Wenn sich eine Band nach einem drei- bis fünfsaitigen Musikinstrument benennt, das vorwiegend in der keltisch inspirierten Folkmusik eingesetzt wird, dürfte klar sein, wohin die musikalische Reise gehen wird. Die Rede ist vom
Dulcimer und der gleichnamigen britischen Folkband, die Anfang der Siebziger für etwas Aufsehen sorgten, aber ebenso schnell wieder in Vergessenheit gerieten. Nichtsdestotrotz oder vielleicht gerade deswegen dürfen ihre drei Vinyls zu den teuersten Raritäten im Folkbereich gezählt werden.
Namensgebend für das Instrument wie wohl auch für die Band war das italienische Wort 'Dolcimelo', das 'süße Musik' bedeutet. Sie ging aus der 1967 gegründeten Band
Kelpie hervor, in der sich
Pete Hodge und
Dave Eaves kennen und schätzen lernten. Als man 1970 auf den britischen Schauspieler
Richard Todd traf, der zuvor die Beatkapelle
The Troggs ("Wild Thing") produziert und gemanagt hatte, nahm man den Bassisten
Jem North dazu und benannte sich in
Dulcimer um. Dieser nahm die Jungs unter seine Fittiche und besorgte ihnen einen gut dotierten Plattenvertrag.
In der britischen Kritikerszene schlugen
Dulcimer mit "And I Turned As I Had Turned As A Boy" wie die sprichwörtliche Bombe ein. Man verglich sie mit
Renaissance,
Steeleye Span oder
Fairport Convention. Aber bereits mit dem Nachfolger "Room For Thought" ein Jahr später war die Karawane weiter gezogen und der Plattenvertrag weg. Das dritte Album, "A Land Fit For Heroes", wurde erst viele Jahre später (1980) und in winziger Auflage veröffentlicht.
Pete Hodge wurde ein erfolgreicher Landschaftsgärtner und
Dave Eaves widmete sich der Kunstschreinerei, während
Jem North sich als Fernfahrer durchschlug. Erst 1993 traf man sich zur Aufnahme von zwei Songs, "When A Child" und "Rob's Garden", für das President Label wieder, die allerdings meines Wissens niemals veröffentlicht wurden. So blieb für
Dulcimer nur eine winzige Nische auf der Schattenseite des Musikbusiness...
Alle drei oben genannte Referenzbands wollen für meinen Geschmack nicht so recht passen, um
Dulcimers Stil zu charakterisieren. Das progressive Element
Renaissance' fehlt,
Steeleye Span klingen 'irischer' und
Fairport Convention kamen mit ihrem Schlagzeug stets rhythmischer rüber. Vielmehr kommt mir beim Hören von "And I Turned..." vor allem wegen der schönen, wenn auch leicht zuckrig-süßen Duette
Simon & Garfunkel in den Sinn. Alle Songs werden maßgeblich rein akustisch interpretiert, wenn man mal von
Norths E-Bass absieht.
Die Songs sind in sich geschlossene kleine Meisterwerke, ohne irgendwelchen nutzlosen Ballast arrangiert. Der Rhythmus wird zumeist auf der Zwölfsaitigen geschlagen - die kurzen Soli auf der normalen Akustischen. Die Kurzgeschichten, die die Lyrics erzählen, sind allesamt bewegend und werden liebevoll mit Mandoline, Glockenspiel oder Mundharmonika untermalt. Besonders schön ist in diesem Zusammenhang "Morman's Casket" arrangiert worden. Auch das schwermütig-melancholische "Gloucester City", das besonders stark an die beiden viel geschmähten, oben genannten US-Barden erinnert, darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Etwas flotter und eingängiger geht's bei "Starlight" und "Suzanne" zur Sache.
Bei "Sonnet To The Fall" und "Caravan" rezitiert Mentor
Richard Todd mit markanter Stimme aus britischen Gedichten (es fehlt im Booklet leider die Information, woraus er liest), was als überaus gelungen bezeichnet werden darf. Bei letzterem wird erstmals der namensgebende Dulcimer ausgepackt und verwandelt den Song mitsamt der Mandoline in einen zum Tanzen anregenden, irischen Jig. "Lisa's Song" lässt Erinnerungen an eine
David Crosby-Schnulze erwachen und wenn dann bei "Fruit Of The Musical Tree" erneut der Dulcimer ausgepackt wird, schmilzt der Hörer endgültig dahin.
Natürlich ist die Wiederveröffentlichung kein Ersatz für das ultra-rare Vinyl, aber die Fans dieser fast vergessenen Band dürften sich über "And I Turned As I Had Turned As A Boy" trotzdem wie die Schneekönige freuen. Diese Dulcimer-Perle darf nun wirklich in keiner ambitionierten Sammlung fehlen.