Robert. Schön, dass du mit Dr. Feelgood wieder in Berlin bist. Im Moment läuft das Filmfestival Berlinale auf vollen Touren. Interessierst du dich dafür und hast du Zeit, dir etwas anzusehen?
Robert Kane: Wir freuen uns auch wieder hier zu sein. Leider nicht. Sicher interessiere ich mich auch für Filme, aber wir sind nicht lange genug in Berlin, um etwas sehen oder erleben zu können. Heute Nachmittag sind wir aus Hannover angereist und morgen geht es schon wieder nach Hamburg.
Rocktimes: Die Band Dr. Feelgood existiert nun schon seit mehr als vierzig Jahren. Du bist erst später zur Band gekommen. Was bedeutete Dr. Feelgood für dich, bevor du als Sänger eingestiegen bist?
Robert: Mein Interesse an der Band begann, als deren erste Single auf den Markt kam. Die Musik stach heraus, weil sie so direkt war. Ohne Schnörkel, ohne Schönmalerei, pure Musik, wie sie schon immer in den Clubs in England gespielt wurde. Ich habe mir die Scheibe gekauft, dann die nächste und wieder die nächste und so weiter. Als ich später die Möglichkeit hatte, in die Band einzusteigen, war es für mich einfach das Größte. Seitdem sind wir ständig unterwegs und ich fühle mich immer noch sehr wohl dabei. Ich bin im Jahr 1999 Sänger von Dr. Feelgood geworden, also jetzt fünfzehn Jahre dabei und bin somit das neueste Mitglied. Zwar nicht das jüngste, aber noch immer so was wie das Nesthäkchen.
Rocktimes: Was empfindest du dabei, Songs zu singen, mit denen die Band berühmt geworden ist, zu denen du aber leider nichts beitragen konntest?
Robert: Die alten Lieder sind es, die das Publikum hören möchte und die ein wesentlicher Bestandteil der Show sind. Sicher ist es schwierig, immer den besten Weg zu finden, um jeden zufriedenzustellen. Wir haben es auch schon mal probiert, nur unbekannte Sachen zu spielen. Die Zuschauer sind dann verwirrt und deren Reaktion ist nicht sehr freudig. Deshalb setzen wir auf die Musik der populärsten Jahre der Band. Es wäre das gleiche, als wenn die Rolling Stones plötzlich nicht mehr "Brown Sugar" oder "Jumpin' Jack Flash" spielen würden. Unser Publikum erwartet "Roxette", "Milk And Alcohol" und "Down By The Doctors". Das sind die Grundlagen von Dr. Feelgood.
Rocktimes: Wie und wann hast du mit dem Singen angefangen? Als Sänger musst du sehr viele Emotionen in die Songs einbringen. Fällt es dir manchmal schwer, Gefühle zu zeigen und sie zu vertonen? Als ich dich vor zwei Jahren zum ersten Mal hier in Berlin als Sänger der Band gesehen habe, war ich bereits sehr von dir begeistert.
Robert: Mein Großvater hat gesungen, mein Vater hat gesungen und mit jungen Jahren habe ich ebenfalls damit angefangen. Es war immer das einzige, das ich im Leben machen wollte. Mit achtzehn bin ich in die erste Band eingestiegen. Bereits damals habe ich gemerkt, dass ich es liebe, vor Publikum zu performen. Es gibt mir einen gewissen Kick zu sehen, wie die Leute auf meine Bewegungen und auf meine Stimme reagieren. Die meisten Sänger haben es lieber, wenn der Zuschauerraum dunkel ist und man dadurch das Gefühl bekommt, selbst unsichtbar zu sein. Ich liebe einen hellen Saal. Ich will die Menschen sehen, sie beim Singen beobachten und an ihrem Verhalten erkennen, ob ich gut oder schlecht bin.
Rocktimes: Als ihr den letzten Auftritt in Berlin hattet, war Mr. Martin, The Big Figure, überraschenderweise an den Drums. Die Fans hat es sehr gefreut, da jeder nun dachte, er würde wieder an Bord bleiben. Heute ist Kevin Morris wieder hier. Wie kam es vor zwei Jahren zu dieser Begebenheit?
