Dredg - eine der großen amerikanischen Alternative-Hoffnungen. Die 1993 in Kalifornien gegründete Band machte den einflussreichen Progressive-Sound, der in den letzten Jahren zusehends auch auf die Tanzhallen des Landes schwappt, salonfähig und muss nun - beim vierten Album - zeigen, dass sie den Spagat zwischen persönlicher Weiterentwicklung und den 'guten alten Werten' der Konzeptalben unbeschadet übersteht.
Schnell wird klar: Es handelt sich nicht um ein zweites "El Cielo" (2002), eher um eine konsequente Weiterentwicklung des Stils, welche die Band seit ihrem zweiten Silberling beschreitet. War die erste Veröffentlichung, "Leitmotif" (1998), noch ein progressives Konzeptalbum durch und durch, wurde der absolute Indie-Anspruch schon für die folgende fallen gelassen. Einhergehend mit einer großen Produktion und vermutlich entsprechender Finanzierung, besann sich die Band um und wurde radiotauglich(er). Vom Nachfolgealbum, "Catch Without Arms" (2005), wurden bis dato die größten Stückzahlen unter die Leute gebracht. Leider geriet hier jedoch das Konzept hinter dem - wiederum als Konzeptalbum bezeichneten - Tonträger ein wenig in den Hintergrund (no pun intended).
Wie sieht es nun mit dem aktuell vorliegenden Werk mit dem wohlklingenden Namen "The Pariah, The Parrot, The Delusion" - zu deutsch: Der Geächtete, der Papagei, die Täuschung - aus? Nun, erstmal nicht so einfach zu beurteilen, wenn man als Reviewer nicht die CD mit Booklet, Artwork, etc. vorliegen hat, sondern nur einen Download. Ob sich das Label damit bei dieser Band einen Gefallen tut, bleibt dahingestellt. Dessen ungeachtet glänzen schon beim ersten Durchhören alte Qualitäten auf. Die "Stamp Of Origin" betitelten Einwürfe bilden jedenfalls eine geschlossene Atmosphäre und tragen deutlich zum 'Albumgefühl' bei. Zumindest für mich ist Dredg nach wie vor keine Single-Band.
Eines der wenigen wahren Gitarrenlieder der Scheibe, "Saviour", wartet denn gleich mit Zeilen wie
»Looking for a saviour
Not one who saves
Been looking for a saviour
One to retaliate«
auf. Damit kann es sich schön einreihen, in den Kanon der aktuellen Lyrics von And You Will Know Us By The Trail Of Dead und Co. (»For I'm an angry, jealous God | Who placed the demons in hell | And the angels in heaven« - "Isis Unveiled"). Insgesamt gibt sich das Album bei den ersten paar Malen des Durchhörens deutlich erwachsener und nachdenklicher als seine Vorgänger. Da hört man Zeilen wie »Getting older, older« oder auch »Will I go somewhere special when I die?«. Wiederum eine Entwicklung, welche schon auf dem Vorgängeralbum begann. Auch der musikalische Wandel schreitet fort und bringt ein verbessertes Songwriting mit sich: Die Produktionen werden größer, die Lieder radiotauglicher. Doch hier unterläuft einem als Hörer schnell der Fauxpas "The Pariah, The Parrot, The Delusion" vorschnell zu kategorisieren. Auch wenn die eindringlichen Gitarrenparts eines Mark Engles schon mal mehr im Vordergrund standen, sowohl Gitarre als auch die charakteristischen Vocals eines Gavin Hayes schon Tage mit mehr 'gewollt Progressiven-Delays' gesehen haben - hier sind es mehr die kleinen Finessen, die es abermals zu einem großen Indie-Album werden lassen. Die Puristen dürften sich schon zu "El Cielo"-Zeiten verabschiedet haben und so bleibt es, wie so oft, letztlich dem persönlichen Geschmack überlassen - ich hätte gerne mehr von den markanten, harten Riffs von Engles gehört. Touchiert wird dieser Wunsch natürlich schon, hatte man allerdings gerade erst eine CD der australischen Band The Butterfly Effect im Player, so wünscht man sich einfach manchmal einen Tick mehr Härte.
Freuen hingegen kann man sich - wie so oft bei dieser Band - über die weitreichenden Einflüsse. Hier gibt es Americana-Riffs, Lieder ganz ohne Drums oder auch gerne mal mit einem Drumcomputer produzierte Songs zu hören. In den vorab im Internet veröffentlichen Leaflets, kurzen Videos der Band im Studio, konnte man bereits einen ersten Eindruck von der Ideenvielfalt dieser Truppe gewinnen. Da werden Snaredrums vor Bassstacks geschwenkt, Mini-Megafone missbraucht oder einfach mal zu viert ein Keyboard bedient. Das Ergebnis klingt dann auch so, wie man sich das jetzt vorstellt. Nur wird der Regler für den Verstörungsfaktor doch ein paar Potenzen heruntergeregelt, so dass sich die ganzen wilden Effektsounds eher im Hintergrund abspielen und den potentiellen Ersthörer nicht abschrecken.
Unweigerlich drängen sich einem Assoziationen zu anderen Bands auf. Und neben denen, an die man bei dieser Sparte sofort denkt, muss ich als Deutscher wohl auch Slut nennen. Gerade auf deren aktuellem Silberling "Still No.1", aber auch auf den vorherigen finden sich einige Songs von denen man glatt meinen könnte, sie wären eine Inspiration für Hayes und Co. gewesen. Und trotz dieser Vielfalt hört sich das Ergebnis immer homogen, immer nach Dredg an. Dredg 4.0 sozusagen. Für mich eine konsequente Weiterentwicklung, über die sich wohl niemand beschweren kann.
Line-up:
Gavin Hayes (vocals, guitars, slide guitars)
Mark Engles (lead guitars)
Dino Campanella (drums, piano)
Drew Roulette (bass)
Tracklist |
01:Pariah (4:12)
02:Drunk Slide (1:32)
03:Ireland (3:46)
04:Stamp Of Origin: Pessimistic (0:54)
05:Light Switch (3:35)
06:Gathering Pebbles (5:03)
07:Information (5:49)
08:Stamp Of Origin: Ocean Meets Bay (0:35)
09:Saviour (4:01)
10:R U O K? (2:16)
11:I Don't Know (3:49)
12:Mourning This Morning (5:46)
13:Stamp Of Origin: Take A Look Around (1:02)
14:Long Days And Vague Clues (1:56)
15:Cartoon Show Room (4:23)
16:Quotes (6:09)
17:Down To The Cellar (3:45)
18:Stamp Of Origin: Horizon (2:25)
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Externe Links:
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