Das immer wieder auftretende Jazz-Revival der vergangenen Jahre hat sich meist eher der Tradition verpflichtet gezeigt. Wie der Teufel das Weihwasser meidet, so wurde oft jene Zeit des Aufbruchs - des 'New Thing' der sechziger Jahre - vernachlässigt, als wäre das ein Kapitel, das man am liebsten aussparen möchte. Dabei wurden doch gerade in jener Zeit durch Musiker, die nicht zu den ganz radikalen Free Jazzern zählten, wichtige Akzente für die Zukunft gesetzt. Beispielsweise sei hier Eric Dolphy, der mir am schnellsten einfällt, gedacht - spontan denkt man an dessen Album "Out To Lunch".
Als pianoloses Trio - das gab es schon, Sonny Rollins sei hier als prominentes Beispiel genannt - präsentieren sich die drei Musiker, 1966 (Delle), 1981 (Burgwinkel) und 1982 (Landfermann) geboren. Der nächste Brückenschlag: Rollins war zwar tief in der Tradition verwurzelt und alles andere als ein Revolutionär, gab dem Jazz aber in den 50ern und 60ern dennoch einen kreativen Schub. Man höre sich nur einmal die Alben "Way Out West" und "Freedom Suite" an. Diese Tradition greift mit Sicherheit auch das Frank Delle Trio auf. Die Grenzen zum Free Jazz werden zwar nicht überschritten, jedoch bewegt man sich grenznah. Das, was auf "The Way Things Fall" zumeist vorherrscht, ist spontane Improvisation mit innovativen Momenten, stets die Harmonie nicht aus den Augen lässt.
Gleichzeitig spürt man so etwas wie den Geist der ganz frühen Aufnahmen auf ECM Records, als das Label noch nicht dem reinen Schönklang verpflichtet schien. Sehr interessant ist es, wenn man glaubt, die Struktur eines Titels verinnerlicht zu haben und man plötzlich durch abweichende Einwürfe der jeweiligen Musiker überrascht wird. Beispielhaft sei hier der Wechsel vom swingendem Rhythmus hin zu Anklängen, die sich fast am Reggae orientieren zu scheinen, genannt - wie es (als Anspieltipp) in "Sieben Viertel vor Sieben" zu hören ist. Stets scheint ein Thema, das man zuerst gar nicht wahrzunehmen geglaubt hat, wieder aufzutauchen und beschert ein Déjà-vu. Der "Cheff Sallad" beschert interessante Momente, in denen uns Frank Delle allein begegnet. Ein feiner Solopart ist inmitten des Titels eingebaut. Kommunikation ist hier kein Fremdwort - nein, sie wird auf hohem Niveau zelebriert. Und das so, dass die Musiker den Zuhörer nicht außen vor lassen, man hat durchaus den Eindruck, ins Geschehen integriert zu sein.
Ich möchte nicht ein spezielles Stück hinsichtlich seiner Originalität ganz besonders herausstellen oder hervorheben, denn jeder einzelne Titel hat es verdient, gewürdigt zu werden. Mal schwebt die Musik, mal treibt sie frech voran, mal verliert sie sich in Impressionen. Auf jeden Fall vermag sie zu fesseln, zum Zuhören zu fordern.
Abwechslung bietet vor allem auch die unterschiedliche Verwendung drei verschiedener Holzblasinstrumente, wobei mir Delle an der Bassklarinette, wenn sein Ton leicht kratzig und 'rotzig' wird, noch am besten gefällt. Insgesamt wünschte ich mir jedoch ein manches Mal, Delle würde die Grenze überschreiten und auch mal seine Soli in ein größeres Universum tragen, seiner Spielweise mehr Raum geben und lassen. So steht er oft kurz davor, bricht jedoch wieder ab.
"The Way Things Fall", so lautet der Titel dieser Platte. Zu diesem Thema werden uns fünf kleine Skizzen geboten und abschließend mit einem Resümee beendet: "Free Fall Resume". Die Bassklarinette trägt das Schlußplädoyer vor und die drei Musiker fassen wohl noch einmal die Grundstimmung des Albums - eben den 'freien Fall' ohne Absturz - noch einmal zusammen.
Kurzum: "The Way Things Fall" ist mehr als ein Schimmer der Hoffnung, dass sich der Jazz wieder einmal öffnen und neu entwickeln könnte. Es wurde eindeutig ein Schritt zurück vorgenommen. Aber dieser Rückschritt könnte den Weg in eine Richtung weisen, der dem Jazz neue Wege aufzeigen und Anregung für weitere Zutaten geben könnte.
Auf die Entwicklung dieser jungen Formation sollte man aufmerksam schauen, vorausgesetzt, sie geben nicht auf, wenn der Widerhall erwartungsgemäß leise oder gering ausfallen könnte. Inmitten der manchmal festgefahrenen und künstlich geschaffenen Glitzerwelt, in die man den Jazz durch plumpe Anbiederungen an den Massengeschmack manchmal abgleiten sieht, ist das äußerst erfrischende Musik.
Danke, die Herren!
Delle ist übrigens ansonsten - im 'bürgerlichen Leben' - Mitglied in der NDR Bigband.
Line-up:
Frank Delle (Tenor- & Sporansax, Bassklarinette)
Robert Landfermann (Bass)
Jonas Burgwinkel (Schlagzeug)
Tracklist |
01 Poolwatch (5:29)
02:Green Me (5:31)
03:Free Fall Friend (1:34)
04:Sieben Viertel vor Sieben (4:34)
05:Cheff Sallad (4:58)
06:Fly And Walk (4:57)
07:Free Fall Space (1:14)
08:Hafenrundfahrt (5:12)
09:Duke Ellington's Sound Of Love (2:44)
10:Free Fall (0:51)
11:Taurus Blue (4:59)
12:Close Your Eyes (5:24)
13:Free Fall White (1:10)
14:In The Last Five Seconds (5:00)
15:Free Fall Resume (1:41)
(Alle Kompositionen von Frank Delle, außer - #12 von Bernice Petkere, - #9 von Charles Mingus)
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