Robert: The Big Figure ist jetzt in Rente. Vor zwei Jahren war er nur für ein paar Gigs aushilfsweise dabei. Zufällig auch in Berlin. Kevin, unser regulärer Drummer, ist sehr viel beschäftigt. Er hat ein Schlagzeuggeschäft und muss sich oft darum kümmern. Wir haben The Big Figure einfach gefragt, ob er Lust hätte, für ein paar Shows einzuspringen und er hat sofort zugesagt. Er hat auch eingeräumt, sofern niemand anderer verfügbar ist jederzeit wieder auszuhelfen. Heute Abend spielen wir auch mit einem Gastmusiker. Wir haben Wayne Bronce am Schlagzeug. Sein Bruder spielt nächste Woche ebenfalls in Berlin, mit Andy Fairweather-Low.
Rocktimes: Mittlerweile ist es acht Jahre her, dass ihr eine CD herausgebracht habt. Dürfen die Fans demnächst auf neues Material hoffen?
Robert: Nein!
Rocktimes: Warum nicht? Sehr viele Fans hoffen auf neue Songs.
Robert: Nun, es ist etwas schwierig zu erklären. Wir sind in erster Linie eine Tourband und verdienen unser Geld mit Auftritten. Da Dr. Feelgood seit langem nicht mehr den Namen hat, wie es in den Siebzigern war, ist es schwierig geworden, Musik zu verkaufen. Zudem kommen die hohen Produktionskosten für eine CD. Wir haben einfach nicht diese Menge an Geld zur Verfügung, um teure Studios und Technik zu mieten. Das Risiko ist auch einfach zu groß geworden, dass die CDs wie Blei in den Läden liegen bleiben, weil sich die Fans dann doch lieber die Musik aus dem Internet holen. Wir haben zwar einige Ideen für eine neue CD, aber es sind halt nur Ideen. Wahrscheinlicher ist es, mal wieder eine DVD zu veröffentlichen. Der Sohn von Kevin ist im Filmgeschäft tätig und er wird uns demnächst bei einigen Shows in England begleiten. Vermutlich wird er einiges aufnehmen und mal sehen, was er daraus zaubert.
Rocktimes: Stehst du noch in Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern von Dr. Feelgood?
Robert: Ja, wir veranstalten jedes Jahr auf Canvey Island, wo die Band ursprünglich herkommt, das Lee Brilleaux Memorial, bei dem sehr viele Ehemalige anwesend sind. Die Einnahmen davon werden für die örtliche Krebshilfe gespendet. Wilko, Sparkl und all die anderen spielen einige Songs zusammen. Es ist wie ein kleines Volksfest und hat inzwischen eine große Tradition. Ebenso sind viele lokale Bands dabei, die zum Teil auch Coversongs von uns spielen. Die Nachfrage ist jedes Jahr sehr groß und durch die vielen Einnahmen können wir sehr helfen.
Rocktimes: Was macht du in deiner Freizeit, wenn du nichts mit Musik zu tun hast?
Robert: Da wir die meiste Zeit im Jahr auf Tour sind, bin ich froh, wenn ich zuhause die Ruhe genießen kann. Ich schaue mir gute Filme an, lese ein wenig und höre hauptsächlich ruhige Musik. Ich mag zuhause keine Rockmusik hören. Jeden Abend bin ich auf der Bühne und bin selbst Rockmusiker, habe dabei eine enorme Lautstärke um mich herum und bin nach jeder Show fix und fertig. Deshalb mag ich beim Entspannen lieber sehr alte Musik, die gemächlich vor sich dahinfließt. Darunter ist dann Jazz oder Soul, vornehmlich aus den Vierzigern und Fünfzigern. Hauptsache nicht mit harten Beat. Ich nenne es einfach Roots Music.
Rocktimes: Kannst du dich in deinem Leben als Musiker an einen besonders schönen und an einen sehr schlechten Tag erinnern?
Robert: Nicht wirklich. Jeder Tag ist für mich ein schöner Tag. Das ganze Leben ist für mich. Wenn ich auf der Bühne stehe und die Menschen sehe, dann bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Schön, mein Albtraum ist der Verlust der Stimme, was mir vor einigen Jahren tatsächlich passiert ist. Ich konnte es selbst kaum glauben, aber ich stand auf der Bühne und habe gekrächzt wie ein Rabe. Seitdem bin ich etwas vorsichtiger geworden.
Rocktimes: Ich habe gelesen, dass euer Gitarrist Steve Walwyn sehr engagiert ist, Menschen mit Down-Syndrom zu helfen. Kannst du mir etwas darüber erzählen?
Robert: Ja, sein Sohn hat diese Krankheit und deshalb hilft er nicht nur ihm so gut es geht, sondern so vielen Menschen wie möglich, die davon betroffen sind.
Rocktimes: Vor einiger Zeit ist ein Film mit dem Titel "Oil City Confidential" erschienen. Kannst du etwas darüber erzählen, denn ich weiß, dass nicht viele Fans in Deutschland davon wissen.
Robert: Der Film spielt auf Canvey Island und beschreibt die Anfangsjahre der Band. Regisseur ist Julian Temple, der auch für die The Sex Pistols "Rock 'n' Roll Swindle" gemacht hat. Die Band um Wilko konzentriert sich darin auf ihren ersten Auftritt, beginnt aber schon, als die Vier noch Kinder wahren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen sind. Zeigt dann, wie sie sich begegnen und kennenlernen, gemeinsam aufwachsen und dann Musik machen, mit dem Ziel ein besseres Leben zu erreichen. Man sieht, unter welchen Einflüssen sie standen, um dann die Musik zu spielen, mit der sie später berühmt geworden sind. Viele der späteren Punk-Bands wurden von Dr. Feelgood beeinflusst. Das ist in groben Zügen, worum es in dem Film geht.
Rocktimes: Sind die aktuellen Musiker ebenfalls in dem Film zu sehen?
Robert: Nein, er endet genau mit ihrem ersten Auftritt. Alle vorkommenden Personen werden von Schauspielern gespielt.
Rocktimes: Du hast ja selbst einmal als Schauspieler agiert. Würdest du das heute noch einmal machen?
Robert: Das ist schon ewig lange her. Bereits über dreißig Jahre. Ich habe mal bei einer TV-Produktion mitgewirkt. Wenn ich heute noch einmal ein Angebot bekäme, würde ich es wohl eher ablehnen. Ich fühle mich nicht als Schauspieler. Als Kind bin ich ja mehr durch Musik als durch Filme beeinflusst worden. In meinem Elternhaus lief von morgens bis abends Musik von Bing Crosby und Elvis Presley. Ein auslösender Moment war, als ich "Twist And Shout" von den Beatles gehört habe. Ich wollte so singen wie John Lennon. Er hatte einen sehr großen Einfluss auf mich.
Rocktimes: Hast du jemals einen der Beatles persönlich getroffen?
Robert: Ich habe Paul McCartney mal während einer Tour gesehen und ich war mal bei Ringo mit seiner All-Stars Band.
Rocktimes: Was für ein Programm spielt ihr heute Abend?
Robert: Wir haben ein Grundskelett von Songs, die immer gespielt werden müssen, weil das Publikum es erwartet. Darum bauen wir immer wieder andere Songs herum - mal ältere, mal jüngere und mal welche, die selten gespielt werden. Wir haben fünfundzwanzig Alben aus denen wir schöpfen können.
Rocktimes: Ich hoffe, dass eure Show heute Abend wieder sensationell gut wird, möchte mich für das schöne Gespräch bedanken, wünsche dir und der Band alles Gute und hoffe euch bald wieder zu sehen.
Robert: Ebenfalls vielen Dank für das angenehme Gespräch.
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